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Wencke Myhre hat den Krebs überstanden

Wencke Myhre hat den Krebs überstanden

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Foto: Tim Foltin
Ihren größten Hit, den vom knallroten Gummiboot, kennt fast jedes Kind. Doch Wencke Myhre kann viel mehr als gute Laune. Nach ihrer Brustkrebs-Diagnose erfand sich die norwegische Schlagersängerin neu. Heute weiß sie, dass sie auch ohne die große Bühne leben kann. Darüber schreibt sie in ihrer Biografie.

Bremen. 

Sie klingt ein wenig erkältet. Deshalb auch der Tee, der vor ihr auf dem Tisch in der Tasse dampft. Und zwischendurch bringt jemand eine große Schale mit frischen Früchten. Vitamine. Aber Wencke Myhre winkt ab. Husten, Schnupfen, Heiserkeit, alles „halb so wild“. Jedenfalls nicht genug, um den Termin abzusagen, den sie gemacht hat, um ihre Autobiografie „Die Wencke“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 19,95 Euro) in Bremen vorzustellen. „Ich habe mich schon schlechter gefühlt.“

Im Sommer 2010 etwa. Zur Vorsorgeuntersuchung geht sie da ins Krankenhaus. Alles Routine. Doch dann lautet die Diagnose: Brustkrebs. „Volles Programm“, sagt ihr Arzt. „Chemo- und Strahlentherapie. Jetzt ist Pause.“ Von Hundert auf Null in kurzer Zeit, „das war schon eine Umstellung.“

Viele Entscheidungen aus dem Bauch getrroffen

Myhre hat Glück im Unglück. Die Krankheit ist früh erkannt worden, eine brusterhaltende OP möglich. Aber die Behandlung zehrt an der Norwegerin. Als sie ihre Haare durch die Chemo verliert, kommen ihr die Tränen. Dann aber setzt sie sich hin, schmiedet Pläne, schreibt ihre Biografie. Anfragen von Verlagen gibt es schon lange. Doch erst jetzt hat sie die Zeit, mal alles aufzuschreiben. „Ich war erschreckt, was ich alles erlebt hatte.“

Kommt halt einiges zusammen, wenn man 60 seiner 66 Jahre im Showgeschäft arbeitet. Wenn man den Papa schon als Kind auf die Bühne begleitet, mit 13 den ersten Plattenvertrag bekommt und bald nicht nur in der norwegischen Heimat, sondern auch im Ausland bekannt wird. Im Deutschland der 1970er ist Wencke Myhre nicht nur bekannt, da ist sie ein Star. Dreht Spielfilme, macht Shows mit Peter Alexander und Udo Jürgens und landet Hit auf Hit.

Sie warnt vor übereiltem Verzehr von Obst, („Beiß nicht gleich in jeden Apfel“) oder erzählt aus dem Leben einer Spielerfrau („Er steht im Tor und ich dahinter“). Und dann ist da natürlich noch das knallrote Gummiboot, das heute immer noch fast jeder zwischen Kiel und Konstanz mitschmettern kann und zu dem sie immer noch steht. „Für so einen Hit muss man dankbar sein.“

Pippi Langstrumpf des Schlagers

Myhre ist attraktiv, als Sex-Symbol gilt sie trotz kurzer Röcke und tiefer Ausschnitte nicht. Eher als das chronisch gut gelaunte nette Mädchen von nebenan, mit Zöpfen, großen Kulleraugen und süßem Akzent. Eine Pippi Langstrumpf des Schlagers wird sie für die Deutschen. Dabei kann und macht sie so viel mehr.

Myhre tut lange aber auch nichts, um gegen dieses Image anzukämpfen. Jazz und Gospel singt sie nur in ihrer Heimat, ihr Engagement für ein Kinderkrankenhaus in Gaza hängt sie nie an die große Glocke. Sie hat bis heute keinen Manager, trifft wichtige Entscheidungen „aus dem Bauch heraus“, folgt nicht immer ihrem Verstand, sondern oft ihrem Herzen. Was unter anderem zu vier Kindern von drei Männern führt, zu vielen beruflichen Erfolgen, aber auch zu Niederlagen – privat und auf der Bühne. Schlimmster Verlust aber ist der Selbstmord ihrer großen Liebe, des deutschen Regisseurs Michael Pfleghar. „Über so etwas kommt man nie wirklich weg.“

Seit Monaten auf Tournee durch die Heimat

Natürlich ist da heute die Angst, dass der Krebs wiederkommt. Aber Myhre lässt sich davon nicht beherrschen. „Ich lebe, wie ich immer lebe.“ Seit Monaten ist sie auf Tour in Norwegen, nächstes Jahr will sie vielleicht auch wieder in Deutschland auftreten. Vor Weihnachten gibt sie Kirchenkonzerte, singt auf einer Krebsstation. Manchmal muss ihr Lebensgefährte Anders Eljas sie bremsen, damit sie sich nicht übernimmt: „Ich stecke immer noch so voller Energie.“

Im Nachhinein kann Wencke Myhre der Krankheit sogar gute Seiten abgewinnen. Sie hat ihr geholfen, „wichtig von unwichtig zu trennen“, hat ihr gezeigt, dass „ich eine Familie habe, die mich in schlechten Zeiten auffängt und dass ich auch ohne Bühne leben kann.“ So gesehen, findet Wencke, „war das mein bestes Jahr.“