Die Therapie im Frühjahr hat offensichtlich nichts gebracht, „Gazza“ ist rückfällig geworden: England bangt um Paul Gascoigne, verfolgt gebannt seine öffentlichen Sauftouren und Zusammenbrüche. Freunde des einstigen Fußball-Superstars fürchten, dass er sich zu Tode trinkt.
London.
Der Mann, der früher einmal Paul Gascoigne war, liegt in der Gosse. Völlig betrunken. Nur ein Mülleimer verhindert, dass er nicht völlig in sich zusammensackt. Aus seinen Taschen fallen zwei Flaschen Gin. Es ist nicht mehr viel übrig vom einstigen Stolz des englischen Fußballs, dem wohl talentiertesten und meistgeliebten Spieler seiner Generation. Die Notärzte eilen heran und bringen den Mann in die Klinik. Mal wieder. Und die Fotografen sind immer dabei.
England ist geschockt, England macht sich Sorgen. Mal wieder. Paul Gascoigne, einstiger Held der Insel, ist dabei, sich zu Tode zu trinken. „Gazza“ ist durch seine jüngsten Sauftouren blass, ausgemergelt, sein Hemd hängt ihm wie ein Fetzen vom Leib.
„Er hat wieder den Selbstzerstörungs-Knopf gedrückt“
„Er hat wieder den Selbstzerstörungs-Knopf gedrückt. Er ist dabei, sich totzutrinken“, wird ein namentlich nicht genannter Freund zitiert. Der frühere englische Cricket-Star Ronnie Irani, der Gascoigne Anfang des Jahres in eine Entzugsklinik einweisen ließ, sagte: „Er hat einen schlimmen Rückfall gehabt. Ich hoffe, er wird es noch einmal schaffen und dagegen ankämpfen. Die entscheidende Frage ist, ob sein Körper noch in der Lage dazu ist.“
Am Donnerstag rief das Boulevard-Blatt The Sun alle Barkeeper und Ladenbesitzer des Landes auf, Gascoigne keinen Alkohol mehr auszuschenken oder zu verkaufen, um ihn das Leben zu retten. Bilder aus einer Überwachungskamera eines Getränkeladens zeigen den ehemaligen Mittelfeld-Star, wie er schon beim Warten in der Schlange eine Flasche Gin öffnet und an den Mund führt. Minuten später konnte er sich nicht mehr auf den Beinen halten.
Mit dem Ball am Fuß konnte „Gazza“ die Welt einreißen
Dabei sollte doch endlich alles besser werden. Anfang des Jahres besuchte Gascoigne eine Entzugsklinik in Arizona (USA). Zwei Monate ließ er sich behandeln, nachdem er mal wieder völlig am Boden war. 25.000 Euro kostete der Aufenthalt, den Freunde bezahlten, um ihn von seinen Dämonen zu befreien. Da war Gascoigne, der früher 150.000 Euro im Monat verdient hatte, längst pleite. Das Vermögen: versoffen und verspielt.
Die Geschichte des Paul John Gascoigne, geboren am 27. Mai 1967 in Gateshead, ist tragisch. Viele Fans erkennen ihren einstigen Helden auf den neuen Fotos nicht mehr wieder. Mit dem Ball am Fuß konnte „Gazza“ die Welt einreißen, Pässe spielen wie kein Engländer vor ihm. Mit 17 wurde er Profi, spielte zwischen 1988 und 1998 57 Partien für die Three Lions. Auf dem Rasen stand er für Spektakel.
Gascoigne verkraftete seinen Aufstieg zum Star nicht
Doch der Emporkömmling aus einer sozial benachteiligten Familie hat seinen rasanten Aufstieg zum Star nie verkraftet. Abseits des Platzes war er unfähig, sein Leben zu leben. Auch im Körper eines Erwachsenen blieb der heute 46-Jährige immer ein Kind. Er sei „dumm wie eine Bürste“, sagte einmal sein ehemaliger Nationaltrainer Bobby Robson. „Er will geliebt werden“, sagt Irani, „er hat mentale gesundheitliche Probleme“.
Alkohol, Drogen und Gewalt prägten die Jahre nach seinem Karriereende. Gascoigne hat seine Ex-Frau Sheryl geschlagen, wie er von seinem Vater geschlagen wurde. Zuletzt saß er entweder in einer Bar, im Gefängnis oder lag im Krankenhaus.
Erziehungskuren blieben ohne Erfolg
Gascoigne selbst berichtete in einem Fernseh-Interview im November 2011 von „vier Flaschen Whiskey und 16 Linien Koks“, die er täglich zu sich nahm. Jahrelang kämpfte er mit Depressionen. Immer wieder unterzog er sich Entziehungskuren – ohne Erfolg.
Bereits 2008 fürchtete sein damals zwölfjähriger Sohn: „Mein Vater wird bald sterben.“ Noch hoffen die Engländer, dass Gascoigne nicht das gleiche Schicksal ereilt wie der Nordire George Best. Auch diese britische Fußball-Legende verfiel nach der Karriere dem Alkohol. 100.000 Fans trugen den „fünften Beatle“ zu Grabe. Best wurde nur 59 Jahre alt. (sid)