Veröffentlicht inPromi-TV

Lady Bitch Ray: „Wir würden uns wahrscheinlich gegenseitig auffressen“

Zum Weltfrauentag startet in der ARD-Mediathek die Serie „Sexuell verfügbar“. Dabei ist auch Rapperin und Wissenschaftlerin Lady Bitch Ray.

Lady Bitch Ray
Lady Bitch Ray ist in der neuen ARD-Serie „Sexuell verfügbar“ zu sehen. Foto: IMAGO/Funke Foto Services

Sie ist Autorin, Rapperin, Linguistin, Moderatorin, Politikerin und Schauspielerin – Reyhan Şahins, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Lady Bitch Ray. Es gibt wohl kaum eine Person in der deutschen Unterhaltungsszene, die so vielseitig ist wie die gebürtige Bremerin.

Ab dem achten März ist Şahin in der ARD-Serie „Sexuell verfügbar“ von Bestseller-Autorin Caroline Rosales zu sehen. Im Interview spricht die Rapperin über Politik, den Umgang mit Rechts und die enorme Macht von Taylor Swift.

Sie haben einen Gastauftritt in der neuen ARD-Serie „Sexuell verfügbar“. Sie spielen sich selbst und erscheinen der Hauptfigur Miki. Wen würden Sie im echten Leben gerne mal „heimsuchen“?

 Ich würde in der Regierungskoalition gerne ein paar Sachen verändern (lacht).

Was würden Sie denn verändern?

Ich würde erst einmal die extrem rechte AfD aus dem Bundestag verscheuchen. Ich würde aber auch die Migrationspolitik verändern. Sätze von Olaf Scholz, wie beispielsweise ‚Wir müssen systematischer abschieben‘ gäbe es bei mir nicht. Ich würde die Klimapolitik verändern. Deutschland muss gerechter, besser, antirassistischer und angenehmer werden. Aber das ist ja eine Utopie.

Und doch finde ich, durch die Enthüllungen von Correctiv, die daraus resultierenden Demonstrationen, öffentliche Äußerungen auch von Helene Fischer, dass die Gesellschaft versucht, diesen Weg einzuschlagen.

Auf jeden Fall. Das ist eine positive Entwicklung. Man muss aber auch dazu sagen, dass migrantisierte Menschen, die von Rassismus und Rechtsextremismus betroffen sind, oder wie in meinem Fall, dazu forschen, schon sehr früh davor gewarnt haben. Die NSU-Morde, Hanau, Halle … Auf uns hat man nur nie gehört.

Vielleicht erinnern Sie sich, ich habe 2022 bei der Bundesversammlung eine ‚No AfD‘-Tasche getragen. Und ich muss sagen, die Aktion ist genauso aufgegangen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Die AfD hat sich tierisch darüber aufgeregt und ich bin mit diesem Bild viral gegangen. Aber das war ja schon eine Aktion, die darauf hingewiesen hat. Dass jetzt erst der große Protest folgt, ist ein bisschen schade, aber okay, besser als gar nicht. Jetzt ist es da. Jetzt gehen Menschen aus der Mitte auf die Straße, prominente Menschen mit Reichweite, das finde ich super. Wir dürfen aber nicht außer Acht lassen, dass es eine erstarkte Rechte gibt, die sehr gut organisiert, sehr gut vernetzt ist und vor der wir auch Angst haben müssen, weil sie mittlerweile im Bundestag sitzt.

Generell gibt es in Europa einen Rechtsruck.

In Europa sowieso, aber auch auf der ganzen Welt erstarkt die Extrem-Rechte.

Wie erklären Sie sich das?

Als Grund wird immer Flucht und Migration angegeben. Da, wo Menschen aus dem Ausland in die reichen europäischen Industriestaaten kommen, tauchen Verteilungskämpfe auf. Durch Coronakrise und Inflation ist die Schere zwischen Arm und Reich aber noch weiter auseinandergeklafft. Und so wird den Menschen ein Bedrohungsszenario vorgetäuscht, dass Flüchtlinge ihnen etwas wegnehmen.

Je ärmer Menschen werden – oder auch Bezug nehmend auf Corona – je kranker, desto mehr neigen sie zur Radikalisierung.

