Dave Gahan (53) hat Depressionen überstanden, Drogen und Krebs überlebt. Jetzt gefällt es ihm, älter zu werden, sagt er im Interview.
Berlin.
Dave Gahan (53) hat Depressionen und Drogen überlebt. Bei der vorletzten Depeche-Mode-Tournee 2009 freundete er sich mit Rich Machin an und verabredete eine Zusammenarbeit, 2012 veröffentlichten sie das erste Album. Verglichen mit den beiden früheren Gahan-Solowerken klingt „Angels & Ghosts“ unerwartet positiv, stellenweise fast euphorisch. Die vom Blues beeinflusste Auftaktnummer „Shine“ würde bestens zu Depeche Mode von früher passen. Mit Dave Gahan sprach Steffen Rüth über das Älterwerden und Familienwerte.
Mister Gahan, haben Sie eigentlich noch Angst vor dem Tod?
Dave Gahan: Ja.
Man könnte auch annehmen, dass jemand, der 1996 nach einer Drogenüberdosis minutenlang klinisch tot war und der 2009 in Windeseile von einem Blasentumor genesen ist, sich für unsterblich hält.
Schön wäre es ja. Ich bin nicht unsterblich. Ich hoffe aber stark, dass ich noch eine ganze Weile hier auf Erden bleibe. Um meine Zeit mit den Menschen und den Dingen im Leben zu verbringen, die ich liebe und die mir sehr viel bedeuten. Ich freue mich, dass ich am Leben bin. Für lange Zeit kam mir das Leben vor wie ein hastiges Rennen in Richtung einer Ziellinie, die es in Wirklichkeit nicht gab. Das ist vorbei. Die bösen Geister der Vergangenheit quälen mich nicht mehr.
Ihnen geht es momentan also gut.
Mir geht es sogar richtig prächtig. Ich bin zum Beispiel wirklich glücklich über die „Delta Machine“-Tour mit Depeche Mode, die lief optimal. Martin Gore und ich, wir haben uns auf der Bühne sehr wohl zusammen gefühlt. Ich glaube, auch Martin tut es gut, älter zu werden. Soviel Schwung wie zuletzt hatten wir seit vielen Jahren nicht in der Band.
Ist es angenehm, älter zu werden?
Es gab Zeiten in meinem Leben, da war das anders. Da hat mich der Gedanke ans Alter geschreckt, teilweise fertig gemacht. Heute weiß ich, dass das Alter ein Geschenk ist. Ich lasse mich regelmäßig untersuchen, ich achte auf meine Gesundheit. Und manchmal vergesse ich, dass ich ein Mann in den Fünfzigern bin.
Wie machen Sie das?
Im Kopf bin ich immer noch der Junge, der versucht, durchs Leben zu navigieren.
Wird das so bleiben?
Ich hoffe, das bleibt so, ja. Meine Kinder sagen immer, ich würde mich nicht wie ein Erwachsener benehmen. Ist doch besser, ich bleibe jung im Geiste als ein mürrischer, alter Sack zu werden. Meine Söhne sind wahrscheinlich erwachsener als ich.
Was treiben Ihre Kinder?
Mein Sohn Jack ist 28, lebt in England und hat letztes Jahr geheiratet. Seine Frau und er scheinen sich toll zu verstehen. Jimmy ist 23 und Anfang des Jahres zu Hause ausgezogen. Er lebt jetzt hier in New York in einer WG, schreibt und will Filmemacher werden.
Der erste Song auf dem Album heißt „Shine“ und ist eine Mischung aus Rock und Gospel, der letzte heißt „My Sun“. Beide Lieder haben das Helle schon im Titel.
Aus den dunklen Wolken, die mein Leben trübten, habe ich mich weitgehend hinaus an einen Ort navigiert, an dem ich stille Zufriedenheit spüre. Ich bin ganz froh und zufrieden damit, einfach gemütlich zu Bergwandern. Ich hatte so viel Schwein und auch tiefes Glück, dass ich das Schicksal keinesfalls mehr provozieren möchte.
Das sind wirklich neue Töne vom ewigen Pessimisten Dave Gahan.
Ich weiß. Ich bin immer ein Mensch gewesen, der in allem nach dem negativen Aspekt gesucht hat. Diese Negativität ist seit meiner Krebsdiagnose schwächer geworden. Der Krebs war, im Gegensatz zu den schmerzhaften Wunden, die ich mir wegen meiner Süchte und meines Selbstzerstörungstriebs selbst zugefügt hatte, außerhalb meiner Kontrolle.
Die Krankheit war ein Schock und hat mich aufgeweckt. Ich weiß seitdem, was gut ist und was ich noch stärker wertschätzen sollte: meine Frau und meine Kinder.