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Von Alice Cooper bis Marilyn Manson: Die gruseligsten Schock-Rocker

Von Alice Cooper bis Marilyn Manson: Die gruseligsten Schock-Rocker

Wenn sie auf Tournee sind, ist jeden Abend Halloween: Schock-Rocker lehren seit Jahrzehnten mit Monsterkostümen und Kunstblut Musikfans das Gruseln. Dies sind die fünf wichtigsten Acts.

Die Provokation bürgerlicher Normen gehörte schon immer zum Rock’n’Roll-Ethos. Auf die Spitze treiben dies Vertreter des „Shock Rock“, die seit Jahrzehnten mit ausgefallen Kostümen und spektakulären Liveshows um den Titel des größten Elternschrecks wetteifern. Dies sind die wichtigsten Grusel-Musiker.

Urvater des „Shock Rock“: Alice Cooper

Während schon Künstler wie Screamin‘ Jay Hawkins und Arthur Brown mit gruseligen Kostümen, Make-up und Spezialeffekten experimentierten, kann Alice Cooper („Feed My Frankenstein“) getrost als der erste echte Schock-Rocker bezeichnet werden. Dabei fing alles mit einem Versehen an: Auf dem Toronto Peace Festival 1969 warf ein Fan während Coopers Auftritt ein lebendes Huhn auf die Bühne. Cooper warf es einfach zurück: „Ich komme aus Detroit, ich bin kein Farmersjunge. Ich dachte mir, das Huhn hat doch Flügel, das wird davonfliegen“, verriet er Jahre später in einem Interview. Falsch gedacht: Das arme Tier landete wieder im Publikum und wurde von den wildgewordenen Fans zerfetzt.

Am nächsten Tag war auf den Titelblättern der Sensationspresse zu lesen, Cooper selbst habe dem Huhn den Kopf abgebissen. Auf den Rat Frank Zappas hin („Was auch immer du gemacht hast, mach damit weiter!“) schlachtete Cooper sein neues Image hemmungslos aus, verzichtete dabei allerdings dankenswerter Weise auf weitere Tier-Massaker und ließ bei seinen bis heute erfolgreichen Shows nur noch Kunstblut fließen. Sein Konzept basiert vor allem auf schwarzem Humor: „Wenn Alice gewisse Schicksale ereilen, dann sind sie meistens so absurd, so übertrieben, dass sie sich in etwas Lustiges verwandeln“, erklärte er spot on news. „Ich strebte immer Humor an – indem ich so Schockierendes zeigte, dass es sich in etwas hysterisch Komisches verkehrte.“

Gründer des Horror-Punk: Die Misfits

Wirkten schon frühe Punkrocker wie Iggy Pop und die Sex Pistols mit ihren aggressiven Bühnenshows auf die meisten Normalbürger schockierend genug, setzten die 1977 gegründeten Misfits („Earth A.D.“) noch einen drauf. In ihren Texten und Artworks bedienten sie sich aus dem reichen Fundus klassischer Horrorfilme, auf der Bühne traten sie stets mit leichenhaftem Make-up auf. Mit ihren morbiden Hymnen und Shows prägten die Misfits ein ganzes Genre: Den Horror-Punk.

Ihre Liebe zum Makaberen beschränkte sich nicht nur auf die Bühne. 1982 wurden die Misfits etwa in New Orleans wegen angeblicher Grabräuberei verhaftet, als sie das Mausoleum der legendären Voodoo-Priesterin Marie Laveau suchten. Die Glanzzeit der Misfits dauerte allerdings nur ein paar Jahre: Die Band wurde stets von Besetzungsproblemen geplagt, Frontmann Glenn Danzig war zunehmend unzufrieden mit der musikalischen Ausrichtung. 1983 verkündete er bei einer Halloween-Show das Ende der Band. Danzig startete eine erfolgreiche Solokarriere, Bassist Jerry Only holte die Misfits 1995 aus dem Grab zurück und zofft sich seitdem regelmäßig mit Danzig wegen Urheberrechtsfragen.

