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„Ich bin überwältigt, dass ihr da seid“

„Ich bin überwältigt, dass ihr da seid“

Berlin. 

Der emotionalste Moment dieses Prozesstages gegen Gina-Lisa Lohfink findet nicht im überfüllten Saal des Amtsgerichts Tiergarten statt, sondern draußen auf der Straße. Lohfink spricht zu etwa 100 Demonstranten. Sie weint. „Ich bin überwältigt, dass ihr alle da seid. Nicht mal meine Familie ist hier.“ Die Masse skandiert: „Du bist nicht allein!“ Lohfink ruft kämpferisch zurück: „Da drinnen sitzt der Typ und lügt rotzfrech. Was man mit den Frauen in Deutschland macht, das geht doch nicht!“ Und die Antwort ihrer Unterstützer folgt sofort: „Nein heißt Nein! Nein heißt Nein!“

„Der Typ“, über den Lohfink spricht, ist Pardis F. Er ist als Zeuge im Prozess gegen die ehemalige „Germany’s next Topmodel“-Kandidatin geladen und einer der zwei Männer, die sie 2012 der Vergewaltigung beschuldigte. Zu klären ist nun die Frage, ob zu Unrecht oder nicht.

Der Fall hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Die Bundesregierung will den Grundsatz „Nein heißt Nein“ jetzt im Strafrecht verankern. Für ihre Unterstützer ist Lohfink eine Ikone im Kampf gegen sexuelle Gewalt, im stickigen Gerichtssaal dagegen scheint es, als könne sie die Verhandlung kaum ertragen.

Der Zeuge Pardis F. wird zu den drei Tagen im Juni 2012 befragt, an denen er Sex mit Lohfink gehabt habe. Pardis F. ist von Beruf Profifußballer, er erzählt, wie er Lohfink im Berliner Club Maxxim kennengelernt habe. Als er beim zweiten Abend ankommt, beginnt Lohfink zu weinen. Er erzählt, wie sie gemeinsam in die Wohnung des VIP-Betreuers vom Maxxim, Sebastian C., gegangen seien. Erst hätten sie getrunken, manchmal seien Sebastian C. und Lohfink auch in die Küche gegangen. Um Drogen zu nehmen, wie F. annimmt. Gesehen habe er das nicht. Dann hätten er und Lohfink Sex gehabt. Pardis F.: „Dann bin ich runter von ihr und dann hat Sebastian Sex mit ihr gehabt. Und ich habe gefilmt.“

Gegen die Videos, die damals entstanden, habe Lohfink nichts gesagt. Das „Nein, nein, nein“ oder „Hör auf“, welche im Video von Lohfink während des Sex ausgesprochen werden, will er nicht gehört haben. „Ich würde niemals etwas machen, was sie nicht will“, sagt F. und, dass er sogar Gefühle für Lohfink gehabt habe. Die Sache sei für ihn aber nach dem dritten Abend vorbei gewesen.

Damals habe er sie noch einmal mit zwei Freunden in ihrem Hotel besucht. Einer dieser Freunde sei ein bekannter Fußball-Nationalspieler. Am nächsten Tag stand in der „Bild“-Zeitung, um wen es sich dabei handelte: Jérôme Boateng. Pardis F. schreibt Lohfink die
Öffentlichmachung zu: „Sie muss die Zeitung darüber informiert haben.“ Der Freund habe damals durch die Geschichte Ärger bekommen. Genauso wie er selbst: „Das hat meiner Karriere geschadet. Wegen der Videos bin ich mehr Opfer als sie“. Als Pardis F. das sagt, lachen die Zuhörer im Saal.

Nach Pardis F. wird Lohfinks Managerin Alexandra Sinner als Zeugin aufgerufen. Sie berichtet, wie Lohfink nach der zweiten Nacht gewirkt habe, „nicht wie sonst“, „sie war sehr in sich gekehrt“, „ich spürte sofort, da stimmt etwas nicht“. Sie unterstützte damit Lohfinks These, K.-o.-Tropfen in der Wohnung von C. bekommen zu haben.

Lohfink bekam auch Besuch von Jérôme Boateng

Am dritten Abend, erklärt die Managerin, habe Lohfink ihr gesagt, dass es sein könne, dass sie in der Nacht davor gefilmt worden sei. Als die Managerin dann Pardis F. und seine zwei Freunde, „einer war der bekannte Spieler Boateng“, in der Hotellobby getroffen habe, will sie F. zur Rede gestellt und acht, neun Videos von seinem Handy gelöscht haben. Am nächsten Morgen waren sie trotzdem im Netz.

Am Schluss der Verhandlung kommt es zum Eklat: Lohfink und ihre Verteidiger verlassen den Gerichtssaal. Die Begründung: Das Gericht habe die Öffentlichkeit bei einer geplanten Anschauung der Sexvideos nicht ausschließen wollen. Wann die Verhandlung fortgesetzt wird, ist noch nicht klar. Und vielleicht wird bei diesem Prozess selbst nach dem Urteilsspruch kein Gefühl von Gerechtigkeit aufkommen.