…. dann kann das viele Gründe haben – körperliche wie seelische. Krankheiten, Medikamente, Stress, Beziehungsprobleme, aber auch das Alter können die Freude am Sex rauben.
Mülheim.
Er will immer nur das eine – nämlich Sex. Und er kann auch immer. Ein Mythos, der nicht zuletzt gerne von Männern selbst gepflegt wird, wie der Urologe Professor Berthold Schneider weiß. Womit sich diese aber auch unter einen erheblichen Zugzwang setzen. „Nämlich, wenn das sexuelle Verlangen und die sexuellen Fantasien schwinden.“ Es gibt viele Gründe, warum das Lustgefühl, die Libido, beim Mann nachlässt – körperliche wie seelische, betont der Mülheimer Mediziner.
Wie viel Lust ist normal?
Schneider: „Da gibt es nicht eine Antwort für alle Männer. Es gibt welche, die täglich Lust auf Sex habe, andere nur einmal in der Woche, wieder andere nur einmal im Monat.“ Und dann gebe es auch Männer oder Paare, die keinerlei sexuelles Verlangen haben und trotzdem nichts vermissten. „All das kann normal sein und wird nur dann zum Problem, wenn man den eigenen Ansprüchen nicht genügt oder denen des Partners.“
Manchmal, so der Arzt, fühle sich auch der Partner verletzt oder gekränkt. „Er bezieht das fehlende Verlangen nach Intimität auf sich und gibt sich die Schuld dafür.“ Der Urologe rät, nicht aus Scham zu schweigen, sondern als Paar Sex offen zum Thema zu machen. „Ganz wichtig: ohne Schuldzuweisungen!“ Wer das Bedürfnis habe, könne sich auch zusätzlich von einem Sexualmediziner oder Psychotherapeuten helfen lassen.
Faktor Alter
Beim Thema Sex spiele natürlich auch das Lebensalter eine entscheidende Rolle, so Schneider. Seien die sexuellen Bedürfnisse in der Jugend nicht selten „überschäumend“, so ließen diese mit zunehmendem Alter meist nach. „Bei 75-Jährigen klagt rund jeder zweite Mann über fehlende Lust.“
Die Rolle der Hormone
Zu den wichtigsten organischen Ursachen von sexueller Lustlosigkeit zähle der abnehmende männliche Hormonspiegel, der Rückgang insbesondere des Sexualhormons Testosteron, erklärt der Arzt. Was viele nicht wissen: Bei Männern kommt es ab dem 40. Lebensjahr zu einem kontinuierlichen Abfall des männlichen Hormonspiegels von etwa einem Prozent im Jahr. „Das Testosteron kann im Blut bestimmt werden. Dieses sollte morgens in der Zeit von 8 bis 11 Uhr abgenommen werden.“
Der Grund: Das Hormon ist nicht den ganzen Tag über in der gleichen Höhe vorhanden, am Nachmittag sinkt es bei jedem Mann. Der Normalwert sollte über 3ng/ml betragen. Auch eine Überproduktion des Hormons Prolaktin oder eine Schilddrüsen-Unterfunktion können einen negativen Einfluss auf das sexuelle Verlangen haben.
Thema Erektionsschwäche
„Auch eine Erektionsschwäche und ein vorschneller Samenerguss können Ursachen für eine fehlende Libido sein“, so der Urologe. Der Grund sei, dass sich der Körper vor der sexuellen Enttäuschung durch ein Unterdrücken des Lustgefühls schütze. „In diesem Fall müssen die Ursachen der erektilen Dysfunktion – also der Erektionsschwäche – und des vorschnellen Samenergusses abgeklärt werden“, Berthold Schneider.
Dies sei wichtig, weil sich dahintere auch schwerwiegende Erkrankungen wie etwa Bluthochdruck, Diabetes, Parkinson oder Multiple Sklerose verbergen könnten. „Krankheiten, die unbedingt behandelt werden müssen.“
Medikamente
Ebenso könnten Arzneimittel die Lust auf Sex bremsen. Möglich sei diese Nebenwirkung etwa bei Bluthochdruck-Medikamenten, bei Antidepressiva oder auch Schmerzmitteln. „Auf keinen Fall dürfen aber deswegen notwendige Medikamente abgesetzt werden“, betont Berthold Schneider. Er empfiehlt, mit dem behandelnden Arzt über eine eventuelle Arzneimittel-Umstellung zu sprechen. „Wenn das möglich ist.“
Lustkiller Stress
Stress jeglicher Art ist ein Lustkiller. „Ebenso wie Beziehungsprobleme, überzogene sexuelle Ansprüche an sich selbst oder Minderwertigkeitsgefühle.“ Während bei jüngeren Männern die psychischen Ursachen bei einer Lustlosigkeit überwiegen, stehen bei älteren eher die organischen Ursachen im Vordergrund, so Schneider. Aber auch psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Psychosen könnten das Liebesleben ausbremsen.
