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Ingo Nommsen spricht über „Volle Kanne“-Ausstieg: „Wahrscheinlich hat es Corona noch begünstigt“

Ingo Nommsen spricht über „Volle Kanne“-Ausstieg: „Wahrscheinlich hat es Corona noch begünstigt“

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Ingo Nommsen hat sein Buch „Hilfe, ich bin zu nett“ veröffentlicht. Foto: IMAGO / Future Image

Er war eines DER Gesichter des ZDF. Zwanzig Jahre lang moderierte Ingo Nommsen die Vormittagsshow „Volle Kanne“. Ende vergangenen Jahres stieg der 50-Jährige aus.

Am Dienstag (21. September) erschien Ingo Nommsens neues Buch „Hilfe, ich bin zu nett“. Im Gespräch mit dieser Redaktion spricht der Mann, zu dem Moderatoren-Legende Frank Elstner einst sagte, dass er „zu nett“ sei, über sein Leben nach „Volle Kanne“ und wie er es schaffte, auch mal ‚Nein‘ zu sagen.

Lieber Ingo, was würde Frank Elstner zu dir sagen, wenn er dich heute treffen würde?

Mensch, Sie sind ja immer noch ein verdammt netter Mensch.

Also hast du dich nicht verändert?

Meine innere Einstellung hat sich verändert. Und wenn man sein Denken verändert, ändert man sich natürlich auch, was das Verhalten angeht. Vor allem ich bin heute netter zu mir selbst, als ich das in den vergangenen Jahrzehnten war.

Schließen sich ‚netter zu sich selbst‘ und ‚nett zu den anderen‘ aus?

Nein, für mich ist eines der wichtigsten Dinge überhaupt, dass ich mit mir mehr im Reinen bin und Konflikten nicht mehr so aus dem Weg gehe wie früher. Ich komme aus einem Elternhaus, in dem es keinen Streit gab. Das hat dazu geführt, dass ich im Umgang mit Konflikten nicht sehr erprobt war. Heute ist für mich ein Konflikt kein gordischer Knoten mehr, sondern etwas ganz Normales, ich bin viel Klarer in der Außenwirkung und viel klarer in dem, was ich von mir, dem Leben und anderen Menschen will.

Hast du mit deinen Eltern darüber gesprochen?

Mein Vater lebt nicht mehr, aber meine Mutter hat das Buch gelesen. Sie kommt auch aus einer Familie, in der es wenig Streit gab, und ihr war das gar nicht so bewusst. Mir war aber wichtig, dass sie das Buch liest und sagt, dass es für sie in Ordnung ist. Ich merke aber, wenn ich mit ihr spreche, dass sie auch in ihrem Leben mit den Jahren etwas verändert hat und sie Konflikten heute anders begegnet. Da ist eine gewisse Lebenserfahrung durchaus hilfreich.

Du hast als der ‚nette Ingo‘ eine große TV-Karriere hingelegt. Wann kam der Punkt, an dem du gesagt hast: Ich muss was ändern?

Der Moment, in dem ich angefangen habe, intensiver auf mein eigenes Leben zu gucken, war der Tod meines Vaters. Wenn ein Elternteil stirbt, merkt man plötzlich, dass es höchste Zeit wird, erwachsen zu werden. Da hat es bei mir im Kopf zu rattern begonnen. Ich habe gesehen, wo ich in meinem Leben im Moment stehe und dass das Leben endlich ist. Mein Vater hat gegen viele Widerstände seinen Traum vom Leben wahr gemacht. Und dann zu sehen, an welchem Punkt ich gerade bin und wie viele Träume auf meinem Lebensweg verloren gingen oder hintenanstanden, weil das Berufliche im Mittelpunkt stand, hat mich dazu bewogen, etwas zu verändern.

Und dann?

Ich wusste am Anfang nicht, was ich verändern sollte. Aber allein die Tatsache, dass ich mich mit meinem Leben mehr beschäftigt habe, hat dazu geführt, dass sich Dinge verändert haben.

Du hast nach zwanzig Jahren bei ‚Volle Kanne‘ aufgehört. Wie wichtig war dieser Schritt auf deinem Weg?

Das war letzten Endes nur eine konsequente Entwicklung. Wenn man etwas so lange macht, auch wenn man etwas so erfolgreich macht, kommen immer wieder Punkte, an denen man sagt: Jetzt könntest du dich mal intensiver mit anderen Dingen beschäftigen. Allerdings hat mir die Sendung so viel Spaß gemacht, dass ich das immer wieder auf die Seite geschoben habe.

