Die Geschichte der jüdischen Deutschen Gretel Bergmann ist so irrwitzig wie faszinierend. Die ARD erzählt am Mittwoch, wie sie beinahe zur Vorzeigesportlerin eines Unrechtsstaates geworden wäre.
Essen.
Was veranlasst einen Sportler, Tag für Tag alles aus seinem Körper herauszupressen, um am Tag X die Höchstleistung zu bringen? Die Motive sind vielschichtig. Die einen wollen reich und/oder berühmt werden, andere sind einfach nur von ihrem Sport fasziniert. Gretel Bergmann trieb etwas ganz anderes an. Sie hasste die Nazis, sie wollte es den Braunhemden zeigen.
Ihre Botschaft lautete: „Seht her ihr Bastarde, so gut kann eine Jüdin sein.“ So steht es in ihren Erinnerungen „Ich war die große jüdische Hoffnung“, die 2003 veröffentlicht wurden. Die Geschichte der deutschen Hochspringerin Gretel Bergmann ist so unglaublich wie faszinierend. Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele 1936 in Berlin wurde die deutsche Jüdin von den Nazis ausgeschlossen.
Basierend auf der wahren Geschichte der Gretel Bergmann hat Regisseur Kaspar Heidelbach 2009 den Kinofilm „Berlin 1936“ gedreht, der am heutigen Mittwoch um 20.15 Uhr in der ARD gezeigt wird. Karoline Herfurth spielt die Hauptrolle. Die 28-Jährige bringt überzeugend den inneren Konflikt der Gretel Bergmann herüber, die einerseits ihre großartigen Fähigkeiten als Hochspringerin beweisen will, andererseits nicht die Vorzeigesportlerin eines Unrechtsstaats sein will.
Sie war ein Spielball der Politik
Gretel Bergmann emigrierte schon 1933 nach England, weil sie von den Nazis aus ihrem Sportverein ausgeschlossen worden war. Ein Jahr später holte sie den britischen Titel im Hochsprung. 1936 wurde sie zum Spielball der Politik. Weil die Vereinigten Staaten mit einem Olympia-Boykott drohten, falls Deutschland Juden den Start in Berlin verbieten würden, setzten die Nazis die noch in Deutschland lebenden Eltern der Hochspringerin unter Druck. Gretel Bergmann kehrte nach Deutschland zurück, um sich im Trainingslager mit dem deutschen Team auf die Olympischen Spiele vorzubereiten.
Drehort GladbeckDort begegnete sie einem mutigen Coach, der die Jüdin vorurteilslos behandelt und sportlich fördert. Axel Prahl zeigt in dieser Rolle, dass er nicht nur den Münsteraner Tatort-Kommissar Frank Thiel überzeugend spielen kann. Bei der Olympia-Vorbereitung teilte sich Gretel Bergmann ein Zimmer mit Dora Ratjen. Einer weiteren deutschen Hochspringerin, die im Film Marie Ketteler heißt und großartig von Sebastian Urzendowsky dargestellt wird.
Dora Ratjen war in Wirklichkeit ein Mann, der von Geburt an als Mädchen erzogen worden war. In der Figur der Marie Ketteler mischen sich Fiktion und Wirklichkeit. Während die Nazis im Film über das wahre Geschlecht der Sportlerin informiert waren und dieses Wissen gezielt einsetzten, sollen sie erst 1938 erfahren haben, dass Dora Ratjen in Wirklichkeit ein Mann war. Dora hieß fortan Heinrich und starb 2008, vergessen von der Öffentlichkeit.
Die Olympia-Teilnahme verweigert
Lange vergessen war auch das Schicksal der Gretel Bergmann. Als Olympiasiegerin hätte sie Geschichte geschrieben, doch als die Nazis sicher waren, dass die Mannschaft der USA mit dem Schiff Richtung Berlin unterwegs war, verweigerten sie Gretel Bergmann doch die Olympia-Teilnahme.
Wäre Bergmann, die kurz vor den Spielen mit 1,60 Meter den Deutschen Rekord aufstellte, Olympiasiegerin geworden? Für Gretel Bergmann, die mit 98 Jahren in New York lebt, gibt es nur eine Antwort: „Gold, nichts anderes wäre es gewesen“, sagte sie der „Welt“. „Ich sprang immer höher, je wütender ich war.“