Rudolf Cerne erkannte schnell das Talent seines Sohnes. Schon als Fünfjähriger nahm er seinen Filius mit zum Eislaufen. Rudi Cerne erfüllte seinem Vater einen durch den Krieg unmöglich gewordenen Traum: ein sehr erfolgreicher Eiskunstläufer zu werden.
Mainz.
Er könnte sich längst auf seine Routine verlassen, er hat Olympische Winterspiele ja schon als Sportler und als Journalist erlebt. Aber Rudi Cerne, den das ZDF als Studio-Moderator nominiert hat, freut sich auf die Dienstreise ins russische Sotschi wie ein Debütant – Neugier und Dankbarkeit hat er nie abgelegt.
Auch mit 55 Jahren fasziniert ihn besonders das Eiskunstlaufen, die Sportart, die er meisterhaft beherrschte. „So eine Eishalle hat ja einen eigenen Geruch“, sagt er, „da laufen bei mir sofort alte Filme ab.“ Filme, in denen nicht er allein eine Hauptrolle spielt. Sondern auch sein Vater.
Als Fünfjähriger wurde Rudi Cerne von Rudolf Cerne erstmals aufs Eis geführt. Penibel achtete der Senior jahrelang darauf, dass der Junior nicht aus der Spur kam, dass er diszipliniert den Plan durchzog – allen ablenkenden Versuchungen und schulischen Belastungen zum Trotz. Rudi Cerne weiß das heute sehr zu schätzen.
Sotschi im Blick, Wanne im Herzen
Vater Cerne, ein Malermeister aus Wanne-Eickel, war einst selbst ein talentierter Eisläufer, durch seinen Sohn konnte er eigene Träume spät verwirklichen. Rudolf Cerne hatte im Krieg auf dramatische Weise ein Bein verloren, beim Russland-Feldzug im Winter ‘41/’42. „Wir saßen im Auto oft stundenlang zusammen, und da habe ich ihn schon mit neun, zehn Jahren alles gefragt“, erzählt Rudi Cerne.
Der Vater überwand sich und berichtete. Darüber, wie ihm ein Geschoss das Knie zerfetzte; wie ihn ein Kamerad auf einer Kutsche zum nächsten Bahnhof brachte; wie er mit anderen Verwundeten in einem Viehwaggon auf Heu lag und ins Lazarett nach Warschau gebracht wurde; wie sie ihm dort sein Bein nahmen.
Rudi war sechs Jahre alt, als er sah, wie sich der Vater mit der Prothese noch einmal aufs Eis wagte. Es blieb bei dem einen Versuch.
Der Junge wurde zweimal Deutscher Meister, einmal Vize-Europameister, die Titel waren der Lohn für manche Trainingstortur. Und Vater Cerne war stolz auf seinen Rudi, der sich stets treu blieb: Seriosität ist ihm auch als Fernsehmoderator wichtiger als Effekthascherei – wie damals, als er sich dem poppigen Trend der Achtziger verweigerte und lieber zu klassischer Musik in eleganter Kleidung lief.
In Sarajevo lief Rudi Cerne auf Medaillenkurs
Wie vor genau 30 Jahren bei den Winterspielen im damals jugoslawischen Sarajevo, wo er auf Medaillenkurs lief, am Ende aber Vierter wurde, weil der Tscheche Jozef Sabovcik, den sie „Doktor Marlboro“ nannten“, trotz konditionsraubenden Zigarettenkonsums die Kür seines Lebens aufs glatte Geläuf zauberte und ihm Bronze wegschnappte. Bis heute kann sich Rudi Cerne darüber ärgern, dass er damals in entscheidenden Zehntelsekunden zögerte und zauderte.
Die Eltern sind inzwischen verstorben, Rudi Cerne lebt seit Jahren mit seiner Familie in Hessen. Aber in die Heimat zieht es ihn immer noch. „Am ersten Freitag im August werde ich immer kribbelig“, sagt er und lacht. Wanne-Eickeler wissen: Das ist traditionell der Starttag der Cranger Kirmes.