Elli Er gewann im Jahr 2004 die zweite Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ – als erste und bislang einzige Frau. Als Elli begeisterte sie vor acht Jahren die DSDS-Zuschauer. Ihr heutiges Leben hat mit einem Superstar-Dasein nichts mehr gemein: Als Frau Erl unterrichtet Elli Schüler.
Düsseldorf.
Sie war die Frau mit den pumucklroten Haaren, aber ansonsten völlig skandalfrei. Keine Brust-OP, keine schwere Kindheit, weder blind noch hinkend. Damals konnte man trotzdem noch Deutschlands Superstar werden. Damals, das war 2004.
Das große Jahr der Elisabeth Erl, die Fernsehzuschauer unter dem Namen „Elli“ kennen. Sie überzeugte durch ihren Gesang. „Rockröhre“ wurde sie genannt, weil ihre Stimme so rauchig daherkam. Recht machen konnte sie es trotzdem nicht jedem: „Das klingt mir zu kalt, zu sehr nach Frauenknast“, meckerte DSDS-Jurymitglied Dieter Bohlen. Den Zuschauern war’s egal, sie wollten ihre Elli siegen sehen. Es war die zweite Superstar-Staffel, und bis heute ist Elli Erl die einzige Frau, die die RTL-Castingshow gewinnen konnte. Acht Jahre ist das her. Für die 33-Jährige liegt diese Zeit in der Welt der Fernsehsternchen so weit entfernt wie der Mond.
Guten Morgen, Frau Lehrerin!
Es scheppert. Eine blonde Frau in Jeans und Blazer kommt schnellen Schrittes um die Ecke und lässt einen Schlüsselbund auf einen Biergartentisch im Süden von Düsseldorf fallen. Sie ist spät dran, musste unerwartet als Pausenhofaufsicht einspringen. „Tut mir Leid“, sagt sie. Auch in ihrem neuen Leben muss sie mit Überraschungen rechnen.
An ihrem 30. Geburtstag hat sie einen Strich unter ihr Leben gezogen
Die Pumucklhaare sind Vergangenheit. Ebenso Schuhe mit hohen Hacken, die sie aber auch in der Show nur getragen hatte, weil das Konzept es befahl. Sie warf sie schon im DSDS-Finale in die Ecke und lief bei ihrer Zugabe vor mehr als sechs Millionen Fernsehzuschauern barfuß auf die Bühne. „Ich bin für solche Dinger nicht geschaffen“, sagt eine gut gelaunte Frau und lässt ihre Flipflops an den Füßen wippen. Für ein Leben als ewige Castinggöre offenbar auch nicht. Deshalb ist sie am Tag ihres 30. Geburtstags in sich gegangen. Sie hat einen Strich unter ihr Leben gezogen – und ihren Eltern verkündet: „Mama, Papa, macht euch keine Sorgen. Ich werde lieber Lehrerin.“
Die Zeit bis dahin hatte sie genossen. Die Prominenz, die Konzerte und den Jubel. Sie hat Dieter Bohlen ertragen und auch, dass es irgendwann mehr um die Finanzen und um das Management als um die Musik ging. Sie hat das zugelassen, aber nur bis zu einer Grenze. Es war lange bergauf gegangen, sie hatte den Aufstieg von der kleinen Musikerin, die in Bayern über die Dorffeste tingelte, bis zum Superstar geschafft, der in Amerika eine Platte produzierte. Da wollte sie nicht das Risiko eingehen, sich plötzlich nach unten orientieren zu müssen. „Schon gar nicht wollte ich mich als weich gespülte Poptante vermarkten lassen.“
Irgendwann ließ der Erfolg nach, aber sie hatte vorgesorgt
Ein Jahr nach dem Finale ließ der Erfolg nach – „und auch mein Spaß an der Musik. Ich sehnte mich nach einem geregelten Leben“, sagt sie heute. Das hat sie bekommen. Der Wecker klingelt ganz verlässlich jeden Morgen um 5.25 Uhr. Mit der Entscheidung für das Lehramt und gegen ein längeres Leben in der Öffentlichkeit hat sie sich womöglich einiges erspart. Die Fortsetzung einer Casting-Karriere kann krampfig werden – wenn es überhaupt weitergeht. Mal am Rande: Was treiben eigentlich Mehrzad Marashi, Daniel Schuhmacher und Pietro Lombardi – oder wie heißen sie noch?
Elisabeth Erl ist anders. Ihr Kopf ist nicht allein vom Starrummel gefüllt, es ist noch Platz für Verstand geblieben. Was sie macht, macht sie mit allen Konsequenzen. Das galt für die Musikerin Elli, so wie es heute für die Lehrerin Frau Erl gilt. Ihr Glück war, dass sie ihr Studium nie aufgegeben hatte und deshalb nie ins Wanken kam. Seit zwei Jahren unterrichtet die Bayerin nun an einer Realschule in Düsseldorf Musik und Sport. In ihrer Rolle als Lehrerin ist sie jetzt diejenige, die Talente erkennt – und dabei weit einfühlsamer auftritt als Bölk-Bohlen.
Heute sieht sie Castingshowswie DSDS sehr kritisch
„Ich kann eine strenge Lehrerin sein, aber ich denke, ich habe die richtige Mischung gefunden“, sagt sie. Wegen ihrer Fernseh-Vorgeschichte habe sie sich zunächst Respekt verschaffen müssen. Klar wollen Schüler von ihr wissen, wie es sich anfühlt, Superstar zu werden. Und ob auch sie so schnell reich und berühmt werden können. Frau Erl erklärt’s gerne. Sie spart dabei nicht mit Kritik.
Eine elfjährige Schülerin, ein Mädchen mit schöner Stimme, wollte sich von ihr die Empfehlung für das neue Kinder-Format „DSDS Kids“ abholen. Hat sie aber nicht bekommen. „Ich finde das unmöglich, in diesem Alter sollte man sich noch nicht dem Druck und der Konkurrenz aussetzen“, sagt Elisabeth Erl, die auch die Entwicklung von DSDS nicht gerade applaudierend verfolgt: „Es kommt immer weniger auf die Stimme an, es geht ums Aussehen und um die Show.“
Singen mag sie immer noch. Aber nur vor kleiner Kulisse, bis zu 200 Zuschauer. So wie vor ihrer DSDS-Zeit. Da bölkt dann keiner rum, und niemand achtet auf ihre Schuhe.