Die norwegische Armee testet gemeinsame Schlafräume für Frauen und Männer. Das Ziel ist es, das Klima unter den Soldaten zu verbessern und die Zahl der sexuellen Übergriffe zu verringern. Die ersten Erfahrungen sind verblüffend gut.
Oslo.
Norwegens Armee wird immer aufgeschlossener. Männliche Rekruten dürfen seit 2013 lange Haare tragen, wenn sie sie beim Einsatz zu einem Zopf binden. Als einziges europäisches Land wird Norwegen zudem ab 2015 die allgemeine Wehrpflicht auf Frauen ausweiten. Die Gleichberechtigung macht auch vor dem Schlafsaal nicht halt.
Die bereits freiwillig in die Armee eingetreten Frauen, derzeit sind es rund zehn Prozent, klagen häufig über sexuelle Belästigung und Diskriminierung durch ihre zumeist männlichen Kameraden.
Männer und Frauen sollen sich auf geschwisterliche Weise näher kommen
Dem soll nun durch eine nur auf den ersten Blick überraschende Maßnahme Abhilfe geschaffen werden. Zukünftig werden sie in den gleichen Räumen schlafen und sich so auf geschwisterliche Weise näher kommen. In einer Kaserne in Nordnorwegen wurde das laut einer von der Armee in Auftrag gegeben Studie bereits erfolgreich getestet.
Jeweils vier wehrpflichtige Männer teilten sich dort ihren Schlafsaal mit zwei freiwilligen weiblichen Rekrutinnen. Die meisten kamen direkt von der Schule in den Militärdienst. Zunächst sei überraschend gewesen, dass die Rekrutinnen zumeist gar kein Problem damit hatten, im gleichen Raum zu schlafen wie die männlichen Kameraden. Ganz im Gegenteil. „Wir waren sehr überrascht. Wir hätten nicht gedacht, dass die Unisex-Räume für die Mädchen okay sind“, sagte Studienleiterin Ulla-Britt Lilleaas, Soziologin von der Universität Oslo.
Sie verglich das Zusammenleben mit dem einer anderen Einheit, in der Männer und Frauen weiterhin in getrennten Kasernenräumen schlafen, und führte längere Interviews mit je zehn Männern und zehn Frauen über deren Erfahrungen. Die Rekrutinnen, die in Unisex-Schlafsälen wohnten, berichteten von deutlich weniger sexuellen Belästigungen und Ausgrenzungen der Frauen in der Einheit.
Männer nahmen Hygiene ernster
Einen Raum miteinander zu teilen, habe die Geschlechter-Stereotypen verschwinden oder weniger offensichtlich werden lassen, berichtete eine Rekrutin. „Man muss ein Team sein beim Zusammenleben“, berichtete eine andere Frau. Die gemeinsamen Räume seien „eine verdammt gute Idee“, schloss sie.
Nur in einem Fall war eine Belästigung registriert wurden. Da ergriffen aber die anderen männlichen Soldaten sofort Partei für die betroffene Rekrutin. Auch die Männer entwickelten positive Eigenschaften. So sollen sie es durch den Einfluss der Rekrutinnen genauer mit der Körperhygiene genommen haben.
Zwei Rekrutinnen sollen Dienst quittiert haben
In der Vergleichseinheit, einem Marinestützpunkt im Süden Norwegens, hat es laut Studie viel mehr Probleme gegeben. „Es war viel mehr die Einstellung: Jungs gegen Mädchen “, sagte der Ko-Autor der Studie Dag Ellingsen. Rekrutinnen, die separat wohnen, würden viel häufiger sexuell belästigt und von männlichen Kameraden im Einsatz geschnitten. Es soll gar so starke Anfeindungen gegeben haben, dass zwei Rekrutinnen psychisch krank wurden und ihren Dienst quittieren wollten.
Auch wenn Unisex-Schlafräume nun nach dem Willen von Regierung und Heeresführung auf ganz Norwegen ausgeweitet werden sollen, gebe es für Rekrutinnen weiterhin die Alternative in Frauenschlafsälen getrennt unterzukommen. Problematisch könne hier lediglich sein, dass Frauen, die sich dem neuen emanzipatorischen Wind in Norwegens Armee widersetzen und separate Schlafräume wollen, noch mehr ausgegrenzt werden, so die Kritiker.