Der wohl ungewöhnlichste „Hotelführer“ in Nordrhein-Westfalen bewertet Haftanstalten. Insassen vergeben dort auch mal vier Sterne für ihr Gefängnis.
Essen.
Hotelportale boomen. Allein in Deutschland teilen sich drei große kommerzielle Anbieter den Markt. Kunden bewerten die Freundlichkeit an der Rezeption, die Bequemlichkeit und den Komfort der Betten. Sie kritisieren langsames WLAN, das Warten in der Telefonschleife, zu teure Zimmer.
Doch Preisrabatt, weiche Kissen, das freundliche Lächeln des Zimmerservice? Mit solchen Kriterien können die Nutzer von www.knast.net wenig anfangen. Dennoch nennt sich das dort eingebaute Vergleichsportal gerne „Hotelführer“.
Insassen vergeben Sterne für Gefängnisse
Hier verteilen – neben Mitarbeitern – aktuelle oder ehemalige Gefängnis-Insassen und deren Angehörige die begehrten Sterne: Benotet werden über 70 Strafvollzugsanstalten und ihre Nebeneinrichtungen an Rhein und Ruhr, was dort gut ankommt oder eher mies in dem meist ja längeren Aufenthalt hinter den Mauern. Wenig erstaunlich, wenn eher zurückhaltende Bewertungen überwiegen.
JustizAber doch, ja: Es gibt in der Bewertung ihrer unfreiwilligen Gäste auch in diesem Land Vier-Sterne-Knäste. Castrop-Rauxel, Münster, Euskirchen und Hamm gehören dazu. Andere wie Dortmund, Bielefeld oder Bochum schneiden nur mit mittleren Noten ab. Die Jugendarrestanstalt Bottrop wird zum Schlusslicht. Nur einmal Stern.
Auch in anderen Bundesländern, in Österreich und der Schweiz bewerten die Eingebuchteten Service, Kost und Logis. Im Freistaat Bayern, dessen Landespolitik in einschlägigen Kreisen eher als die von Sheriffs gefürchtet ist, ist sogar ein Fünf-Sterne-Haus dabei. Eines auch noch mit – potenziell – atemberaubenden Blick auf die Berge: die JVA Garmisch-Partenkirchen.
Dortmund, Bielefeld und Bochum schneiden schlecht ab
Die Spannbreite der Kommentare auf knast.net aus den letzten Jahren ist riesig. Das Personal des Hauses Krümmede 3 in Bochum wird mehrfach gelobt: „In Bochum kann man es aushalten“, heißt es da, oder „Die Beamten sind wirklich alle nett und freundlich“. Murat fühlte sich „gleich wie zu Hause“.
In Bochum wie an weiteren Standorten gibt es aber auch andere Bewertungen: „Spitzenplatz Drogenumschlag“ zum Beispiel. Oder „Terrorregime“. Das Sat-TV sei nur dazu da, die Gefangenen einzulullen. Über Hagen heißt es neben durchaus positiveren Bemerkungen: „Wie in einem dreckigen Jobcenter“ oder „das Essen besteht zu 50 Prozent aus Glutamat“.
„Wie in einem dreckigen Jobcenter“
Erschreckend: An vielen Stellen wird deutlich, welche Langzeit-„Karrieren“ hier offenbar werden. Die achte Anstalt ist es jetzt für einen der knast.net-User.
knast.net wird jetzt zum Thema im Landtag. Der Piratenabgeordnete Nicolaus Kern stellt in seiner Anfrage kritische Fragen an den Justizminister und gibt nebenbei dem Portal damit erstmals die Möglichkeit, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu werden. Kern will die Sterne-Benotung für mögliche Veränderungen in der Vollzugsanstalten-Landschaft in NRW eingesetzt wissen.
Ob die Regierung die knast.net-Äußerungen „für Qualitätsmanagement“ nutzen will, fragt er. Und wie man mit den „Vorwürfen“ und Kritiken gegen Bedienstete umgehe. Denn auch die sind manchmal nicht ohne: Bei der Durchsuchung weiblicher Gefangener sei nicht immer weibliches Personal anwesend, behauptet einer der Kommentare. So richtig ist das keine Fünf-Sterne-Welt.