Die Bevölkerung wird immer dicker, die Särge werden immer breiter und größer – und das führt zu Problemen in den Krematorien. Um auch bei übergroßen Särgen eine Feuerbestattung durchzuführen, müssen die Türen der Verbrennungsöfen vergrößert werden.
Schweinfurt/Düsseldorf.
„Der Tod öffnet unbekannte Türen“, lautet ein verbreiteter Trauerspruch. Für so
manchen stark übergewichtigen Leichnam könnte die Tür zum Krematoriumsofen
jedoch verschlossen bleiben. Denn immer häufiger passen XXL-Särge mit Überbreite
nicht mehr durch die genormten Öffnungen der Verbrennungsanlagen. Ein Umstand,
der Krematoriumsbetreiber zu Umrüstungen veranlasst hat.
Rolf Lichtner, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Bestatter
in Düsseldorf, weiß von dem Trend zu XXL-Särgen. Seit zehn Jahren, so erzählt
er, würden moderne Verbrennungsöfen mit bis zu 110 Zentimeter breiten Türen
eingebaut, um der immer dicker werdenden Bevölkerung gerecht zu werden. Dies sei
allerdings nicht ohne Nachteile für die Krematoriumsbetreiber: „Aus einer
größeren Tür kann mehr Hitze entweichen, und die Gefahr für die Mitarbeiter ist
größer, eine Flamme abzubekommen“, erklärt er.
XXL-Türen in Krematorien
„Früher haben wir ein bis zweimal im Jahr einen zu großen Sarg
bekommen, seit etwa drei Jahren ist das ein bis zweimal im Monat der Fall“,
erzählt der Leiter der Friedhofsverwaltung in Schweinfurt, Helmuth Schlereth. Im
Krematorium der unterfränkischen Stadt fallen seinen Angaben zufolge jährlich
etwa 3000 Feuerbestattungen aus einem Einzugsgebiet von rund 60 Kilometern
an.
Als sich die Fälle mehrten, in denen die übliche 80 bis 90 Zentimeter
breite Ofenöffnung für Särge nicht mehr ausgereicht habe, sei die
Verbrennungsanlage im vergangenen Jahr um einen Ofen mit XXL-Tür erweitert
worden, schildert Schlereth.
Größere Öfen für breitere Särge
Eine entsprechende Vergrößerung wurde 2011 auch in Nürnberg
vorgenommen. „Wir wollten unser Krematorium ohnehin auf den neuesten technischen
Stand bringen“, erklärt der Leiter der Friedhofsverwaltung, Günther Gebhardt.
Also sei auch gleich für rund 700.000 Euro ein dritter, größerer Ofen eingebaut
worden, um breitere Särge aufnehmen zu können.
Im München habe es zwar bisher noch keine unüberwindlichen Probleme
mit XXL-Särgen gegeben, sagt die Sprecherin des für das städtische Krematorium
zuständigen Referats für Gesundheit und Umwelt, Katrin Zettler. Die Stadt plane
aber eine Vergrößerung des Krematoriums und denke darüber nach, dann auch einen
Ofen mit breiterer Tür einzubauen.
Zu große Särge für die Feuerbestattung
Mit der Öffnung allein ist es aber noch nicht getan. „Wenn ein Sarg
sehr schwer ist, ist auch eine größere Hitzeentwicklung für seine Verbrennung
nötig“, erklärt Schlereth. Dies würden die Schamottsteine der Anlage aber nur
bedingt aushalten. Folglich würden besonders Übergewichtige im Schweinfurt
häufig erst an einem Montag eingeäschert werden, um der Anlage über das
Wochenende die Möglichkeit zu geben, sich abzukühlen.
„Wir hatten aber auch schon Särge, die so groß und so schwer waren,
dass gar keine Feuerbestattung mehr möglich war“, erzählt er. Damit hätten aber
auch die Sargträger bei der Erdbestattung ihr liebe Mühe gehabt. „Man kann so
einen Sarg ja schlecht mit dem Bagger ablassen“, ergänzt er lakonisch.
Extreme häufen sich
Die Gewichtszunahme in der Bevölkerung hat auch den Verein Deutscher
Ingenieure (VDI) auf den Plan gerufen. „Wir sind gerade dabei, die Richtlinien
für Krematorien zu verändern“, berichtet der
Vorsitzende der VDI-Richtliniengruppe für Krematorien, Gebhard Schetter. Schetter ist auch
Geschäftsführer der Ruppmann Verbrennungsanlagen in Stuttgart und kennt daher
die veränderten Anforderungen an die Branche aus eigener Erfahrung: Mussten die
Einäscherungsanlagen bisher nur in Ausnahmefällen mit Särgen mit einem
Gesamtgewicht von mehr als 200 Kilogramm fertig werden, komme diese
Gewichtsklasse immer häufiger vor. Bisweilen tauchten in den Anlagen auch 300
Kilogramm schwere Särge auf. „Die Extreme häufen sich“, erzählt Schetter.
Entsprechend müssten die Richtlinien angepasst werden.
Auch die Sargbauer haben sich den veränderten Anforderungen an ihr
Gewerbe gestellt. Kam ein Sarg bisher auf die Standardmaße von 70 Zentimeter
Breite und 60 Zentimeter Höhe, ist seit etwa vier Jahren eine verstärkte
Nachfrage nach größeren Modellen zu beobachten, berichtet Jörg Reuter von der
Sargfabrik Hans Wendel in Dinkelsbühl. „Wir bauen große Särge mit steigender
Tendenz“, erzählt er.
Inzwischen hat der mittelständische Familienbetrieb serienmäßig acht
verschiedene Sargmodelle mit 80 Zentimetern Breite im Angebot und sogar ein
Modell mit bis zu 95 Zentimetern Breite, das – dem größeren Umfang der Toten
geschuldet – auch 80 Zentimeter hoch ist. „Das reicht in den meisten Fällen“,
sagt Reuter. Auf Wunsch könne das Unternehmen aber jede Sarggröße
herstellen.
Den mit einer Breite von 115 Zentimeter bisher größten Sarg musste
die Firma übrigens auf einen besonderen Kundenwunsch hin fertigen. Da habe Geld
keine Rolle gespielt, der Sarg hätte auch noch breiter sein dürfen, sagt Reuter.
„Allerdings hätte er dann nicht mehr durch die Heckklappe des
Bestattungsfahrzeugs gepasst.“ (dadp)