Bei einem Unfall eines Kreuzfahrtschiffs mit 4200 Menschen an Bord vor der Toskana hat es mindestens drei Tote gegeben. Die „Costa Concordia“ war in der Nacht zu Samstag auf einen Felsens gestoßen und gekentert. Der Kapität wurde in Haft genommen.
Porto Santo Stefano.
Am Tag nach dem schweren Schiffsunglück vor Italien befürchtet die Küstenwache einen vollständigen Untergang der „Costa Concordia“. Das Kreuzfahrtschiff befinde sich derzeit an einer 30 Meter tiefen Stelle, könne aber in tieferes Gewässer abrutschen und vollständig sinken, sagte ein Sprecher in der Nacht zum Sonntag. Rettungskräfte bargen indes ein Paar aus Südkorea lebend aus dem Innern des Wracks.
Die Suche nach Überlebenden auf dem Schiff sei angesichts des möglichen Untergangs der fast 300 Meter langen „Costa Concordia“ eine „riskante Operation“, sagte der Sprecher der Küstenwache. Noch würden jedoch 50 bis 60 Menschen vermisst, weshalb die Rettungskräfte ihre Bemühungen fortsetzten. Die Behörden in der Stadt Grossetto auf dem italienischen Festland sprachen derweil nur noch von 41 vermissten Menschen.
Der Kapitän des Schiffs, Francesco Schettino, wurde nach einem mehrstündigen Verhör verhaftet und muss sich möglicherweise wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten. Ihm wird zudem vorgeworfen, das Schiff verlassen zu haben, bevor alle Passagiere gerettet wurden. Schettino selbst machte eine fehlerhafte Seekarte für das Unglück verantwortlich. Die Black Box des Luxusliners wurde inzwischen gefunden.
Retter befreien Hochzeitspaar aus Kabine
Ein Paar aus Südkorea konnte in der Nacht lebend aus einem der unteren Decks des Schiffs gerettet werden, wie die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtete. Die Feuerwehr versuche, jede Kabine des Luxusliners zu erreichen, und habe zunächst nur aus der Entfernung mit den beiden 29-Jährigen sprechen können. Später seien Helfer jedoch in die Kabine vorgedrungen und hätten das frisch verheiratete Paar geborgen, hieß es. Die beiden seien wohlauf.
Bislang bestätigt wurde, dass bei dem Unglück drei Menschen ums Leben gekommen sind. Es handele sich um zwei französische Touristen und ein peruanisches Crewmitglied, meldete die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Samstag unter Berufung auf örtliche Justizvertreter. Nach neuen Angaben des Präfekten von Grosseto, Giuseppe Linardi, war am Abend der Verbleib von 41 Menschen weiter unklar. 42 Menschen wurden demnach verletzt, zwei davon schwer. Costa-Concordia-Unglück
Zehn Deutsche unter den Verletzten
Unter den Opfern sind nach Angaben von Außenminister Guido Westerwelle auch mehrere Deutsche. „Wir haben bisher etwa von zehn deutschen Verletzten auszugehen, die in den Krankenhäusern auch betreut werden“, sagte Westerwelle am späten Samstagnachmittag vor Journalisten in Köln. „Ich kann, weil es immer noch Vermisste gibt, nicht ausschließen, dass es auch noch andere schlimmere Nachrichten geben kann.“
Die Botschaftsangehörigen seien seit den frühen Morgenstunden dabei, die deutschen Passagiere insgesamt zu betreuen, sagte Westerwelle. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes sei einberufen worden. „Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien.“
„Keine Erkenntnisse über tote Deutsche“
Das Auswärtige Amt habe nach Angaben einer Sprecherin keine Erkenntnisse über tote Deutsche. Mitarbeiter der deutschen Botschaft seien in der Stadt Porto Santo Stefano in den Krankenhäusern, um sich gegebenenfalls um Verletzte zu kümmern. Der deutsche Botschafter ist den Angaben zufolge am Römischen Flughafen Fiumincino, um dort Betroffenen konsularischen Beistand zu leisten. An Bord des Luxusliners „Costa Concordia“ waren auch fast 570 deutsche Passagiere.
Die „Costa Concordia“ mit 4200 Menschen an Bord war am Freitagabend zwischen der Insel Giglio und der südlichen Toskana auf Grund gelaufen und bekam Schlagseite. Die Betreibergesellschaft wies am Samstag Vorwürfe zurück, es habe bei der Rettungsaktion Probleme gegeben.
