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„Granny-Aupair“ – Agentur vermittelt Leih-Omas ins Ausland

„Granny-Aupair“ – Agentur vermittelt Leih-Omas ins Ausland

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„Granny-Aupair“ ist eine der Trend-Agenturen für Frauen über fünfzig. Die suchen oft eine neue Aufgabe im Leben und wollen fremde Kulturen kennen lernen. Aupair-Programme bieten für beides Möglichkeiten. Die Lust auf Neues ist bei den Leih-Omis größer als die Angst vor dem Wagnis.

Hamburg. 

Renate (58) will weg. Raus aus dem Haus, raus aus ihrem Alltag. Jahrzehntelang hat sie im Büro gesessen, jetzt ist sie in Frühpension und möchte die Welt sehen: „Am liebsten würde ich mal nach Vietnam.“

Also sitzt sie in Hamburg in einer schicken Stuck-Villa und lässt sich gemeinsam mit einer Gruppe von Frauen über fünfzig von einer jungen Dame erklären, was man mit 50 plus noch so alles machen kann – „Granny Aupair“ sei ein Erfolgsmodell.

„Oma auf Zeit“, ob in Vietnam oder England, ob in New York oder in Rom, ist eine Idee, mit der sehr viele Frauen sympathisieren, sagt PR-Frau Michaela Hansen. Zusammen mit Kollegin Eva Goris hat sie 2010 das Granny-Projekt ins Leben gerufen, inspiriert durch eine TV-Sendung über junge Au-pairs. Was für eine Idee, sagte sie sich und hat den Klassiker einem Trend angepasst: Die Generation fünfzig plus ist längst herausgewachsen aus der Kittelschürze. Von Reiseanbietern wie Ratgeberliteratur wird die Frau ab 50 heute reichlich beflirtet. „Wir waren die Ersten“, sagt Hansen. Heute gibt es eine Reihe Granny-Agenturen, deren Motto in etwa so lauten könnte: „Nach der Pflicht kommt die Kür.“ Auch für Helene (61), die Frau mit den Locken.

Nicht putzen, nicht kochen – nur um die Kinder kümmern

Man könnte sie sich eher als Animateurin am Strand von Mexiko vorstellen als mit Brei futternden Babys auf dem Arm. „Ach, es gibt ja auch ältere Kinder, mit denen man Hausaufgaben macht“, sagt sie. Sie ist Witwe und macht den Eindruck, als würde sie auch vor einer Reise ins All nicht zurückschrecken. Doch vorerst wählt sie erst einmal Neuseeland.

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Wie wird das sein? So weit weg? Vielleicht ist die Gastfamilie scheußlich? Eine Frau, ehemalige Bankerin, sagt: „Ich war in New York, ganz toll. Ich habe gleich gesagt: Putzen tue ich nicht, kochen auch nicht, ich kümmere mich nur um die Kinder. Man soll mir aber bitte ein Auto zur Verfügung stellen.“ Alles wurde zur Zufriedenheit erledigt.

Dass es auch dumm laufen kann, hat Ursula Heines (70) aus Moers erlebt. Sie war über eine andere Granny-Agentur, der „AuPair 50Plus-Agentur“ aus Bremen, in Uruguay gelandet – doch statt nur Kinderbetreuung musste sie Fenster putzen und Hundekot wegmachen. Der Schrecken sitzt ihr heute noch in den Gliedern.

Das meiste läuft online

In Hamburg herrscht einfach nur Aufbruchstimmung. Aber auch das Praktische muss geklärt werden. Gudrun will weg. „Nur was mache ich mit meinem Haus?“ Rita hat ihr Haus einfach vermietet und dadurch schon viel Geld gespart, sagt sie. Sie war zwei Jahre weg, in Asien und den USA. Die Gastfamilie hat alles bezahlt: Flüge, Zimmer und das Essen.

Was die Frauen antreibt, sich auf das Wagnis einzulassen? Es ist die Angst, ohne Aufgabe zu sein. Die Angst, dass das Leben alleine keinen Sinn machen könnte, sagt eine. Und alle nicken. Ausnahmsweise treffen sich mal alle persönlich, ansonsten läuft alles online ab.

„Wir stellen eine Plattform zur Verfügung, auf der sich die Menschen eine Familie oder eine Granny suchen“, erklärt Michaela Hansen. Der Rest ist Vertrauenssache. Aber die Erfahrungen seien durchweg positiv, wie auch im Buch von Michaela Hansen und Medienfrau Eva Goris nachzulesen ist „Granny Aupair“ (dtv, 14,90 Euro).

Ein bisschen Sorge macht vielleicht die fremde Sprache. Dabei spiele das vor Ort kaum eine Rolle: Meistens spricht einer in der Gastfamilie Deutsch. Zahnärzte aus dem Iran, Manager aus China, Geschäftsleute aus den USA – viele haben deutsche Frauen und die haben nicht immer Lust oder Zeit, sich um ihre Kinder zu kümmern. Die deutschen Großmütter auf Zeit finden oft eine luxuriöse Bleibe vor – für Wochen oder länger.

Meist klappt es schnell mit der Gastfamilie

Rita aus Hamburg will nach Thailand. „Ich habe zwar selbst keine Kinder gehabt, aber mich immer gut mit Kindern verstanden.“ Man sagt ihr, sie soll gucken, ob ihr Pass nicht abgelaufen ist. Vielleicht wichtige Unterlagen bei einem Notar hinterlegen, ein Postfach einrichten. Dann könnte sie ihr „Profil“ bei „granny-aupair.com“ online stellen, was ein Kinderspiel sei. Und sich freuen, denn meist klappe es schnell mit der Gastfamilie.

Eine Dame (73) nickt. Sie war schon in Asien, jetzt will sie wieder los. Für länger. Ob sie wohl ihre Freunde daheim verlieren wird? Ach was. Sie schiebt den Gedanken von sich. Wofür gibt es Skype und Mails! Fremde Länder, fremde Sitten – anderes Essen und Moskitos. Stört die Frauen nicht. Und wenn, dann kommen sie zurück.