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Shakespeare gibt auch 400 Jahre nach seinem Tod Rätsel auf

Shakespeare gibt auch 400 Jahre nach seinem Tod Rätsel auf

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imago66419605h~536f022b-848b-4729-a64c-3ff681dbb724.jpg Foto: imago/eventfoto54
„Hamlet“, „Romeo und Julia“, „Macbeth“: Das Werk von Shakespeare hat die Welt verändert. Worin liegt die Faszination nach 400 Jahren?

London. 

Wohl wenig ist über den Schriftsteller William Shakespeare so bekannt wie der Umstand, dass fast nichts über ihn bekannt ist. Shakespeare, ein Rätselmann. „Er war nicht eines Zeitalters, sondern für alle Zeiten“, schrieb der Zeitgenosse und Bühnenautor Ben Jonson anerkennend nach dem Tod des wohl bedeutendsten Schriftstellers der Literaturgeschichte nach Homer. Das war vor 400 Jahren.

Dass er am 23. April 1616 in seiner Geburtsstadt Stratford-on-Avon gestorben ist, ist mehr oder weniger sicher. Vieles im Zusammenhang mit Shakespeares Person ist aber ist noch völlig strittig. Immer wieder werfen Zweifler die Kernfrage auf: Seins oder nicht seins? Sie meinen damit sein Werk. Stammen „Hamlet“, „Romeo und Julia“ oder „Macbeth“ nun tatsächlich aus der Feder des Bühnenautors oder arbeitete da ein Autorenkollektiv?

Aktionskomitee für Graböffnung

Diese Ungewissheit trieb skurrile Blüten: In den Sechziger Jahren gründete sich beispielsweise ein „Shakespeare-Aktionskomitee“ in England, das die Grabstelle in der Holy Trinity Church öffnen wollte. Die Vermutung: Der Dichter müsste doch mit seinen gesammelten Werken vergraben worden sein. Und so würde man endlich die Autorschaft aufklären können. Oder nicht? Nein. Denn die Kirche widersprach. Ein Spruch über der Grabplatte enthält eine Warnung: „Gepriesen sei der Mann, der diese Steine schont, und verflucht sei der, der meine Knochen bewegt.“

Und so ranken sich zahlreiche Verschwörungstheorien um die Urheberschaft der Werke. Wohl nicht zuletzt wegen der Arroganz einiger Literaturwissenschaftler, in dessen Weltbild es nicht passte, dass der Sohn des Handschuhmachers John Shakespeare die komplette Geisteswelt umkrempelte. Zu den Alternativautoren zählte eine ganze Reihe von besser gestellten Zeitgenossen: Zunächst der Philosoph und Staatsmann Francis Bacon, später der Dramatiker Christopher Marlowe, dann wahlweise der Earl of Derby oder Earl of Oxford. Was den Theorien auftrieb gab: Es hat kein Manuskript überlebt, das der Dichter selbst geschrieben hat.

Ränkespiele über Macht und Machtmissbrauch

Heute haben sich Experte allerdings weitgehend darauf geeinigt, dass Shakespeare auch der Urheber der Werke ist. Die Faktenlage sei zwar „nach heutigen Maßstäben spärlich“, heißt es seitens der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft. Allerdings sei sein „Leben für einen Mann aus seiner gesellschaftlichen Schicht in seiner Zeit recht gut dokumentiert“.

Worauf sich die Forschung geeinigt hat: Er wurde im Jahr 1564 in Stratford-upon-Avon geboren, vermutlich ebenfalls am 23. April. Dort besuchte der Junge die Lateinschule, an einer Universität war Shakespeare nie. Mit 18 soll er die acht Jahre ältere Anne Hathaway geheiratet haben, dann verließ er Frau und Kind. „Verlorene Jahre“ nennen Experten eine längere Zeitspanne, in der der Mann schlichtweg verschollen war. Spekulationen blühen: War er in Italien, Italienisch lernen für seine späteren Dramen, die in Italien spielen?

Dann folgte der steile Aufstieg in den 1590er Jahren in London. Theater war damals so etwas wie ein Volksvergnügen für jedermann, aber Shakespeare spielte auch vor Königin Elizabeth I. bei Hofe. Seine Stücke waren Ränkespiele über Macht und Machtmissbrauch – aus gutem Grund verlegte Shakespeare sie stets in die Vergangenheit.

„Natürlich hat Shakespeare von Anderen gestohlen“

Auch ansonsten erlaubte sich der Engländer seinerzeit einige Freiheiten, die heutzutage jeden Dramatiker zu Fall bringen würden, Schummeleien, über die man nur den Kopf schütteln kann. „Er ließ Ägypter der Antike Billard spielen und führte die Uhr in Cäsars Rom ein, 1400 Jahre bevor dort das erste mechanische Ticken zu vernehmen war“, erklärt der Autor und Shakespeare-Experte Autor Bill Bryson.

In vielen Werken gebe es Zeilen, die schlichtweg unverständlich seien, Rechtschreibung sei Luxus gewesen, so Bryson, den Shakespeare nicht anstrebte. Dafür übernahm er ohne Hemmungen Stoff und Textpassagen von anderen Autoren. „Natürlich hat Shakespeare von Anderen gestohlen“, titelt der „Independent“ unlängst, „schließlich war er ein Genie.“

„Shakespeare spricht irgendetwas in uns an“

Und als Genie wirkt er bis ins Jetzt hinein. Der deutsche Schauspieler Norbert Kentrup, der am London Globe Theater Shakespeare-Stücke spielte, brachte die Faszination für den englischen Schriftsteller in einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur auf den Punkt: „Shakespeare spricht irgendetwas in uns an, alle die Themen, die wir als Menschen irgendwann erleben werden, an Liebe, an Treue, an Verrat, an Mord, an Totschlag, an Gemeinheiten.“

„Aus irgendeinem Grunde“, so der Schauspieler weiter, „hat er das in seinen etwa 38 Stücken beschrieben und dafür Dinge gesehen, wo man immer wieder verblüfft ist, wie das jemand vor 400 Jahren wissen konnte.“ Und wenn man diese Stücke dann zu verschiedenen Zeiten lese, als junger Mensch, als mittelalter und als alter Mensch, entdeckt man immer wieder Neues.

Doch der Jubilar hat auch immense kulturelle und sprachgeschichtliche Bedeutung. Der Mann aus dem kleinen Stratford, der nie eine Universität besuchte, schenkte der englischen Sprache reihenweise Worte, die bis heute überdauern und die auch in anderen Sprachen fortleben: Antipathie, kritisch, frugal, Mordanschlag. Über 300 solcher Ausdrücke soll er aus der Taufe gehoben haben.

Literat, Genie, Wort- und Kulturerschaffer, Mensch: Werk und Leben von Shakespeare spielen in den kommenden Tagen auch im Fernsehen eine Rolle: Zum 400. Todestag widmet der Fernsehsender Arte dem Dramatiker und Dichter vom 23. April an bis zum darauf folgenden Donnerstag einen umfangreichen Programm-Schwerpunkt. Dazu zählen Spielfilme und Dokumentationen genauso wie Theaterinszenierungen von „Romeo und Julia“ bis „Viel Lärm um nichts“. Und vielleicht ist dem ein oder anderem Zuschauer danach etwas mehr bekannt als das weltberühmte Rätselraten um den großen Schriftsteller. (mit Material von dpa)