Medien: Kapitän in Haft genommen
Die Ursache des Unglücks war weiter unklar. Die Behörden nahmen Strafermittlungen auf wegen möglicher fahrlässiger Tötung. Der Kapitän des Kreuzfahrtschiffs ist einem Medienbericht zufolge in Haft genommen worden. Das habe die Staatsanwaltschaft von Grosseto nach einem mehrstündigen Verhör von Francesco Schettino entschieden, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa am Samstag.
Ihm werde zudem der Untergang der „Costa Concordia“ zu Lasten gelegt sowie vorgeworfen, das Schiff verlassen zu haben, bevor alle Passagiere gerettet worden seien, berichteten italienische Medien am Samstag. Diese Vorwürfe würden auch dem ersten Offizier Ciro Ambrosio gemacht.
Riesige Menge Wasser in „zwei, drei Minuten“ eingedrungen
Der Staatsanwalt von Grosseto, Francesco Verusio, erklärte vor Journalisten, der Kapitän Francesco Schettino habe sich mit dem Luxusliner „Costa Concordia“ „sehr ungeschickt“ der Insel Giglio genähert und einen Felsen gerammt, der sich in die linke Seite des Schiffs gebohrt habe. Dadurch sei das Schiff auf die Seite gekippt, innerhalb von „zwei, drei Minuten“ sei eine riesige Menge Wasser durch den 70 bis 100 Meter langen Riss eingedrungen.
Schettino hatte zuvor in einem italienischen Fernsehsender gesagt, die „Costa Concordia“ habe einen Felsvorsprung gerammt. Laut seinen Seekarten hätte aber genug Wasser zwischen dem Luxusliner und dem Felsen sein müssen. Der Chef der Reederei Costa Crociere, Gianni Onorato, schloss aus, dass das Schiff vom Kurs abgekommen sein könnte. Das 290 Meter lange Schiff war in ruhiger See aufgelaufen an einer Stelle, an der das Meer unweit vom Strand der Insel Giglio 15 bis 20 Meter tief ist. Wenig später kippte es zur Seite, ein langer Riss war zu erkennen.
Taucher suchen in Rumpf nach Vermissten
Taucher der italienischen Küstenwache suchten am Samstag im Rumpf des havarierten Kreuzfahrtschiffes „Costa Concordia“ nach den 70 Personen, die immer noch vermisst sind. Die Retter hätten das Wasser rund um das Schiff mehrere Stunden lang abgesucht und keine weiteren Leichen entdeckt, sagte Cosimo Nicastro von der Küstenwache dem Sender Sky TG24 TV. Deshalb habe man sich entschlossen, in einer riskanten Operation den unter Wasser liegenden Teil der „Costa Concordia“ zu untersuchen.
Passagiere wurden mit Schlauchbooten von Bord gebracht
Die „Costa Concordia“ habe „ein Hindernis getroffen, das ein 50 Meter langes Loch in den Rumpf gerissen hat“, sagte Francesco Paolillo von der Küstenwache. Wasser sei eingedrungen, das Schiff habe sich daraufhin zur rechten Seite geneigt. Am Morgen hatte es mehr als 45 Grad Schlagseite. Paolillo sagte, der erste Alarm sei am Freitag gegen 22.30 Uhr eingegangen, etwa drei Stunden nach dem Ablegen des Schiffs von Civitavecchia.
Kreuzfahrten erfreuen sich besonders bei deutschen Urlaubern immer größerer Beliebtheit – ein boomendes Geschäft für die Touristikindustrie. Der Urlaub auf dem Schiff ist nach Angaben des Deutschen Reiseverbands (DRV) das am schnellsten wachsende Segment der Branche. In der Bundesrepublik sehen die Anbieter noch besonders große Wachstumschancen, wie ein DRV-Sprecher am Samstag sagte.
Im Jahr 2010 verzeichneten die deutschen Anbieter allein bei Hochseekreuzfahrten ein Plus von 19 Prozent auf 1,2 Millionen Passagiere. Der Umsatz der deutschen Branche mit dem Urlaub auf hoher See wuchs 2010 um sieben Prozent auf mehr als zwei Milliarden Euro.
