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Warum Hochzeiten immer mehr zu einem Wettbewerb werden

Warum Hochzeiten immer mehr zu einem Wettbewerb werden

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imago71450980h~d0eb3caf-c9ae-465a-9f5a-856eec788ed3.jpg Foto: imago/Xinhua
Der Trend zu immer aufwendigeren Hochzeiten stört nicht nur die Gäste. Selbst heiratswillige Paare haben wohl keine Lust mehr darauf.

Berlin. 

Das einzige, was schon vor dem Antrag feststeht, ist das Hochzeitsprogramm. Junggesellenabschied: muss sein. Kirchliche Trauung: selbstverständlich. Zusätzliche Feier nach dem Standesamt: sicher. So gehen einige Tausend Euro drauf. Und da ist die Hochzeitseise noch gar nicht inklusive.

Und erst die Ausstattung: Sündhaft teures Kleid für sie, Designerschuhe für ihn. Ohne Limousine mit Chauffeur oder Pferdekutsche geht es kaum noch. Und bei der Feier ist eine Cocktailbar, ein Eiswagen und ein üppiges Feuerwerk fast schon Pflicht. Dass der Lieblingssänger auf ein Ständchen vorbekommt, ist natürlich nett – das gibt es aber auch nur ganz selten kostenlos.

Den Trend zu immer aufwendigeren Hochzeiten scheint unaufhaltsam. Das beobachtet auch Froonck, Deutschlands wohl bekanntester Hochzeitsplaner. „Im Durchschnitt wird sicherlich mehr Geld ausgegeben, die Hochzeiten sind ungewöhnlicher, ausgefallener, weniger traditionell und familiär“, sagt der Hochzeitsorganisator im Gespräch mit unserer Redaktion. Durchschnittlich heißt in diesem Fall 14.000 Euro. Diese Zahl rechnet Melanie Schmitz, Schriftführerin des Bundes deutscher Hochzeitsplaner, in einem Interview mit dem Hochzeitsportal weddix.de vor. Dabei berücksichtigt die Expertin aber nur die Verpflegung (ca. 100 Euro pro Person) sowie die Location – Kleidung und Ringe sind noch nicht dabei.

Weniger Hochzeiten, aber mehr Budget

Und so ist es möglich, dass Paare bis zu einer Millionen Euro für den wichtigsten Tag ihres Lebens einplanen, wie auf der Internetseite von Frooncks Agentur zu lesen ist. Das Geld kann beispielsweise für „Destination Weddings“ ausgegeben werden – also für Hochzeiten, bei denen die Gäste an einen bestimmten Ort reisen müssen.

Doch während der Qualität bei Hochzeiten kaum Grenzen gesetzt sind, sieht es mit der Quantität ganz anders aus. Die Anzahl der standesamtlichen Trauungen ist zwischen 2012 bis 2014 um 0,38 Prozent zurückgegangen. In der Katholischen Kirche lag der Rückgang im selben Zeitraum bei 6,4 Prozent, bei der Evangelischen Kirche sogar bei 6,8 Prozent. Die Gründe für die Rückgänge sind vielfältig. Konrad Merzyn, evangelischer Pfarrer und Wissenschaftler, der seine Doktorarbeit zum Thema Trauungen geschrieben hat, sieht vor allem drei Gründe:

1. „Die Anzahl der Kirchenmitglieder geht zurück und damit auch die Anzahl der Trauungen“, so Merzyn.

2. Hinzu komme eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung. „Wir sehen, dass sich Lebensgeschichten verschieben: der Hauskauf, die Kinderplanung finden wesentlich später statt als noch vor einigen Jahren.“, sagt der Pfarrer aus Hannover. Das gilt auch für die Hochzeit.

3. Aufwendige Hochzeiten, sind laut Merzyn erstmal eine Wertschätzung des Aktes. „Die Kehrseite ist, dass ökonomisch nicht so gut ausgestattete Paare sich häufiger nicht trauen lassen“, ergänzt er. Das heißt, dass einige Paare regelrecht eingeschüchtert werden. Heiratswillige verlieren durch den Trend zu immer aufwendigeren Hochzeiten die Lust am Heiraten.

