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Nostalgie-Polizeiruf aus München ist nicht von gestern

Nostalgie-Polizeiruf aus München ist nicht von gestern

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Foto: imago/Future Image
Christian Petzold ist der Arthaus-Liebling. Und jetzt macht er auch noch Fernsehen. Grandios. Das liegt auch an Matthias Brandt und Barbara Auer.

Essen. 

„Immer kreist derselbe Zug um dieselbe Welt, nichts ändert sich“, klagt der Möbeldesigner und Modelleisenbahn-Fan Peter Brauer (Justus von Dohnányi). „Ich aber suche etwas Neues, Anderes. Neue Situationen, Geschichten.“

Fast hört sich das so an, als wolle der Regisseur und Drehbuchautor Christian Petzold mit solchen Sätzen die verfahrene Situation des deutschen Fernsehkrimis analysieren. Und als habe sich der erfolgreiche Autorenfilmer und Arthaus-Liebling („Wolfsburg“, „Yella“) nur deshalb auf dieses Genre eingelassen, um ausgelaugten Standards mit neuen Ansätzen zu begegnen. Mit seinem bayerischen „Polizeiruf 110 – Kreise“ um den einsamen Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) ist dem Berliner das tatsächlich hervorragend gelungen.

Das Opfer ist verhasst

Natürlich gibt es zu Beginn einen Mord, die Leiche und ihr ebenfalls getöteter Hund wurden im Wald nur notdürftig verscharrt. Das Opfer ist die Besitzerin einer Möbelmanufaktur, verhasst vor allem bei ihren 72 Angestellten, denn sie war gerade dabei, ihre Firma an einen ausländischen Interessenten zu verkaufen. Ihren Ehemann hat sie längst vor die Tür gesetzt, weil der sie mit seinen ewigen neuen Ideen nervte, wo es doch eigentlich nur um simples Wirtshaus-Mobiliar ging. Tatsächlich arbeitet sich dieser Noch-Gatte dann sehr schnell zum Hauptverdächtigen hoch, weil eine Zeugin vom Zug aus beobachtet haben will, wie Peter Brauer seine Frau auf der Lichtung gewürgt und getötet habe.

Ein eindeutiger Fall? In Kleinstädten und Vororten wimmele es nur so von falschen Zeugen, warnt Kommissar von Meuffels seine neue Kollegin Constanze Hermann (Barbara Auer). Die hat nicht nur eine problematische Ehe, sondern auch einen Alkoholentzug hinter sich, hat sich von Hamburg weit nach Süden versetzen lassen und weckt nun bei dem immer wieder enttäuschten Romantiker von Meuffels deutliche Gefühle. Immer wieder zeigt Petzold die beiden im Auto, wie er sich verfährt, wie er sie nachts mit Hoffnung im Herzen zu ihrem Hotel fährt, wo sie plötzlich wie in Trance eine denkbare Täter-Theorie aufstellt und wo sich am Ende auch ihre Beziehung entscheidet.

Polizeiruf gibt nicht viel auf Krimi-Konventionen

Die eigentlichen Höhepunkte des Films aber sind von Meuffels Verhöre mit dem verdächtigen Ehemann, den Justus von Dohnányi wunderbar zurückhaltend als sanften, kunstsinnigen Menschen zeichnet. Eigentlich ist es mehr ein Plausch zwischen den beiden, bei dem Brauer einmal minutenlang von einem Film mit Gérard Depardieu aus den Siebzigern erzählt, der ihn dazu inspiriert habe, Möbeldesigner zu werden. Überhaupt beherrscht die Vergangenheit und ihr kultureller Einfluss die Gespräche ganz deutlich – ob es nun um das Verschwinden der Musikboxen geht, um den 10cc.-Song „I’m Not in Love“ als Leitmotiv oder um Modelleisenbahnen. Und natürlich trägt die Ermittlerin den Namen Constanze nur deshalb, weil ihre Mutter die Modezeitschriften jener Tage liebte.

Petzold zeigt, wie ein Krimi Spaß machen kann und wie er trotzdem seine Spannung nicht verlieren muss, weil es in den funkelnden Dialogen immer auch Entdeckungen zu machen gibt. Und nur bei diesem Filmemacher wird man einen Nachtwächter im Polizeipräsidium erleben, der als Classic-Fan spätabends das Gebäude mit Musik durchflutet und so zum Konzertsaal macht.

Fazit: Ein „Polizeiruf“ mit Matthias Brandt als einsamer Ermittler-Wolf ist immer eine sichere Bank. Bei Regisseur Christian Petzold steht er nun im Mittelpunkt eines Films, der sich erfrischend weit weg bewegt von Krimi-Konventionen, seine Spannung trotz allem aber nie verliert.

ARD, Sonntag, 28.6.2015, 20.15 Uhr