Zu den weltweit größten Kreuzfahrtanbietern zählt der US-Konzern Carnival , dessen italienisches Tochterunternehmen Costa Cruises das nun verunglückte Schiff „Costa Concordia“ unterhält. Zu Carnival gehört auch der deutsche Marktführer Aida. Weitere große Anbieter in Deutschland sind Hapag Lloyd und TUI Cruises, ein Gemeinschaftsunternehmen des Reisekonzerns TUI und des in den USA ansässigen Branchenriesen Royal Caribbean. (rtr)
Ein Großteil der rund 4.200 Passagiere und Besatzungsmitglieder an Bord wurde mit Schlauchbooten vom Schiff gebracht, nachdem die „Costa Concordia“ vor der Insel Giglio in der Region Toskana auf eine Sandbank aufgelaufen war. Als das Kreuzfahrtschiff immer mehr Schlagseite bekommen habe, hätten Hubschrauber die noch etwa 50 an Bord verbliebenen Menschen geborgen, sagte Paolillo. Sie hatten sich nicht mehr in Sicherheit bringen können, weil das Schiff so stark Schlagseite bekommen hatte, dass keine Rettungsboote mehr zu Wasser gelassen werden konnten.
Passagiere werden in Schulen, Hotels und Kirchen untergebracht
Die bereits evakuierten Passagiere würden auf der Insel in Schulen, Hotels und Kirchen untergebracht, zitierte ANSA Journalisten, die zum Zeitpunkt des Unglücks an Bord der „Costa Concordia“ waren. Der Bürgermeister von Giglio appellierte an die 1.500 Einwohner der Insel, die Schiffbrüchigen vorübergehend zu beherbergen. „Jeder mit einem Dach“ möge sein Heim öffnen, sagte er. Nach Tagesanbruch wurde eine gründliche Suche im Schiffsinneren nach möglichen Eingeschlossenen aufgenommen. Angesichts von rund 2.000 Kabinen und der Schlagseite des Schiffs sei die Aktion schwierig, sagte Paolillo.
Laut Augenzeugen kam es bei der Rettungsaktion zu Verzögerungen. Ein Crew-Mitarbeiter sagte der BBC, es habe Stunden gedauert, die Menschen vom Schiff zu bekommen. Ein geretteter Franzose kritisierte, das Personal habe Probleme gehabt, die Rettungsbote zu Wasser zu lassen und schließlich die Halterungsseile mit einer Axt durchtrennt. „Wir waren zu nah am Ufer“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Die deutsche Niederlassung von Costa Crociere erklärte dagegen, sie habe keine Informationen über Komplikationen bei der Rettungsaktion. „Nach unserem Kenntnisstand ist die Aktion sehr koordiniert abgelaufen“, sagte Sprecher Werner Claasen.
Die Passagierin Melissa Goduti aus dem US-Staat Connecticut kritisiert die Rettungsaktion. Die Besatzung habe kaum Anweisungen gegeben, wie das Schiff zu evakuieren sei, und die entsprechende Übung sei ohnehin erst für den Samstag geplant gewesen. „Es war so unorganisiert“, sagt die 28-jährige Goduti. „Unsere Evakuierungsübung war für 17.00 Uhr angesetzt. Wir haben Witze darüber gemacht, was wäre, wenn heute (Freitag, der 13.) etwas passieren würde.“
Unfall ereignete sich während des Abendessens
Die Französin Ophélie Gondelle sagt, niemand habe die Geretteten gezählt, „weder in den Rettungsbooten noch an Land“. Sie sei am 8. Januar in Frankreich an Bord gegangen, und seitdem habe es keine Evakuierungsübung gegeben, erklärt die 28-jährige Offizierin aus Marseille.
Der Unfall ereignete sich nach Angaben der Reporter am Freitag während des Abendessens. „Wir saßen zu Tisch, als die Lichter ausgingen. Plötzlich hörten wir ein lautes Geräusch, also ob der Kiel über etwas hinwegschleift,“ zitierte der staatliche Rundfunk den Journalisten Luciano Castro. Das Licht sei ausgegangen, „und es gab Panikszenen, Gläser fielen zu Boden“. „Es war wie eine Szene von der Titanic“, sagte die Journalistin Maria Parmegiani.
Rufnummer für Informationen eingerichtet
Die 290 Meter lange „Costa Concordia“ befand sich nach Angaben der Reederei Costa Cruises auf einer achttägigen Kreuzfahrt vom italienischen Civitavecchia über Savona, Marseille, Barcelona, Palma de Mallorca, nach Cagliari und Palermo. Für Informationen hat das Kreuzfahrtunternehmen Costa eine Hotline mit der Rufnummer 040/570121314 eingerichtet. (dapd/afp)