Welche Therapie?
„Das richtet sich entscheidend nach den Ursachen der Lustlosigkeit.“ Der richtige Ansprechpartner für den Mann sei ein erfahrener Urologe oder Androloge. Dieser müsse zunächst eine genaue Anamnese – inklusive einer Sexual-Anamnese – machen. „Das heißt, er fragt nach Erkrankungen, Lebensgewohnheiten, einer Medikamenten-Einnahme, aber auch danach, wie sich die Störung bemerkbar macht.“ Es folgten eine körperliche Untersuchung, sowie Labor-Untersuchungen – „hierbei wird besonders auf die Hormone geachtet“.
Sei die Ursache der Beschwerden ein durch einen Bluttest nachgewiesener Mangel an Testosteron, könne das Hormon durch ein Medikament ergänzt werden. Schneider: „Allerdings greift man dabei in den Hormonhaushalt ein. Mögliche gesundheitliche Risiken und Chancen müssen gegeneinander abgewogen werden.“
Die Hormonersatztherapie
Über eine medikamentöse Therapie eines Testosteron-Mangels – auch mit dem Ziel wieder ein normales Lustempfinden zu entwickeln – sollte erst nachgedacht werden, wenn der Arzt durch den Hormonmangel bedingte körperliche oder seelische Veränderungen nachweisen kann, die den Betroffenen stark belasten. Urologe Berthold Schneider: „Denn eine Hormonersatztherapie ist immer ein Eingriff in den Hormonhaushalt.“
Unter einer Testosteron-Therapie müsse daher unbedingt eine engmaschige ärztliche Kontrolle mit einer körperlichen Untersuchung – vor allem der Prostata – erfolgen. Alle sechs Monate sei auch eine Blutkontrolle wichtig, die die Bestimmung des so genannten PSA-Wertes mit einschließen müsse. Schneider: „Denn die Testosteron-Gabe kann das Prostata-Wachstum fördern und auch einen möglicherweise bereits vorhandenen Prostata-Krebs zum Wachstum anregen!“
Daher sollte ein Patient zur Behandlung nur einen Arzt mit Erfahrung in der Hormonersatztherapie wählen.
Spritzen, Pflaster, Gel
Zur medikamentösen Therapie eines Testosteron-Mangels gibt es verschiedene Präparate. Alle Mittel sind rezeptpflichtig.
Spritzen: Die Wirkung einer Depotspritze hält drei bis vier Wochen an und muss durch eine erneute Injektion aufgefrischt werden. Eine andere Variante ist eine Dreimonats-Spritze. Hierbei erhält der Patient viermal im Jahr eine Injektion. Bei beiden Spritzen-Therapien hat der Mann keine tageszeitlich bedingten Testosteron-Schwankungen mehr. Schneider: „Der Testosteron-Spiegel bleibt gleich hoch.“
Hormonpflaster: Ein Hormonpflaster, das Testosteron enthält, wird auf einen Arm, einen Oberschenkel oder den Rücken geklebt. Es muss alle 48 Stunden erneuert werden.
Hormongel: Ein Hormongel, das Testosteron enthält, wird jeden Morgen auf die Schulter, die Arme oder den Bauch aufgetragen. Anschließend müssen die Hände sehr gut mit Seife gereinigt werden, um das männliche Hormon nicht an Kinder oder die Partnerin weiterzugeben.
Was ist mit Potenz-Mitteln?
Schneider: „Es gibt Medikamente, die den vorschnellen Samenerguss verzögern, und natürlich solche, die die Potenz steigern.“ Diese Mittel, so der Urologe, sollten aber nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt eingenommen werden. „Der entscheidet, ob es gesundheitliche Faktoren gibt, die gegen die Einnahme solcher Medikamente sprechen.“ Außerdem müssen natürlich Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln bedacht werden. Verzichten sollte man immer auf die Bestellung vermeintlicher Potenz-Wundermittel aus dem Internet. „Wenn man Pech hat, gerät man dabei an gesundheitlich bedenkliche, wenn nicht gar gefährliche Präparate“, warnt der Professor.
Sport kann auch helfen
Sport sei bei einer fehlenden Libido immer zu empfehlen. „Es kann sogar sein, dass er als alleinige Therapie ausreicht“, betont der Arzt. Der Grund: Beim Sport schüttet der Körper Endorphine, Glückshormone, aus.