Das ZDF zeigt am Montagabend einen Nordseekrimi, der durch seine Inszenierung aus der Masse der Standardware herausragt: Engel unter Wasser.
Mainz.
Und noch ‘n Nordseekrimi. Und wieder im ZDF. Muss das sein? Es muss nicht, aber es darf. Denn der „Engel unter Wasser“ hat Qualitäten, die den Film aus der Masse der Standardware herausragen lassen. Aber der Reihe nach.
Viele Elemente des 90-Minüters sind dem Publikum vertraut. Der Schauplatz kleine Insel – wieder einmal musste Föhr herhalten – drängt sich für ein Kammerspiel mit wenigen Schauspielern auf. Das wiederum bedeutet, dass sich die Konflikte, die den Film tragen, in kleinem Kreis abspielen. Wieder einmal ist das Sozialgefüge Familie ein Ort für dunkle Geheimnisse. Und wieder einmal wird der Dorfdepp als vermeintlicher Täter präsentiert. Und dennoch ist der Film von Regisseur Michael Schneider und dem Drehbuchduo Jörg von Schlebrügge und Roderick Warich alles andere als langweilig.
Eindringliche Inszenierung
Er entwickelt einen behutsamen, aber unwiderstehlichen Sog, der das Interesse des Publikums selbst dann noch hält, als klar ist, wer den Tod der kleinen Anna auf dem Gewissen hat.
Die Tat aufzuklären ist zunächst die Aufgabe des Inselpolizisten Ströver. Maxim Mehmet spielt ihn als einen Menschen, der in vieler Hinsicht überfordert ist. Das wissen auch die Kollegen vom Festland und haben ihm gleich zwei Beamte zur Seite gestellt, die als klassisches Gegensatzduo agieren. Walter Kreye mimt den alten, besonnenen Ermittler. Er überzeugt in dieser Rolle weit mehr als mit seinen Standardauftritten als „Der Alte“. Noch besser jedoch ist der junge Schauspieler Hanno Koffler. Der 35-jährige Berliner überzeugt als Fahnder, der mehr sieht, als er sagt, und mehr hört, als es scheint. Er gehört zu den ganz großen Talenten der Szene.
„Engel unter Wasser“ wartet mit hochklassiger Besetzung auf
Den Männerfiguren stehen Frauenfiguren gegenüber, die ebenfalls hochklassig besetzt sind – Anna Schudt als hochgradig verstörte Mutter des Mordopfers und Anna Maria Mühe als ihre jüngere, ungeliebte Schwester.
Der Film erzählt aber nicht nur von dem schwierigen Verhältnis der beiden Frauen. Vielmehr stellt er es in einen familiären Zusammenhang, der von Leid und Unglück geprägt ist.
Besonders gut gelingt diese Darstellung ausgerechnet in einer Standardszene, in einem Verhör. Die beiden Festlandpolizisten fragen in der Küche der Mutter des Opfers nach den näheren Umständen des Abends, an dem das Kind verschwand. Wichtig ist dabei nicht das, was gesprochen wird, sondern vor allem das, was unausgesprochen bleibt.
Gute Dialoge, gelungene Produktion
Die Position der jeweiligen Familienmitglieder, ihre Blicke und ihre Gesten sprechen Bände. Die Dialoge verraten viel Kenntnis der menschlichen Seele, und die Inszenierung wirkt deshalb so eindringlich, weil Theater und Fernsehen nahtlos ineinander übergehen.
Derartige Filme sind der beste Beweis dafür, dass gelungene Produktionen eben kein gigantisches Budget und keine bombastischen Knalleffekte brauchen.
Fazit: Ein grundsolide inszenierter Krimi mit einem starken Ensemble. Der Film spiegelt die Widersprüche einer Familie überzeugend.
Montag, 28. September, ZDF, 20.15 Uhr