Vor 150 Jahren gelang die Erstbesteigung des Schweizer Wahrzeichens durch Edward Whymper und Co. Für vier Bergsteiger endete das Abenteuer tödlich.
Zermatt/Essen.
„Plötzlich bemerkten wir in der eisigen Nordwand das unverkennbare Rauschen einer Lawine. Wir blickten sofort nach oben und sahen eine Steinlawine direkt auf uns zu rasen“, schildert Norbert Wieskotten aus Essen die brenzlige Situation. Der erfahrene Extrembergsteiger hat so ziemlich alles gemacht, was schwer ist. Nur die Matterhorn-Nordwand fehlt ihm noch. An dieser anspruchsvollen Wand hat er sich einige Male vergeblich versucht. Wie vor wenigen Wochen, als es beinahe richtig schief gegangen wäre: „Einen Bruchteil einer Sekunde dachte ich: ‚Das war’s!’ Gerade noch konnten wir uns in der Wand an das Eis schmiegen und die Eispickel krampfhaft festhalten. Ein Wunder, dass wir nur Prellungen abgekriegt haben. Danach mussten wir den Rückzug antreten.“
Das Wettrennen um die Erstbesteigung im Sommer 1865
„Noppes“, wie ihn seine Freunde nennen, wird trotzdem wiederkommen. Faszination Matterhorn eben. Über den „Normalweg“ gelang vor 150 Jahren die Erstbesteigung des 4478-Meter-Massivs, die in einem Drama endete!
Der Brite Edward Whymper (1840-1911) hatte zusammen mit dem italienischen Bergführer Jean Antoine Carrel etliche erfolglose Anläufe über den zerklüfteten Südwestgrat (Liongrat) von Italien aus unternommen. Für den Sommer 1865 hatten sie sich erneut verabredet, als Carrel von höchsten Stellen die Weisung bekam, das Matterhorn ohne britische Beteiligung für Italien zu „erobern“.
Während er mit seiner Gruppe schon auf dem Liongrat unterwegs war, blieb Whymper nur der Versuch, dem Italiener über den Hörnligrat noch zuvor zu kommen. Ein Wettrennen begann, dass die Engländer am 14. Juli 1865 für sich entscheiden konnten. Beim Abstieg die Katastrophe: Ein unachtsamer Schritt, und vier der sieben Erstbesteiger stürzten über die gewaltige Nordwand in den Tod.
Wäre es nicht zum Seilriss gekommen – auch Whymper und seine Begleiter, der Zermatter Bergführer Taugwalder mit seinem Sohn, hätten wohl nicht überlebt. So lagen Triumph und Tragödie dicht beieinander und machten Berg und Zermatt weltberühmt.
Das Matterhorn ist Wahrzeichen, Werbeträger, Kunstobjekt. Ob aus Schokolade geformt oder als Modell nachgebildet wie im kalifornischen Disneyland Resort. Und millionenfach fotografiert, gefilmt, gemalt. Es ist Traumziel für Menschen aus allen Nationen. Jahr für Jahr wollen es Aberhunderte besteigen, einmal im Leben vom höchsten Punkt auf 4478 Metern die phantastische Aussicht erleben. Vielen gelingt es in der Obhut eines Bergführers, andere müssen den Wunsch aufgeben. Und manch einer auch wegen Selbstüberschätzung.
Technisch besonders anspruchsvoll und stark dem Wetter ausgesetzt
Dabei ist alles am Matterhorn bestens auf Bergsteiger eingestellt. Mit Beratung, mit Top-Bergführern, mit einem super Rettungswesen, wenn es einmal zum Schlimmsten kommt. Denn das Horn von Zermatt ist technisch anspruchsvoll, hoch und durch seine isolierte Lage dem Wetter besonders ausgesetzt. Schön, aber eben gefährlich.
Am Fuße des mächtigen Viertausenders heißt man in Zermatt auch jene herzlich willkommen, die nicht an eine Besteigung des Matterhorns denken. Bergbahnen bringen den Urlauber in eine Welt, die sonst nur dem Bergsteiger vorbehalten ist.
Und der Löwe von Zermatt, wie das Horn oft bezeichnet wird, setzt gern mal eine Wolkenfahne an eine seiner Flanken. Dann kann sich wirklich niemand der Wirkung des Berges entziehen.