Veröffentlicht inPanorama

Der Traum vom Spaziergang auf dem Mond

Der Traum vom Spaziergang auf dem Mond

Köln. 

166 Tage arbeitete er auf der Internationalen Raumstation ISS, 2566 Mal umkreiste er die Erde. Die Welt ließ er stets daran teilhaben. Alexander Gerst begeisterte im Jahr 2014 als Astro-Alex Hundertausende Menschen. Im Mai 2018 startet der 40-Jährige erneut ins All. Kai Wiedermann sprach mit dem Astronauten über seine Mission.

Herr Gerst, wie ist Ihr Leben als Popstar des Weltalls?

Alexander Gerst:

Ich habe nie versucht, ein Popstar zu sein. Ich hatte das Privileg, in den Weltraum zu fliegen. Und ich habe es als meine Pflicht betrachtet, davon etwas weiterzugeben. Was ich gesehen habe, war schön, unheimlich oder traurig. Ich wollte die Dinge nicht wie ein Oberlehrer erklären, ich habe einfach meine Gedanken aufgeschrieben und versucht, alles aus den Augen eines normalen Menschen zu sehen.

Seit Monaten trainieren Sie schon. Was haben Sie gemacht?

Ich war zum Beispiel fünfmal einen Monat lang in Russland, um das Flugkontrollsystem der Sojus-Kapsel zu lernen. Ich sitze ja diesmal auf dem Pilotensitz. Und da hat man ein zusätzliches Training, um zu lernen, wie man solch ein Raumschiff steuert. Das geht so weit, dass man mit einem Joystick an der Raumstation ISS andocken oder die Kapsel von Hand wieder in die Atmosphäre hineinfliegen können muss – mit einer Geschwindigkeit von 28 000 Kilometern pro Stunde.

Im zweiten Teil der Mission sind Sie Kommandant. Was ist dabei anders?

Man ist nicht nur für sich selbst zuständig, ich muss jetzt auch ein Auge auf die Crew haben. Dass niemand überlastet ist, dass die Stimmung gut ist. Die Aufgabe des Kommandanten beginnt beim Training, ich bin deshalb ständig mit den Trainingsleitern und den Missionsdirektoren in Kontakt.

Wie geht das Training voran?

Ich bin sehr zufrieden. Das liegt auch daran, dass es für mich jetzt leichter ist, weil ich besser einschätzen kann, was wichtig ist. Beim ersten Flug ist das schwieriger. Da habe ich mir viel zu viel gemerkt. Jetzt kann ich besser filtern. Ich habe immer noch Zwölf-Stunden-Arbeitstage, aber ich bin etwas entspannter.

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Dass ich durch mein Vorwissen ein paar Kapazitäten frei habe, um mir Sachen bewusst anzuschauen und zu merken. Mich hat zum Beispiel mal jemand gefragt: Wie laut ist es in einer Rakete beim Start? Ich wusste es nicht, weil gewisse Phasen bei Start oder Landung in einem Nebel verschwunden sind. Der Mensch kann nur sieben Eindrücke pro Sekunde verarbeiten, unter Stress manchmal noch weniger.

Und an Bord der ISS?

Auf den Blick auf die Erde. Wenn man erstmals in der Kuppel steht und rausschaut – diese Vielfalt. Die Erde sieht immer anders aus, das haut einen echt um. Es macht aber auch Spaß, Laborarbeiter für viele wissenschaftliche Experimente zu sein. 95 Nationen sind direkt oder über ihre Universitäten an den Versuchen beteiligt, ein riesiges Netzwerk. Und ich erinnere mich gern zurück an die Momente der Freundschaft da oben. Ich freue mich darauf, diese zu wiederholen.

Welche Botschaft wollen Sie und Ihr Team vermitteln?

Wir wollen zwei Dinge zeigen: Die Raumstation ist wichtig für die Menschen. Wir können dort Sachen erforschen, die wir nirgendwo auf der Erde erforschen können, weil dies die Gravitation verhindert. In jedem Wissenschaftszweig gibt es Lücken, die wir so schließen können. Das zweite ist: Die Raumstation ist unser erster Schritt nach außen. Von dort können wir lernen, wie wir weiter in den Weltraum rausfliegen können. Wir testen auf der ISS Lebenserhaltungssysteme, die wir brauchen, wenn wir zu Mond oder Mars fliegen wollen. Man kann die ISS mit den ersten Schiffen vergleichen, die der Mensch gebaut hat. Erst fuhren sie an den Küsten entlang, um das Wissen zu schaffen, danach fuhren sie über den Horizont hinaus.

Warum ist das so wichtig?

Wir sind seit Jahrhunderten Entdecker. Das liegt in der Kultur des Menschen. Ich denke, dass wir nicht so lange überlebt hätten, wenn es anders wäre. Aber erst seit 50 Jahren haben wir die Möglichkeit, unseren Planeten zu verlassen. Das ist ein Wimpernschlag. In 10 000 oder 20 000 Jahren wird der Mensch begreifen, wie relevant das war, ein gigantischer Schritt der Evolution.

Und für Sie persönlich?

Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich mir vorstelle, von einem anderen Himmelskörper aus auf die Erde herüberzuschauen. Ich denke, dass es für uns Menschen eine wichtige Erkenntnis ist, unseren Planeten klein und verletzlich zu sehen, um zu realisieren, dass er das auch ist. Es ist jedenfalls ein riesiger Traum von mir, dabei zu sein, wenn es weiter hinaus ins Weltall geht.

Was würden Sie auf dem Mond tun?

Wir tun gut daran, dass wir da draußen einen Aussichts- oder Horchposten haben, der in den Weltraum schaut, was da von außen noch auf uns zukommen kann. Es ist schon passiert, dass ein viele hundert Meter großer Asteroid zwischen Mond und Erde durchgezogen ist und wir es erst hinterher gemerkt haben. Wenn der mit der Erde kollidiert wäre, hätte es einen großen Schaden gegeben. Oder wir suchen dort nach einer neuen Energiequelle für die Erde.