Veröffentlicht inPolitik

50 Jahre nach dem Mord an Malcolm X noch Verschwörungstheorien

50 Jahre nach Mord an Malcolm X noch Verschwörungstheorien

malcom x.jpg
Foto: imago
Vor 50 Jahren wurde der schwarze Bürgerrechte-Aktivist Malcolm X in New York erschossen. Über der Bluttat liegt bis heute der Schleier der Verschwörung.

Washington. 

„Brüder und Schwestern….“ Weiter kam der für seine Angriffslust bekannte Redner nicht, der sich am 21. Februar 1965 im Audubon Ballroom an sein Publikum wenden wollte. Dann fielen Schüsse. Wenig später legten die Ärzte das Leichentuch über Malcolm X. Der zwiespältigste afro-amerikanische Bürgerrechtler wurde nur 39 Jahre alt. Auch ein halbes Jahrhundert nach seiner Ermordung reißt die Kontroverse über die Prägekraft des Gegenspielers von Martin Luther King nicht ab.

Bis heute halten sich Spekulationen, dass neben den drei verurteilten schwarzen Attentätern und seinem Nachfolger Louis Farrakhan auch FBI und CIA mit im Spiel waren, als im New Yorker Stadtteil Harlem die tödlichen Kugeln abgefeuert wurden. Anders als sonst war Malcolm X, den FBI-Chef Hoover für einen Umstürzler hielt und ständig überwachsen ließ, am Tag der Tat unbeschattet. Mitglieder der Familie, darunter die just durch ein Buch über ihren Vater in Erscheinung getretene Ilyasah Shabazz, verlangen vom FBI die Herausgabe aller Akten. Peniel Joseph, Geschichtsprofessor an der renommierten Tufts-Universität, verspricht sich davon einen Heil-Effekt.

Alkohol, Drogen und Zuhälterei

1925 geboren im hinterwäldlerischen Nebraska, aufgewachsen ab 14 als Pflegekind in Michigan, kam Malcolm Little mit 17 über Boston ins pulsierende New York. Alkohol, Drogen und Zuhälterei wurden zu Leitsternen im Leben des smarten „Hustlers“. Bis ihm 1946 ein Betrugsgeschäft, es ging um eine 1000-Dollar-Armbanduhr, zehn Jahre Haft eintrug.

Hinter Gittern gerät Little an die Lehren des schwarzen Islam-Radikalen Elijah Muhammad. Der erklärt den weißen Mann zum verunglückten Züchtungsergebnis eines schwarzen Wissenschaftlers. Krude Thesen, die bei Little ihren Resonanzboden finden. Und bis zur vorzeitigen Entlassung nach sechseinhalb Jahren eine von Lese-Orgien (Nietzsche, Schopenhauer…) angefeuerte Radikalisierung auslösen.

In Freiheit legt Malcolm seinen Nachnamen ab. An die Stelle tritt das seit Spike Lees großer Film-Hommage (1992, in der Hauptrolle Denzel Washington) bis heute auf Baseball-Käppis und T-Shirts prangende X. X steht für unbekannt. Weil weiße Sklavenhändler den echten Namen seiner Vorfahren in Afrika gestohlen haben. Sagt X.

Malcolm X setzte auf Konfrontation

Die im Gefängnis autodidaktisch angeeignete Redekunst lässt den stets korrekt mit Anzug und Krawatte auftretenden Brillenträger in Elijah Muhammads „Nation of Islam“ zur schärfsten Rekrutierungswaffe aufsteigen. Wo Martin Luther King, der fromme Baptist aus Atlanta, Gewaltlosigkeit predigt, setzt der charismatische Selfmade-Intellektuelle Malcolm X auf Konfrontation im Kampf gegen Unterdrückung. „Mit allen nötigen Mitteln“, wozu er auch Molotow-Cocktails und Handgranaten zählt, werde man den weißen Mann Mores lehren. Zehntausende, die Kings Weg angesichts der Lynch-Justiz des Ku-Klux-Klan in der Sackgasse sehen, hängen an seinen Lippen.

1963 kommt es zum Zerwürfnis mit Elijah Muhammed. X entblößt ihn als Schürzenjäger, der sich an jungen Mädchen vergreift. Dem Rauswurf aus der „Nation of Islam“ folgt eine Pilgerreise nach Mekka, die Malcolm X erneut verändert. Der Mann, dessen Hass-Reden gegen Weiße („sie waren immer Teufel, sie werden immer Teufel bleiben, darum müssen sie vernichtet werden“) noch heute Gänsehaut erzeugen, kehrt als El-Hajj Malik El-Shabazz zurück. Und predigt vor seiner eigenen Bewegung, der „Organisation für afroamerikanische Einheit“, Versöhnung und Kooperation über alle Rassengrenzen hinweg.

Die „Nation of Islam“ stempelt ihn zum Verräter. Louis Farrakhan persönlich wünscht ihm den Tod. Am 21. Februar 1965 ist es so weit. Seither wird die Bücher-Reihe über ihn immer länger. Immer noch erstaunliche Einblicke in das Leben von Malcolm X gibt die vor Jahrzehnten von Alex Haley, dem Autor der TV-Serie „Roots“, geschriebene Biographie. Unter den neueren Werken ragt das just im CH Beck-Verlag erschienene Buch von Britta Waldschmidt-Nelson heraus. 384 Seiten über eine amerikanische Revoluzzer-Ikone, von der heute im Lichte von Ferguson und anderen tief wurzelnden Rassenspannungen viele gerne wissen würden: Wie geht es weiter mit Schwarz und Weiß in Amerika?