An den Kirchenaustritten oder wirtschaftlichen Zwängen der Gesellschaft kann der Einzelne wenig machen. Aber den dritten Punkt der Liste können wir alle beeinflussen:

Hochzeiten dürfen nicht zu einem Wettbewerb werden!

In seinem Buch „Hochzeitsfieber: Liebe, Tränen, Traualtar – meine besten Storys “ hat Froonck einige der wohl spektakulärsten und kostspieligsten Hochzeiten zusammengefasst. Von der Brautkleidsuche bei einer Desginern in London bis zu Auftritten der Berliner Philharmoniker schildert er dort, wie Hochzeitsfeiern aussehen können.

Aber vermiesen reiche Paare den armen Verliebten wirklich deren Traumhochzeit? Sicher nicht bewusst. Konrad Merzyn hat als Pfarrer noch nicht erlebt, dass Paare nur wegen der Show geheiratet hätten. Am Ende gehe es immer um die Liebe, sagt er.

Warum mehr nicht immer besser bedeutet

Das Streben nach großen Hochzeiten, ist viel mehr ein Zeichen von Individualismus, weiß auch Froonck: „Im Gegensatz zu früher möchte man aber eher seine Individualität zeigen und sich von Hochzeiten aus dem Familien- und Freundeskreis absetzen.“ Der Trend zu mehr Individualität ist auch den Kirchen nicht verborgen geblieben. „Konventionen werden wesentlich häufiger hinterfragt. Man hat in vielen Lebenssituationen aber auch wesentlich mehr Optionen.“, sagt Konrad Merzyn. Dabei muss aber das individualistische Mantra „mehr ist mehr“ nicht zwingend finanziell ausgelebt werden.

Dass Hochzeiten auch mit wenig Budget zu einer individuellen Veranstaltung werden können, zeigen zahlreiche Blogs und Ratgeber. Die Bloggerin Ariane Stürmer schreibt detaillierte Anleitungen dazu, wie man Tischdekorationen und Sitzpläne selbst bastelt. Andere Ratgeber im Internet rufen dazu auf, sich Teile der Hochzeit schenken zu lassen. Wer Musiker oder Barkeeper im Freundeskreis hat, könnte zum Beispiel darum bitten, statt eines Geldgeschenkes einen Teil der Hochzeit zu gestalten.

Man kann auch mit wenig Geld viel falsch machen

Wer schon auf einer Hochzeit war, bei der der Onkel der Braut ein 40-minütiges Comedy-Programm aufgeführt hat, oder wer erfahren musste, wie lang eine Harfe gespielt werden kann, bis die Seiten reißen, der weiß, dass man auch mit wenig Geld eine schlechte und aufgesetzte Show liefern kann.

Auch für die Gäste sollte die Hochzeit also nicht zum Wettbewerb werden. Es hilft keinem, wenn jeder eine noch bessere Rede halten oder Hunderte Kinderfotos aus gemeinsamen Zeiten zeigen will. Für eine gute Hochzeit gelten nur wenige Regeln: „Gäste tragen kein Weiß“, weiß Froonck. Dazu gebe es einige unverzichtbare Bräuche wie die Hochzeitstorte und den Brauttanz.

Keiner will eine Hochzeit wie ein Synchronschwimmen

Die perfekte Feier sei erreicht, „wenn Braut und Bräutigam ihren Tag genießen und sich feiern lassen, wenn die Gäste bester Laune sind und das Brautpaar hochleben lassen“. Für Froonck muss das Ganze ein „großes harmonisches Miteinander“ sein.

Und sind wir mal ehrlich: Wettbewerbe sind nur dann ein harmonisches Miteinander, wenn es sich um Synchronschwimmen handelt. Die Begeisterung für diese Sportart flammt aber – wenn überhaupt – nur alle vier Jahre bei den Olympischen Spielen auf. Die perfekte Hochzeit sollte dann doch ein wenig länger in Erinnerung bleiben.