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So bewältigen Rheumapatienten die Hindernisse des Alltags

So bewältigen Rheumapatienten die Hindernisse des Alltags

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Wer Rheuma hat, stößt im Alltag oft auf Hürden, die es zu überwinden gilt. Hildegard Mang aus Dülmen kennt sich aus: In der Deutschen Rheuma-Liga NRW engagiert sie sich in der Fortbildung von Medizinstudenten, ist qualifizierte Rheuma-Beraterin und gibt Selbstmanagementkurse für neu Erkrankte.

Dülmen. 

Hildegard Mang (53), die sich seit 34 Jahren mit den Folgen einer rheumatoiden Arthritis befassen muss, hat verformte Hände und Füße, zum Teil auch künstliche Gelenke – doch sie weiß sich zu helfen. Gemeinsam mit der Deutschen Rheuma-Liga gibt sie Tipps für den Alltag. Ihr Motto: „Not macht erfinderisch“. Es müssten nicht immer kostspielige Hilfsmittel sein, mit eigener Kreativität ließen sich Hürden meistern.

Besser Messer greifen können

Eine normale Tasse Kaffee zu halten, das fällt Menschen mit rheumatischen Händen schwer. Deshalb trinkt Rheuma-Beraterin Hildegard Mang lieber aus einem schmalen, hohen Glas oder einer entsprechend geformten Tasse. Messer, Gabel oder Löffel kann sie besser greifen, seit sie die Griffe des Bestecks mithilfe eines weichen, dünnen Schaumstoffs – auch Moosgummi genannt – verdickt. „Dieser Schaumstoff wird normalerweise benutzt, um Rohre zu isolieren“, sagt Hildegard Mang. Er kann für wenige Euro im Baumarkt erworben werden. Ein ergonomisches Brotmesser hilft dabei, eine Scheibe vom Laib zu schneiden. Der Griff ist im Winkel geformt, was dafür sorgt, dass das Handgelenk in seiner natürlichen Form bleibt und nicht so stark belastet wird. Solche Messer gibt es auch als Küchenmesser. Und weil ein dünner Schlüssel auch nicht leicht zu fassen ist, kann er mithilfe von Knetmasse kompakter gemacht werden. So schafft es Hildegard Mang, selbstständig ihre Wohnung aufzuschließen.

Flaschen öffnen

Wenn Rheumapatienten ein Glas Cola oder auch mal einen Rotwein trinken möchten, müssen sie erst einmal in der Lage sein, die Flasche zu öffnen. Dafür gibt es verschiedene Hilfsmittel – etwa Drehverschlussöffner, die wie eine kleine Sonne oder eine Schildkröte ausschauen. Sie werden auf die Verschlüsse aufgesetzt, woraufhin sich diese leichter „packen“ und aufdrehen lassen. „Die Drehbewegung wird durch die Verdickung und Griffigkeit vereinfacht“, erklärt Rheuma-Beraterin Mang. Bei Metallverschlüssen setzt sie für den gleichen Zweck häufig einen Nussknacker ein. Ihre Haushaltsschere ist mit einem Bügel versehen, damit diese ständig aufklafft und bereit fürs Schneiden ist. Für Rotweinflaschen nutzt Hildegard Mang einen elektrischen Öffner, der auch die Folie am Flaschenhals schneidet und mit dessen Hilfe sich der Korken auf Knopfdruck ohne Kraftaufwand ziehen lässt. Apropos Knopfdruck: Nicht jeder hat ein Auto, das sich auf diese Weise starten lässt. Der Tipp: Ein Schraubenzieher kann hier die Hebelwirkung verstärken, wenn man den Motor mithilfe eines normalen Schlüssels anwirft.

Die Gelenke gut schützen

Werden die entzündeten Gelenke (besonders bei rheumatoider Arthritis) zu sehr belastet oder beansprucht, können sie sich immer weiter verformen. Deshalb erklärt die Deutsche Rheuma-Liga: Was innen schwach ist, muss von außen geschützt und gestützt werden. Hildegard Mang nutzt hierfür Gelenkringe, sogenannte Orthesenringe, damit die Fehlstellung ihrer Finger sich möglichst nicht weiter entwickelt. Sie schont die Finger beim Schreiben auch durch eine leichtgängige, ergonomisch geformte Computertastatur und eine ebensolche „Mouse“, die ein wenig wie ein Revolvergriff anmutet. Inzwischen gibt es aber auch PC-Programme, die sich mit der Sprache steuern lassen. Tipp von der Rheuma-Liga: Während der Arbeit zwischendurch immer mal die Finger mobilisieren, zum Beispiel, indem man in einem Topf mit trockenen Linsen oder Aquariumkies aus dem Zoohandel wühlt – das wirkt schmerzlindernd und regt die Durchblutung an.

Sich anziehen und bequem sitzen

Beim Shopping-Bummel müssen Rheuma-Kranke hinschauen und kreativ denken: „Kleidungsstücke mit Reißverschlüssen oder Knöpfen lieber im Laden lassen und solche aus dehnbarem Elasthan-Stoff kaufen“, rät Expertin Hildegard Mang. Sie ist froh, dass es

inzwischen auch kleidsame Hosen mit Gummizug gibt. Um die Hände an kalten Tagen zu wärmen, nimmt sie übrigens einen Muff zum Umhängen, weil sie sich das umständliche Anziehen der Handschuhe ersparen möchte. Wenn Rheuma-Patienten in ihre Strümpfe oder Schuhe schlüpfen, können sie sich mit Strumpfanziehern und Greifzangen ebenso wie mit langen Schuhlöffeln behelfen. In Schuhe mit elastischen Schnürsenkeln kommt man schnell wieder herein (oder aus ihnen heraus), wenn man sie einmal zugebunden hat. Und weil das Platz nehmen auf tiefen Stühlen Probleme bereitet, gibt es Sitzkeile und aufblasbare Kissen zum Mitnehmen für unterwegs. Sinnvolle Hilfsmittel können auch Lesetische sein, deren Arbeitsplatte leicht verstellbar ist. Hildegard Mang: „Will man sich sein Badezimmer so einrichten, dass man allein darin gut zurechtkommt, sollte man darauf achten, dass die Dusche ebenerdig betreten werden kann. Am Waschbecken sollte ein sogenannter Einhebelmischer statt eines Wasserkrans angebracht werden, den man drehen muss.“ Ihr Rat: die Toilette von vorneherein zehn Zentimeter höher anbringen lassen, damit man sicher Platz nehmen kann.