Arbeiten gehen oder auf staatliche Kosten leben? Seit die Erhöhung des Bürgergelds zum 1. Januar 2024 offiziell ist, entbrennt erneut eine alt bekannte Debatte: Lohnt sich Arbeit dann überhaupt noch?
Ja, wie eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zeigt. Demnach haben Arbeitnehmer mit Mindestlohn trotzdem mehr Geld zur Verfügung als Menschen, die Bürgergeld beziehen. Doch eine Jobcenter-Leiterin sieht die Erhöhung kritisch, und befürchtet, dass das Lohnabstandsgebot nicht eingehalten werden könne.
„Geht immer wieder ums Geld“
So befürchtet Steffi Ebert, dass die Zahl der Bürgergeld-Beziehenden noch weiter steigen könnte: „Ja, der Kreis wird größer werden, weil Haushalten mit geringem oder keinem Einkommen der finanzielle Anreiz zur Arbeit fehlt“, mahnt die Leiterin des kommunalen Jobcenters Schmalkalden-Meiningen in den Funke-Zeitungen.
Zwar gehe es bei Arbeit auch um soziale Kontakte und Selbstverwirklichung. „Aber wenn man die Sache ehrlich betrachtet, dreht sich schlussendlich alles immer wieder ums Geld“, betont Ebert. Doch ein Anreiz zum Arbeiten sollten laut Helena Steinhaus „gute Löhne und sinnvolle Tätigkeiten“ sein. Die Gründerin des Vereins sanktionsfrei mahnt: „Die Menschen durch blanke Existenznot in unterbezahlte Bullshit-Jobs zu zwingen und noch dazu Sozialneid zu schüren, ist eine Gefährdung für die Demokratie.“ So müsste man dafür sorgen, dass „die Menschen von ihrer Arbeit würdevoll leben können anstatt zu fordern, dass es Menschen, die keine Erwerbsarbeit haben, noch schlechter geht“.
Bürgergeld: Jobcenter kommt sich vor wie „zahnloser Tiger“
Das Bürgergeld steigt von 520 Euro auf 563 Euro. Doch von einer Erhöhung könne man laut Helena Steinhaus nicht sprechen, das ist „lediglich ein Inflationsausgleich“. Dieser sei gesetzlich verankert und das „Mindeste“. Denn: „Nach wie vor haben die Menschen in Bürgergeld zu wenig Geld“, betont Steinhaus auf Anfrage dieser Redaktion. Der Regelsatz müsste nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands bei rund 800 Euro liegen.
Es braucht eine „Anhebung der Regelsätze auf ein armutsfestes Niveau und der Verzicht auf Sanktionen“, betont auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, auf Anfrage. Für Steinhaus brauche es eine „andere Form der Kontaktaufnahme und Kommunikation als Überwachen und Strafen“. Ganz anders sieht das Ebert: Die Leistungsminderungen seien an hohe verwaltungsrechtliche und -technische Hürden geknüpft. So komme sich das Jobcenter manchmal wie ein „zahnloser Tiger“ vor. „Das ist ein bisschen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen durch die Hintertür“, mahnt die Jobcenter-Chefin.
Bürgergeld: „Gezielte Desinformation“
„Die bewusste Falschdarstellung, wonach das Bürgergeld irgendetwas mit einem bedingungslosen Grundeinkommen zu tun habe, ist gezielte Desinformation“, mahnt Schneider. Menschen mit Bürgergeld müssen ihre Bedürftigkeit nachweisen, erhalten es also eben nicht bedingungslos. Darunter sind laut Steinhaus knapp zwei Millionen Kinder und Jugendliche, Kranke, Alleinerziehende und Aufstocker. „Solche Äußerungen sollen einen Keil zwischen Erwerbslose und Erwerbstätige treiben“, so der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen.
Und trotz einiger Verbesserungen sei das Bürgergeld lediglich Hartz 4 „unter neuem Label“. Auch Steinhaus mahnt: „Wir definieren ein Existenzminimum, das zum Leben zu wenig und zum Sterben grad zu viel ist. Das ist beschämend für ein reiches Land wie Deutschland.“