Soziale Medien ermöglichen die Teilhabe für alle Menschen. Doch gewisse Kriterien müssen erfüllt sein, damit Blinde sie nutzen können.
Berlin.
Mal eben die Urlaubsfotos eines Bekannten angeschaut, schnell ein lustiges Video geteilt, einen interessanten Artikel kommentiert. Oder sich auf Twitter über das Weltgeschehen auf dem Laufenden gehalten und per WhatsApp der Verabredung Bescheid gegeben, dass man sich um zehn Minuten verspätet. Facebook, Twitter und Co. gehören für viele Menschen fest zum Alltag. Was aber, wenn man nicht sehen kann? Auch blinde und sehbehinderte Menschen nutzen die soziale Medien – und dies gar nicht so viel anders als Sehende.
„Auf jeden Fall sind soziale Medien auch für Blinde und Sehbehinderte interessant“, sagt etwa Robbie Sandberg. Der 45-Jährige ist blind und täglich im Netz unterwegs, sowohl privat als auch beruflich. Für das Projekt „Informationspool Computerhilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte“ (Incobs) arbeitet er als sogenannter Experte für User-Interface-Accessibility. Als solcher befasst er sich mit der Barrierefreiheit von Online-Angeboten. „Wir nutzen die sozialen Medien nicht anders als andere Nutzer“, sagt er über sich und andere blinde oder sehbehinderte Menschen.
Screenreader lesen Blinden Netzinhalte vor
Vereinfacht gesagt, lassen sich Blinde und Sehbehinderte die Inhalte von sogenannten Screenreadern vorlesen. „Die klassische Variante ist die Nutzung am Computer. Dafür haben wir eine Sprachausgabe installiert, die die Bildschirminhalte in synthetische Sprache übersetzt“, beschreibt Sandberg, wie er im Internet surft.
Seit etwa fünf Jahren sei für ihn und viele andere Sehbehinderte das primäre Hilfsmittel aber das iPhone. „Apple ist absoluter Vorreiter und hat quasi ein völlig barrierefreies Handy auf den Weg gebracht“, sagt er. Durch den integrierten Sprachassistenten „Siri“ sei keine weitere Software nötig.
Insgesamt sei das Smartphone für viele Blinde und Sehbehinderte die erste Wahl, um das Internet zu nutzen. Die Apps fürs Handy seien meist weniger umfangreich als die Browserversionen und dadurch leichter zu bedienen. „Facebook und Twitter haben sich in der Vergangenheit sehr um Barrierefreiheit bemüht“, sagt Sandberg. Der Kontakt zwischen Entwicklern und der Nutzergruppe sei erfreulich eng. „Der Einfluss der Gruppe blinder Nutzer ist nicht zu unterschätzen“, sagt Sandberg.
Apps sind noch verbesserungswürdig
Incobs hat im Sommer dieses Jahres Apps wie WhatsApp, Facebook und Twitter für die Betriebssysteme iOs und Android getestet. Zwar seien die Unterschiede zwischen iOS und Android in Sachen Zugänglichkeit geschrumpft, Mängel wiesen aber beide noch immer auf. Stärke der Kontraste, die Möglichkeit, Schriftgrößen zu verändern, die Funktionalität der Spracheingabe- und Screenreader-Programme – häufig noch verbesserungsfähig.
„Für Sehbehinderte ist es zum Beispiel sehr wichtig, dass sie Kontraste anpassen und die Schrift vergrößern können“, erklärt Sandberg. Bei der Facebook-App funktioniere dies aber nicht. „Die App setzt die Vergrößerung einfach außer Kraft, die Kontraste sind viel zu gering“, bemängelt der Experte.
Ebenso wichtig wie gut zugängliche Apps ist die Beschaffenheit der Inhalte selbst. Um barrierefrei zu sein, müssten etwa Fotos und Grafiken mit Alternativtext versehen werden, der für Blinde und Sehbehinderte ausgespielt werden kann. Zwischenüberschriften sorgen zudem für Struktur und helfen den Blinden und Sehbehinderten, einfacher im Text navigieren zu können.
Richtlinien sollen Barrierefreiheit im Internet verbessern
„Viele weitere Kriterien sind in den WCAG festgehalten“, sagt Sandberg. Diese Richtlinien, die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), sollen Standards der Barrierefreiheit sichern. Sie wurden vom Word Wide Web Consortium (W3C) entwickelt, einem Gremium zur Standardisierung der Technik im Internet, das sich unter anderem mit einem barrierefreien Zugang zum Web und seinen Inhalten beschäftigt. „Leider sind die WCAG im Grunde nur Empfehlungen, die oft nicht eingehalten werden“, bemängelt Sandberg.
Ob Chatten über Messaging-Apps wie Voxer oder WhatsApp, Kontakteknüpfen im Karrierenetzwerk LinkedIn oder Mikrobloggen über Twitter – Sandberg ist dabei. Auf Twitter verbreitet er sogar selbst Fotos, etwa von einem Kalifornien-Aufenthalt. Dazu nutzt er die Hilfs-App TapTapSee, die blinden und Sehbehinderten iOS-Nutzern ermöglicht, Objekte mithilfe der Smartphone-Kamera zu identifizieren und zu fotografieren. Gleichzeitig liefert sie die akustische Beschreibung des fotografierten Gegenstands gleich mit.
Was Sandberg an sozialen Medien besonders mag, ist, dass sie im Grunde für alle zugänglich sind. „Das ist inklusiv“, sagt er. „Dabei ist es ist völlig egal, ob man blind ist oder nicht. Es ist einfach toll, dass man teilhaben kann.“