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Panzerfahren lockt Zehntausende nach Beerfelde

Panzerfahren lockt Zehntausende nach Beerfelde

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Foto: AFP

Beerfelde. Mit rasselnden Ketten pflügt sich der sowjetische Panzer durch den brandenburgischen Acker. Qualm steigt auf, als das 34 Tonnen schwere Gerät beschleunigt. Doch am Steuer sitzt kein russischer Panzerführer. Der olivgrün lackierte Bergepanzer vom Typ T-55 wird von Touristen gelenkt.

«Willkommen auf Deutschlands größtem Männerspielplatz», wirbt der ehemalige DDR-Stabsfeldwebel Axel Heyse im Internet für seine «Panzerfahrschule» zwischen Berlin und der polnischen Grenze.

Auf dem 8,5 Hektar großen Gelände in Beerfelde sind bis zu 13 Maschinen im Einsatz. Die Frauen und vor allem Männer, die sich für 136 Euro je halbe Stunde an die Lenkhebel ausgemusterter Schützen- und Bergungspanzer setzen, kommen aus ganz Deutschland, aber auch aus den USA oder Neuseeland. «Das hat überhaupt nichts mit Ostalgie zu tun», sagt der frühere Soldat. Mit echtem Gerät aus der Nationalen Volksarmee kann Heyse ohnehin nicht dienen, da alle DDR-Panzer nach der Wende zerstört werden mussten.

„In der Gemeinde sind wir ein richtiger Wirtschaftsfaktor geworden», sagt Heyse. Zusammen mit seinem Bruder beschäftigt der 47-Jährige mittlerweile zwölf Mitarbeiter, die an sechs Tagen in der Woche erlebnishungrige Touristen auf die Kettenfahrzeuge verteilen. «Für die Panzer gibt es eine echte Faszination», schwärmt Heyse, der nach der Wiedervereinigung bei der bundesdeutschen Polizei arbeitete, dann aber sein Faible für altes Kriegsgerät entdeckte. «Die Leute sehen das als eine geheimnisvolle Welt. Und sie sehen das auch als etwas Gefährliches.»

Für Freizeitgebrauch entschärft

Dabei sind die Panzer, die Heyse nach einer kurzen «Sicherheitsbelehrung über den Umgang mit Kettenfahrzeugen» in Beerfelde vermietet, für den Freizeitgebrauch entschärft worden. Die Geräte aus der tschechoslowakischen und polnischen Produktion der 50er und 60er Jahre wurden demilitarisiert, sonst hätten sie als Kriegswaffen gar nicht nach Deutschland gebracht werden dürfen.

Dem Vergnügen der Panzeramateure scheint das keinen Abbruch zu tun. Bevor er am Steuer Platz nimmt, zieht sich der Hobbyfahrer eine schwarze Baumwollkapuze und einen gepolsterten Helm über, der ihn ein wenig wie einen Raumfahrer aussehen lässt. Von oben steigt er auf den Fahrersitz und hört auf die Anweisungen des Fahrlehrers. «Zieh, zieh, nicht loslassen! Achtung, gleich wird es ordentlich rumpeln!» Die Rufe gehen im Lärm der Dieselmaschine unter und sind nur über Funk zu hören, obwohl der Fahrlehrer gleich neben dem Fahrersitz gegen die Motorengeräusche anschreit.

Die Steuerung funktioniert über anfangs recht störrische Lenkhebel, die links oder rechts gezogen werden. Wer die 600 PS eines T-55 geradeaus steuern will, muss sein ganzes Körpergewicht einsetzen. Für einen Aufpreis lässt sich auch ein Schrottauto dazubuchen, das der Panzer filmreif überrollt.

„Das war einfach genial», sagt Werner Röder, dessen Frau ihn zum 60. Geburtstag mit einer Panzerfahrt überrascht hat. «Bei verrückten Sachen bin ich immer dabei.» Nur zwei Kritikpunkte hat der Westberliner: «Es war sehr kurz, und ich wäre gern noch schneller gefahren.»

An manchen Samstagen drängen sich 70 oder 80 Besucher auf dem Acker der Heyse-Brüder, im Jahr kommen rund 10.000 Besucher nach Beerfelde. Ute Frischmuth, die am Empfang arbeitet, beobachtet «ein sehr gemischtes Publikum: Junge, Alte, Männer, Frauen». Auch hat sie beobachtet, dass manche Gäste noch ein klein wenig mehr erwartet hätten: Sie suchen nach den Waffen der Panzer. «Sie sind enttäuscht zu erfahren, dass sie nicht schießen können.» (AFP)