Nachdem mein Vater gestorben war, habe ich jedoch zum ersten Mal nach langer Zeit wieder länger Urlaub gemacht. Das hatte ich vorher nie gemacht. Seit ich Abi gemacht habe, habe ich immer durchgearbeitet. Ich bin vier Wochen nach New York gegangen und habe geschaut, was das Leben noch bereithält. In New York stand ich plötzlich auf einer Comedybühne. Ich habe gemerkt, wenn man sich auf den Sprung ins Ungewisse einlässt, passieren Dinge, die viel toller sind, als man es sich je hätte vorstellen können.

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Das ist Ingo Nommsen:

  • Ingo Nikolaus Reinhard Werner Nommsen wurde am 7. Februar 1971 in Nürnberg geboren
  • Er arbeitet als Journalist, Moderator und Autor
  • Zwanzig Jahre lang moderierte Ingo Nommsen die ZDF-Show „Volle Kanne“

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Wie hast du dein letztes Jahr ‚Volle Kanne‘ wahrgenommen?

Das letzte Jahr ‚Volle Kanne‘ war ja allein durch Corona ein besonderes. Das hat einen ganz anderen Teamspirit hervorgebracht. Die Sendungen waren intensiver. ‚Volle Kanne‘ ist noch einmal erfolgreicher geworden als im Jahr davor. Auf der anderen Seite kam mir immer wieder der Gedanke: Boah, zwanzig Jahre… Aber nach einem solchen Jubiläum zu gehen, das fühlt sich bis heute total rund an.

Wie hast du den Abschied verkraftet?

Es hätte sein können, dass ich danach in ein großes Loch falle, aber das ist glücklicherweise nicht passiert. Ich gehe jetzt auf die Bühne, spiele live, ich mache mehr Musik, produziere meinen Podcast. Und ich konnte mein Buch jetzt trotz der vielen Arbeit in aller Ruhe schreiben. Ich genieße diese neuen Freiräume. Auch wenn derzeit jeder Tag wieder mehr als 24 Stunden haben könnte (lacht).

Hättest du auch bei ‚Volle Kanne‘ aufgehört, wenn du damals gewusst hättest, wie lange uns Corona noch beschäftigt?

Darüber habe ich mir in der Tat auch schon ein paar Gedanken gemacht. Ich komme aber immer wieder zu dem Schluss, dass es die richtige Entscheidung war. Wahrscheinlich hat es Corona noch begünstigt, weil ich dadurch auch noch mal anders gearbeitet habe. Ich habe mir glücklicherweise vor Corona schon ein eigenes Büro unweit meiner Wohnung besorgt und deswegen hatte ich ‚Volle Kanne‘ während Corona bereits im Büro vorbereitet und war nur noch zur Sendung im Studio. Da war der Sprung gar nicht mehr so weit. Ich würde – Stand heute – die Entscheidung genauso wieder treffen.

In deinem Buch schreibst du, dass du dich verändert hast. Wie hast du es geschafft, dass du dich nicht selbst verlierst?

Ich war ja auf dem Weg, mich selbst zu verlieren. Ich habe mich eher selbst wiedergefunden, indem ich auf mein Leben, auf meine Kindheit zurückgeguckt habe. Ich habe gemerkt, wie diese Harmoniesucht viele Konflikte erst befeuert hat. Diese Glaubenssätze – ‚Sei schön brav, wir wollen doch keinen Streit‘ – haben dazu geführt, dass ich bei den kleinsten atmosphärischen Störungen schon Probleme anfliegen sah. Das hat dazu geführt, dass ich zwar immer schön freundlich und nett zu anderen war, mein eigenes Leben aber auf der Strecke blieb. Das hat manchmal den Burnout leicht touchiert.

Zum Glück habe ich in der Beschäftigung mit mir selbst gesehen, wo es gehakt hat und mich positiv verändert.

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Inwiefern?

Ich bin selbstbewusster geworden, was das Lösen von Problemen angeht, die ich lange gar nicht als solche identifizieren und benennen konnte. Das hat mein Leben viel reicher gemacht. Gedanken, die mich sonst Stunden beschäftigt haben, sind heute unnötig, weil ich damit ganz anders umgehen kann. Ich weiß jetzt, was ich privat will, welche beruflichen Perspektiven für mich Sinn machen. Ich bin in vielen Bereichen auch mutiger geworden. Ich singe jetzt beispielsweise auf der Bühne. Das habe ich mich jahrelang nicht getraut. Viele Konfliktfelder von früher sind für mich heute kein Problem mehr.