Sie können jederzeit abgeschoben werden, und oft leben sie jahrelang in Unsicherheit: Menschen wie Ahmet, William und Mohammed dürfen nicht dauerhaft im Ruhrgebiet bleiben. Die drei jungen Männer gehen zwar sehr verschiedene Wege in ihrem Leben, aber sie eint ein seltsamer Status: Sie sind in Deutschland nur geduldet.
Essen.
„Geduldet“ zu sein, ist ein seltsamer Zustand. Als würde dir jemand „Willkommen“ sagen, und es gar nicht so meinen. 92.000 geduldete Flüchtlinge gibt es in Deutschland. Sie sind keine Asylbewerber, sie sind keine Einwanderer, sie haben keine Sicherheit und vor allem keine Heimat. Im Grunde kann jeden Tag jemand vom Amt vor der Tür stehen und sagen: „Sie müssen jetzt ausreisen.“
Ahmet (30, Name geändert) aus Bochum ist das passiert. Nach vier Jahren in Deutschland. Die Nachricht, dass er nun nicht mehr geduldet ist, trifft den Türken wie ein Hammerschlag. Ahmet will lieber sterben als ausreisen. Er unternimmt einen Selbstmordversuch, wird nun von Psychiatern behandelt.
Am vergangenen Mittwoch erst verließ Ahmet ein Krankenhaus, seelisch tief verletzt. Reisefähig ist er zunächst nicht, die Zwangs-Rückkehr in die Türkei bleibt ihm also vorerst erspart. „Aber die Duldung ist und bleibt aufgehoben, die Abschiebung ist nur aufgeschoben“, erzählt Kenan Araz vom Aktionsbüro Einbürgerung in Bochum.
Als Asylbewerber ist er vorerst gescheitert
Araz berät noch einen anderen „Geduldeten“: William (29, Name geändert) aus Syrien. Er ist Bürgerkriegs-Flüchtling und allein ins Ruhrgebiet gekommen. „Ich habe eine befristete Duldung“, erzählt der junge Mann. Als Asylbewerber ist er vorerst gescheitert. Dennoch muss er nicht zurück in den Krieg. William wird hier solange „geduldet“, bis Syrien wieder sicherer ist. Und das kann dauern.
„Ich schlafe schlecht“, sagt der junge Mann. „Und wenn ich schlafe, träume ich, dass Fundamentalisten meine Familie umbringen.“ William hat viel Zeit, seinen trüben Gedanken nachzuhängen, denn er darf nicht arbeiten, noch nicht einmal Deutsch lernen. Und wenn er Bochum verlassen will, muss er die Ausländerbehörde um Erlaubnis bitten. Wie er sich als Geduldeter fühlt? „Ach“, seufzt William, „das ist nun mal das deutsche Gesetz. Ich muss es so akzeptieren, wie es ist.“
Früh am Morgen standen die Männer vor der Tür
Ahmet und William stammen aus Ländern, in denen es politisch unruhig zugeht. Bei Mohammed Eke (25), ebenfalls nur in Deutschland geduldet, ist die Situation anders. Eke ist in Essen-Borbeck geboren, machte seinen Hauptschulabschluss in Bocholt. Er spielte leidenschaftlich gern Fußball und trainierte die Kinder beim Heisinger SV. Wahrscheinlich hätte er eine Ausbildung zum Mechatroniker gemacht und im Autohaus seines Onkels gearbeitet. Wären da nicht plötzlich früh morgens die Männer gekommen, die seine beiden Brüder mitgenommen und abgeschoben haben, erzählt er.
2005 folgte die Abschiebung der Eltern und der jüngeren Geschwister. Der entging Mohammed Eke zwar, weil er bei einem Freund übernachtete. Aber auch für den damals 17-Jährigen folgten Kinderheim, Abschiebehaft und der Flieger in die Türkei. Heute lebt der 25-Jährige bei seiner Schwester in Bremen und ist geduldet.
„Ich kämpfe für ein Leben hier“
„Ich möchte mein Leben gestalten. Bislang hatte ich keine Chance, mir eine Zukunft aufzubauen“, sagte er. Das Schlimmste aber war, kein richtiges Zuhause zu haben. „Jetzt kämpfe ich für ein Leben hier.“
Laut „Pro Asyl“ ist die Duldung eine Bescheinigung darüber, dass die Abschiebung vorerst nicht vollzogen wird. Eine Duldung erhält, wer Deutschland verlassen muss, aber noch nicht abgeschoben werden kann, weil zum Beispiel kein Pass vorliegt, wegen einer Erkrankung oder weil im Herkunftsland Krieg herrscht. Die Diakonie Deutschland sagt: „Eine Duldung gilt teilweise nur wenige Tage bis maximal sechs Monate. Häufig erhalten Menschen eine Duldung nach der anderen, es entstehen Kettenduldungen. Die Duldung kann jederzeit widerrufen werden.“
Was das heißt, deutet Paimana (23) aus Afghanistan in einem Beitrag für die Organisation Jugendliche ohne Grenzen an: „Wegen der Residenzpflicht fühlte ich mich wie eine Gefangene. Noch nie habe ich Deutschland so gehasst, wie in dieser Zeit.“