Lady Bitch Ray an der Seite von Hauptfigur Miki (gespielt von Laura Tonke). Foto: ARD Degeto/Majestic Film/Dor Film/Viafilm/Scarlett Werth

Das war besonders zu Beginn der Coronakrise zu bemerken, als man sehen konnte, wie sich die Gesellschaft in zwei Lager teilte. Auch bei Prominenten. Michael Wendler und Nena zum Beispiel.

Genau, ich hatte ja gerade noch das Beispiel von den „Normalsterblichen“. Aber Nena oder Michael Wendler sind ja auch Menschen. Das sind Künstler:innen. Die haben halt keine Ahnung von Politik oder Wissenschaft. Aber daran sieht man: Es kann jede Schicht treffen. Das kann einem auch Angst machen. Ich habe mir vorgestellt, was wäre, wenn jetzt auch noch Krieg bei uns wäre und man müsste Seite an Seite mit solchen Menschen kämpfen.

Wir würden uns wahrscheinlich gegenseitig auffressen. Aber das ist auch unsere Aufgabe: Eben nicht mit einer arroganten Haltung durch die Welt zu gehen, sondern die Menschen mitzunehmen. Das ist mir bei meinen Lesungen auch wichtig, dass man nicht von oben belehrt, sondern ihnen die Chance gibt, zu verstehen.

Wie wichtig sind gerade in solchen Zeiten Role-Models wie Helene Fischer oder auch Taylor Swift, denen viele Leute mehr Glauben schenken als beispielsweise Wissenschaftlern?

Das ist die Macht des Ruhms. Das ist ja eigentlich verrückt: Wenn man einen Menschen mag, eine Schauspielerin oder Sängerin beispielsweise, glaubt man diesem Menschen eher als einem, der seit dreißig Jahren zu einer Thematik forscht.

Zum Beispiel Taylor Swift. Gut, das ist überhaupt nicht meine Musik, aber ich finde es super, dass sie die Macht hat, die Amerikaner:innen bei der Wahl zu beeinflussen. Wenn sie es zum Positiven nutzt, ist das toll. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es Menschen mit sehr viel Reichweite gibt, die ihre Macht negativ einsetzen.

Wie kann auch eine Serie wie „Sexuell verfügbar“ – jetzt eher im Bereich Feminismus als Rassismus – Menschen stärken?

Ich glaube, dass Carolin Rosales schon einige wichtige feministische Themen eingebracht hat. Unabhängigkeit der Frau, Familie, Selbstbestimmung oder auch Vergewaltigung. Meine Figur funktioniert ja auch ein wenig wie ein Korrektiv für die Hauptfigur Miki. Sie ist oft unsicher, ein Problem, das bei vielen Frauen und Mädchen der Fall ist, weil sie so sozialisiert wurden. Und dann kann eine Lady Bitch Ray auch empowernd und vorbildlich sein. Wie eine beste Freundin. Sie wissen, wie Filme sind – gute Szenen können legendär werden, die bleiben im Kopf. Und ich glaube, dass es solche Szenen in ‚Sexuell verfügbar‘ gibt, aus denen die Menschen etwas lernen, aus denen sie etwas mitnehmen können.

In ihren Auftritten wirkt es so, als hätte man Ihnen den Text auf den Leib geschrieben. War das so, oder haben Sie da Ihre Finger im Spiel gehabt?

Ich habe das Drehbuch natürlich vorab bekommen und gelesen. Ich kannte Caroline Rosales vorher auch von einem gemeinsamen Auftritt. Und so habe ich gefragt, ob ich die Dialoge in meine Sprache verändern darf. Dem hat Caro zugestimmt. Ich habe sogar das ganze Drehbuch auf antirassistische und sexistische Sprache überprüfen dürfen. Natürlich für Geld (lacht).

Haben Sie etwas gefunden?

Joa, da waren so ein paar Ecken und Kanten. Ich meine, da war jetzt nicht viel, Caro ist ja auch eine Feministin. Aber klar, Dr. Bitch Ray findet immer was!



„Sexuell verfügbar“ startet am 8. März 2024 in der ARD-Mediathek. Im TV gibt es die Folgen am 16. März 2024.

Markiert: