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„Religion war bei uns unwichtig“

„Religion war bei uns unwichtig“

Hamburg. 

Mit seiner umgedrehten Mütze und dem Satz „Was guckst du?!“, zugleich Titel seiner ersten TV-Show bei Sat.1, ist Kaya Yanar (43) um die Jahrtausendwende hierzulande populär geworden. Die Comedysendung wurde 2005 nach 120 Folgen eingestellt, Yanar aber blieb im Fernsehen präsent und tourte. Eine seiner zwölf Schiebermützen ziert Kaya Yanar auch beim Gespräch in der Lobby eines Hamburger Nobelhotels auf St. Pauli auf, wo Stefan Recknagel ihn traf. Momentan ist der Comedian mit seinem Bühnenprogramm „Planet Deutschland“ auf Tour.

Überrascht es Sie, dass „Was guckst du!?“ in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen ist?

Kaya Yanar: Ja, vor allem die Dauer. 15 Jahre gibt es das schon, und es hält sich immer noch.

Sie leben seit einigen Jahren in der Schweiz. Haben es Schweizer leichter, über „Planet Deutschland“ zu lachen ?

Für die Schweizer habe ich ein Programm nur über die Schweizer geschrieben. Ich möchte demnächst auch ein Programm nur über Österreich spielen. Die österreichischen Veranstalter waren bisher nicht so begeistert … (lacht).

Der Fall um das Schmähgedicht von ZDF-Moderator Jan Böhmermann und die Anzeige des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan haben in Deutschland eine Debatte um die Grenzen von Satire entfacht. Wie sehen Sie das als deutschtürkischer Comedian?

Ich bin froh, dass ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin und hier alle Rechte einer westlichen Demokratie genieße. Erdoğan hat anscheinend ein anderes Verständnis von Demokratie. Was er macht, ist für mich, der im Westen aufgewachsen ist, unverständlich. Seine Denke ist nicht nachvollziehbar.

Thematisieren Sie Präsident Erdoğans Verhalten auf der Bühne?

Politik reizt mich nicht wirklich. Aber mich interessiert, was in der Welt abgeht. Schließlich habe ich oft Wochenshows gehabt, in denen wir solche Themen verarbeitet haben. Aber für die Stand-up-Comedy interessiert mich der Mensch, der vor mir sitzt – zum Beispiel auch das Verhältnis zwischen dem türkischen Gemüsehändler und dem deutschen Käufer.

Politik kann doch durchaus in den Alltag des Einzelnen hineinwirken – abseits des Streits um TV-Satire?

Ich versuche gerade meine Freundin wieder ein bisschen in Richtung Deutschland zu schieben. Sie ist ja Schweizerin, ihr zuliebe bin ich in die Schweiz gezogen. Ich bin von der Idee her ein EU-Fan. Die Umsetzung ist schwierig – auch bei uns im Privaten. Sie als Schweizerin – nicht in der EU – will mit der gar nichts zu tun haben, da wird es politisch. Auf eine simple Ebene heruntergebrochen: Die Euroscheine sind für mich potthässlich, als Motive nur Türen und Fenster. Wer hat die gesponsert? Hornbach? Ich versteh nicht, warum wir darauf nicht den Kölner Dom haben oder den Eiffelturm. Das sind Sachen, die ich in mein Programm einbeziehe.

Haben sich Ihre Themen verlagert hin zu den deutschen Eigenheiten, weg von den Beziehungen zwischen Türken und Deutschen?

Ja. Von 1999 bis etwa 2008 war das mein Weidegebiet. Damals hab ich auch viel aus der Vergangenheit geschöpft. Aber irgendwann ist das für einen Künstler auserzählt, nicht für den Menschen. Ich habe gemerkt: Du hast deinen Integrationsprozess erzählt, du hast etwas über Religionen erzählt, wie komisch es bei uns war, dass Religion nie eine Rolle spielte. Dass deine Mutter Muslima ist, dein Bruder Katholik, ich Protestant und mein Vater Atheist…

Ist es bei Ihnen wirklich so?

Ja. Religion war bei uns unwichtig. Das ist ja immer ein Diskussionsgrund beim Thema Integration: Hilft Religion, hindert Religion? Das ist schwierig zu sagen.

Wenn es in Ihrer Familie kein Thema war, hat das also eher zur Entspannung beigetragen?

Exakt. Wir hatten so viele verschiedene Konfessionen in der Familie, dass ich gelernt habe, Menschen nie über Religion zu definieren. Sonst hätte ich ja die ganze Zeit diskutieren müssen.