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François Cluzet: „Ich weiß, was Demütigung heißt“

François Cluzet: „Ich weiß, was Demütigung heißt“

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ddp images Editorial-8_77669689-HighRes.jpg Foto: ddp images/ABACA
François Cluzet („Ziemlich beste Freunde“) kämpfte sich bis ganz nach oben. Ein Gespräch über Hochnäsigkeit und spätes Liebesglück.

München. 

Er ist ein ziemlich großer Star, und das nicht erst seit dem Welterfolg von „Ziemlich beste Freunde“: François Cluzet. In Thomas Liltis „Der Landarzt von Chaussy“ (aktuell im Kino) spielt er einen von Humanität geprägten Mediziner, der trotz eigener Krankheit immer für seine Patienten da ist. Karriereschub und große Liebe finden: Sein Leben zeigt, dass all das auch in reiferen Jahren möglich ist. Seit fünf Jahren ist er mit der marokkanischstämmigen Narjiss Cluzet verheiratet. Mit François Cluzet sprach Margret Köhler.

Was schätzen Sie an diesem Arzt?

François Cluzet: Seinen Altruismus, seine Leidenschaft zu helfen und zuzuhören, ein altmodischer Doktor, für den der Patient zählt. Eine Rarität in unserer von Profit bestimmten Gesellschaft, in der ein Mediziner wie im Akkord Diagnosen stellt und sich keine Zeit mehr nimmt für den Einzelnen. Auf dem Land kennt der Arzt die Geschichte der Patienten, ihrer Familie, da hat sich eine vertrauensvolle Beziehung über Jahrzehnte entwickelt. Er ist Psychologe, Sozialarbeiter, Freund und Berater. Diese Spezies ist am Aussterben. Die politisch Verantwortlichen müssen die Stellung des Landarztes aufwerten.

Kann dabei der Film helfen? Fühlen Sie als Künstler eine besondere gesellschaftliche Verantwortung?

Cluzet: Natürlich. Aber ich mag keine Künstler, die glauben, anderen sagen zu müssen, was sie wählen oder wie sie leben sollen. Davon gibt es viel zu viele. Ich finde es unehrlich und mies, Ratschläge vom hohen Ross zu geben, die man selbst nicht beherzigt. Ehrlichkeit ist das Minimum, was ich von einem Künstler erwarte und kein pseudopolitisches Gewäsch.

Warum haben Sie die renommierte französische Auszeichnung Légion d’honneur abgelehnt?

Cluzet: Es gibt sicherlich Menschen, die die Auszeichnung mehr verdient haben, wie ein Familienvater, der seine fünf Kinder nur mühsam durchbringen kann. Ein Künstler sollte sich nicht vom Staat vereinnahmen lassen. Wenn der mir eine Ehrung vorschlägt, bin ich skeptisch. Ich habe keinen Bedarf an dekorativen Medaillen.

Mir scheint, Sie mögen keine Komplimente?

Cluzet: Ich komme aus kleinen Verhältnissen und da stellt man sich nicht in den Vordergrund, backt vielmehr kleine Brötchen. Und ich weiß, was Demütigung heißt. Ich musste immer kämpfen und war ein trauriger Junge, habe aber früh durch meine Eltern gelernt, was Sensibilität bedeutet. Wer mit dem goldenen Löffel im Mund geboren ist, ist oft hochnäsig und hält andere oft für minderwertig. Ich kenne diese prätentiösen Wichtel, die sich mit 25 Jahren für einen Star halten und mit Sonnenbrille und Zigarette supercool geben. Bescheidenheit ist für mich eine Form von Intelligenz. Ich möchte nicht auf der Stelle treten, sondern die Augen offen halten. Ein Clochard auf der Straße bekommt mehr Aufmerksamkeit von mir als ein vorbeidonnernder Rolls-Fahrer. Der braucht mich wirklich nicht.

„Ziemlich beste Freunde“ sahen 53 Millionen Zuschauer weltweit. Was hat dieser Wahnsinnserfolg für Sie geändert?

Cluzet: Das war ein schöner und guter Film, sehr menschlich und sehr humorvoll. Bei einem schlechten Film hätte mich diese Riesenresonanz geärgert. Man sollte auf dem Teppich bleiben, manchmal erwischt ein Film einfach den richtigen Moment. Ich denke nicht an das, was ich erreicht habe, sondern an das, was ich noch erreichen will.

Sind Ihre Wünsche in Erfüllung gegangen?

Cluzet: Schon als Zehnjähriger kannte ich nur zwei Ziele: beruflichen Erfolg als Schauspieler und immer verliebt zu sein. Als mein Schauspiellehrer meinte, von 250 Schülern wird es nur einer schaffen, sagte ich mir, das bin ich. In der Liebe habe ich die Frauen gewechselt und dann vor sechs Jahren das große Glück gefunden, als ich schon dachte, ich sei zu alt dafür. Meine Frau ist ganz anders als ich, ein sehr positiver Mensch. Ich bewundere sie, sie hat meinem Leben eine vorher unbekannte Stabilität gegeben.