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Der Diebstahl von Grabschmuck trifft Angehörige schwer

Der Diebstahl von Grabschmuck trifft Angehörige schwer

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Grabraub Foto: dpa
„Als wäre er nochmal gestorben.“ Wird Grabschmuck gestohlen, dann ist das für Angehörige oft überaus schmerzlich. Gerade im Herbst steigt die Zahl der Fälle sprunghaft an. Und die Diebe werden immer dreister. Ein besonders tragischer Fall passierte in Worms – kurz vor Allerheiligen.

Ludwigshafen/Worms. 

Als ihr Sohn Gregor vor sieben Jahren mit 21 Jahren an Leukämie starb, ließ Brigitte Kulzer eine Bronzefigur von ihm anfertigen und stellte sie auf das Grab. Die Plastik hat für die Trauernde eine immense Bedeutung. Umso schlimmer war der Schock, als die Figur Mitte Oktober plötzlich weg war. Diebe hatten die 15 Kilogramm schwere Statue über Nacht abmontiert und von dem Friedhof in Worms gestohlen. „Das ist ein Riesenschock für mich. Das ist wie, als wenn er nochmal gestorben wäre“, erzählt Kulzer.

Bundesweite Zahlen speziell über Grabschmuck-Diebstahl gibt es nicht – die Polizeiliche Kriminalstatistik führt dieses Delikt nicht gesondert auf. Nach Erfahrungen beispielsweise der Polizei in Ludwigshafen steigt die Zahl der Fälle regelmäßig zum Herbstbeginn sprunghaft an – ausgerechnet dann, wenn Christen gezielt der Toten gedenken (bei Katholiken Allerheiligen am 1.11., in der evangelischen Kirche gibt es den Totensonntag, dieses Jahr am 23.11.). Im Schutz der frühen Dämmerung fühlen sich die Täter offenbar sicher.

Und die Diebe scheinen dreister zu werden. Wurden früher meist Lampen und Blumenschalen aus Buntmetall entwendet, verschwinden inzwischen immer mehr Skulpturen aus Bronze oder Kupfer, wie ein Polizeisprecher sagt. Das Diebesgut werde weiterverkauft oder von unseriösen Schrotthändlern zum Altmetallpreis erworben und danach eingeschmolzen. Vom Sachschaden abgesehen, seien die Angehörigen von dem Diebstahl meist traumatisiert. „Nicht einmal vor Grabstätten verstorbener Kinder machen die Täter halt“, erklärt der Polizist.

Diebstahl kann psychische Belastung bei Angehörigen auslösen

„Ich habe manchmal die Hand der Statue gehalten“, erinnert sich Kulzer. Ihr setzt der Diebstahl auch nach Tagen noch sehr zu. Die 60 Zentimeter hohe Figur zeigt Gregor beim Handballspiel, in seinem angestammten Trikot mit der Rückennummer 9. „Der Künstler hat ihn ganz genau getroffen“, sagt die Mutter. Sie habe sich lange überlegt, wie sie das Grab gestaltet. Der Bildhauer habe dann mit Hilfe vieler Fotos die Plastik erschaffen. „Sonntagabend war sie noch da. Als ich Montag auf den Friedhof kam, war sie weg.“

Dieser Diebstahl ist besonders tragisch – aber er ist kein Einzelfall. In derselben Nacht verschwand von dem Wormser Friedhof eine ganze Reihe hochwertigen Grabschmucks. In den Wochen zuvor wüteten Diebe schon auf rund einem halben Dutzend weiterer Friedhöfe – allein in dieser Region in Rheinland-Pfalz.

Eine solche Tat sei vergleichbar mit einem Einbruch, erklärt der Trierer Psychologe Richard Tank. „Da, wo man es am wenigsten erwartet.“ Dieser Eingriff in den „ganz persönlichen Bereich“ könne eine psychische Belastung bei den Angehörigen auslösen. Die Täter machten sich vermutlich keine Gedanken, was sie damit anrichteten. „Das wird nicht reflektiert.“

Aufklärung der Taten meist schwierig

Beispiel Westpfalz: Hier suchten in diesem Jahr bislang mehr als 50 Mal Diebe Gräber heim – dabei verschwanden oft Figuren im Wert von bis zu 2500 Euro. „Bronze, immer wieder Bronze“, sagt die Sprecherin des Polizeipräsidiums in Kaiserslautern, Angela Walz. Die Täter griffen sich unter anderem Engels-, Jesus- oder Marienstatuen, die bis zu einem Meter hoch sind. „Die sind dann auch sehr schwer, da stellt sich für die Diebe schon die Frage: Wie transportiere ich das weg?“, sagt Walz. Angehörige vermissten aber auch eine Zier-Ente, ein Granit-Herz, Grableuchten oder Kupfervasen.

Die Fälle seien oft zeitlich und regional ganz verteilt, erklärt die Polizeisprecherin. „Wenn wir einen Schwerpunkt erkennen und es häuft sich, dann verstärken wir unter anderem die Streifenfahrten.“ In Waldfischbach-Burgalben im Pfälzer Wald habe es dieses Jahr in kurzer Zeit gleich acht Fälle gegeben. Die Aufklärung der Taten sei meist schwierig, es gebe fast nie Zeugen.

Brigitte Kulzer erstattete Anzeige bei der Wormser Polizei, startete eine öffentliche Suchaktion und setzte eine Belohnung aus. Bislang blieb die 10.500 Euro teure Figur jedoch verschwunden. (dpa)