Veröffentlicht inPanorama

Keine Gerechtigkeit für Sektenopfer

Keine Gerechtigkeit für Sektenopfer

Detmold. 

Arno W. versprach seinen 40 Jüngern die Verwandlung in Lichtwesen und isolierte sie über Jahre auf einer Farm in Südamerika. Weil er sich daneben an einer jungen Schweizerin sexuell vergangen haben soll, will die Staatsanwaltschaft Detmold den selbst ernannten Endzeitguru aus Ostwestfalen vor Gericht bringen. Die Chancen stehen aber nicht gut.

Der Fall von Lea Saskia Laasner-Vogt erinnert an die Geschichte der berüchtigten „Colonia Dignidad“ in Chile (siehe Kasten). Ähnlich wie Kolonie-Gründer Paul Schäfer, soll auch Sektenguru Arno W. (60) aus Oerlinghausen bei Bielefeld dauerhaft hinter Gitter – und mit ihm seine Frau Julie R., das „Medium“, angeklagt wegen Beihilfe. Beide sitzen in Uruguay in Haft. Sie waren dort im Juni nach einem jahrelangen Versteckspiel und einer Flucht quer durch Lateinamerika festgenommen worden.

Sexuelle Übergriffe mit „spiritueller Entwicklung“ begründet

Die Leidensgeschichte der heute 35-jährigen Laasner-Vogt reicht zurück ins Jahr 1994. Da war sie 13 Jahre alt. Sie lebte mit ihren Eltern in einem bürgerlichen Ort bei Zürich, als ihre Mutter Kontakt zur esoterischen Szene bekam und dem Endzeitguru verfiel, der angesichts einer angeblich bevorstehenden Apokalypse alle Anhänger mit Hilfe des Geistes „Ramtha“ in Lichtwesen transformieren wollte.

Laasner-Vogts Vater widersetzte sich zunächst der neuen Bekanntschaft. Dann überfiel ihn aber die Angst, die eigene Frau an die Esoteriker zu verlieren. Er verkaufte sein gut gehendes Architekturbüro und folgte seiner Frau und der Sekte „Lichtoase“ auf eine Odyssee durch Österreich, Bayern und Portugal nach Südamerika. Die nächsten Jahre waren für Lea Saskia ein Leben in fast völliger Isolation und unter psychischem Druck durch rund 40 Sektenmitglieder, die sich von W. abhängig gemacht hatten. Sie erkrankte an Bulimie, dachte gar an Selbstmord, schilderte Laasner-Vogt 2005 in einem Buch.

Schon kurz nachdem die Familie Zürich verlassen hatte, nahm sich Arno W. die 13-Jährige zur Geliebten. Die Frau des Sektenchefs, Julie R., hatte das Kind vorher beeinflusst, um es gefügig zu machen, so der Vorwurf. Acht Jahre litt Lea Saskia unter sexuellen Übergriffen und teils sadistischen Praktiken. Die Gruppe um W. hatte vorher gezielt alle Bindungen zerstört, die das Mädchen zu seinen Eltern hatte. Die Übergriffe erklärte W. mit der nötigen „spirituellen Entwicklung“ der jungen Schweizerin.

„Dass ich vom Sektenguru missbraucht wurde, das hat meinen Vater nicht sehr schockiert“, sagte sie 2013 in einer TV-Sendung, „tatsächlich war er da schon zu sehr gebrochen, um zu protestieren“. Irgendwann lernte sie einen Polizisten kennen, der der inzwischen 21-Jährigen zur Flucht verhalf.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Detmold legt W. und seiner Partnerin Julie R., 59, nur den Missbrauch von Lea Saskia Laasner-Vogt zur Last. Ob es weitere Opfer gibt, ist offen. Aussagen deuten aber darauf hin, dass der Missbrauchssumpf größer gewesen ist.

Das Landgericht Detmold teilte am Mittwoch mit, dass die Justiz in Uruguay das deutsche Auslieferungsgesuch als „unzulässig“ abgelehnt habe – der Fall sei verjährt. Die Staatsanwaltschaft Detmold prüft jetzt, ob sie den Beschluss anfechten kann. Die Chancen dafür stünden allerdings nicht gut, sagte eine Sprecherin der Behörde auf Anfrage dieser Zeitung.