Metallischer Gruselmärchen-Erzähler: King Diamond

Ein Großmeister der gepflegten Horror-Unterhaltung ist Metal-Ikone King Diamond. Als Frontmann der Band Mercyful Fate prägte er zwischen 1981 und 1985 mit seinem morbiden Make-up und okkulten Texten das Black-Metal-Genre. Mit seiner nach dem Ende von Mercyful Fate gegründeten gleichnamigen Band King Diamond verlegte sich der Sänger mit der markanten Falsett-Stimme verstärkt auf das Erzählen anspruchsvoller Gruselgeschichten. Seine Konzeptalben wie „Abigail“, „Voodoo“ und „The Puppet Master“ bieten feinstes Horrorkino für die Ohren, die Live-Umsetzung nimmt durch King Diamonds ausdrucksstarke Bühnenpräsenz und den effektvollen Einsatz von Requisiten fast schon Musical-hafte Züge an. Kein Wunder, dass King Diamond heute zu den populärsten Live-Acts in der Metalszene gehört.

Monströse Gesellschaftskritiker: Gwar

Einen legendären Ruf haben sich auch Gwar („Battle Maximus“) mit ihren Liveshows erspielt. Die 1984 unter dem der Einfachheit halber bald abgekürzten Namen Gwaaarrrgghhlllgh gegründete Metalband besteht ihrer fiktiven Biografie zufolge aus intergalaktischen Kriegern, die in die Antarktis verbannt wurden. In ihren aufwändigen Kostümen sehen die Musiker aus wie monströse Actionfiguren, die sich bei ihren Konzerten zahlreiche Schlachten mit ebenfalls als Ungeheuer verkleideten Statisten liefern. Aus abgehackten Gliedmaßen spritzen dabei stets literweise Kunstblut und andere Flüssigkeiten.

Doch Gwar ging es nie nur um den bunten Trash-Zirkus, die Band griff stets auch auf satirische Weise aktuelle Themen auf. So wurden auch schon die Doppelgänger diverser Politiker auf der Bühne exekutiert. Legendär sind auch diverse Auftritte in Talkshows zu Themen wie Gewalt in der Musik und Zensur – natürlich immer in voller Kostümierung. Im März mussten Gwar mit dem Drogentod von Frontmann und Bandgründer Dave Brockie alias Oderus Urungus einen schweren Schlag hinnehmen. Dennoch entschieden sich die verbliebenen Mitglieder, die Band mit Ex-Bassist Mike Bishop alias Blothar als Frontmann weiterzuführen. Zuvor verabschiedeten sich Gwar stilgerecht von Brockie: Das Oderus-Urungus-Kostüm wurde nach Art eines Wikingerbegräbnisses den Flammen übergeben.

Der Retter des „Shock Rock“: Marilyn Manson

In den 1990er Jahren hatte der „Shock Rock“ ein Problem: Er schockte einfach nicht mehr so richtig, Vorreiter wie Alice Cooper waren schon längst als Familienunterhaltung anerkannt. Höchste Zeit für einen wie Marilyn Manson („The Dope Show“): Mit drastischen Texten, brachialem Industrial-Rock und verstörend androgynen Outfits brachten Manson und seine gleichnamige Band den „Shock Rock“ auf eine neue Stufe und konservative Politiker auf die Barrikaden. So machte etwas Senator Joseph Lieberman 1996 gegen Manson mobil – 1999 wurde versucht, dem Sänger das Schulmassaker von Columbine anzulasten.

Seiner Popularität taten die Vorwürfe keinen Abbruch, zumal Manson sich in der Kontroverse als intelligenter Künstler erwies, der in Interviews und Artikeln gekonnt die tieferen gesellschaftlichen Ursachen für Amokläufe analysierte. Und so gehört Marilyn Manson bis heute zu den wichtigsten „Shock Rock“-Acts, zumal bei ihm die Horror-Show nie zur Routine, sondern mit jedem Album neu erfunden wird.