Samenspende, Leihmutterschaft: Angesichts neuer Familienformen fordern Experten im Vorfeld des Juristentages eine Reform des Abstammungsrechtes.
Essen.
Vater werden ist nicht schwer? Wer diesen Satz geprägt hat, der kannte die rechtlichen Probleme moderner Fortpflanzungstechniken nicht. Angesichts neuer Familienformen durch Samenspende und Leihmutterschaft fordern Experten des im September in Essen stattfindenden 71. Deutschen Juristentages eine Reform des deutschen Abstammungsrechtes.
Louise Joy Brown, geboren am 25. Juli 1978 in Manchester, war das erste außerhalb des Mutterleibs gezeugte Kind, ein „Retortenbaby“. Was damals ein Bischof als „Werk des Teufels“ bezeichnet hatte, ist heute nicht ungewöhnlich. Jedes Jahr kommen in Deutschland 1000 durch Samenspende gezeugte Babys zur Welt. „Väter“ sind oft anonyme Spender einer Datenbank. Andere Methoden der künstlichen Fortpflanzung sind hinzugekommen, etwa die Leihmutterschaft. In Deutschland ist sie aus ethischen Gründen verboten, deshalb blüht der Tourismus in Länder wie Indien oder in den US-Staat Kalifornien, wo Frauen gegen Bezahlung eine künstlich befruchtete Eizelle austragen.
Erst im März machte der frühere Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen Schlagzeilen, weil er Babys von zwei Leihmüttern bekam. „Ich bin die Mutter und der Vater“, hatte er mitgeteilt. Kompliziert ist es auch bei homosexuellen Paaren, die zur künstlichen Befruchtung greifen: Dann hat das Kind zwei Väter oder Mütter. Dabei ist die Feststellung, wer die Eltern eines Kindes sind, entscheidend für Sorge-, Erb- und Unterhaltsrecht.
Die Düsseldorfer Jura-Professorin Katharina Hilbig-Lugani machte am Donnerstag bei einer Vorbereitungsveranstaltung des Juristentages im Landgericht Essen die rechtlichen Probleme der künstlichen Befruchtung deutlich. Es geht ums Abstammungsrecht, das nach ihrer Ansicht den gesellschaftlichen Veränderungen bisher nicht ausreichend angepasst wurde. Weil es die Abstammung in der biologischen Linie sieht, hinterlasse es viele Probleme. Deutsche Gerichte hätten darauf reagiert, indem sie die Leihmutterschaft im Ausland juristisch regelten und die Verantwortung der „sozialen Eltern“ unterstützten.
Leihmutter aus dem Alten Testament
Dass die Leihmutterschaft nicht ganz neu ist, belegte Katharina Hilbig-Lugani den Juristen am Donnerstag anschaulich. Da zitierte sie aus dem Alten Testament, denn die kinderlose Rahel wies ihren Mann Jakob an, die Magd zu schwängern: „Geh zu ihr! Sie soll auf meine Knie gebären, dann komme auch ich durch sie zu Kindern.“