Im ARD-Film „Am Ende der Lüge“ spielt Aglaia Szyszkowitz („Einsatz in Hamburg“) eine manisch-depressive Frau, die das Leben ihrer Schwester aufmischt. Was an ihrer Rolle fasziniert, verriet sie Jürgen Overkott. Und erklärte auch, warum die Schauspielerei einem dabei hilft, zu sich selbst zu stehen.
München.
„Am Ende der Lüge“ heißt der neue Film mit Aglaia Szyszkowitz. Sie spielt Mia, eine manisch-depressive Frau. Was an ihrer Rolle fasziniert, verriet sie Jürgen Overkott.
Drückt der Winter auf Ihre Laune?
Aglaia Szyszkowitz
: Ja!
Was machen Sie dagegen?
Szyszkowitz: Ich gehe in die Natur, das hilft sehr, raus und Bewegung. Und an den Wochenenden bin ich in den Bergen.
Sind Sie leidenschaftliche Skifahrerin?
Szyszkowitz: Ja! Das darf ich aber nicht laut sagen, denn wenn ich drehe, dann sollte ich tunlichst keine gefährlichen Sportarten betreiben.
Ist Ihre geheime Leidenschaft die Streif?
Szyszkowitz (lacht): Ich bin schon eine Draufgängerin, aber die Streif ist mir zu eisig. Aber ich war vor kurzem mit meinem Mann auf einer Ski-Tour, die in einem Gebirgsbach endete. Und wir wussten ehrlich gesagt nicht so genau, wie wir da jemals wieder raus kommen.
Aber es hat ja offensichtlich geklappt.
Szyszkowitz: Nein, mein Mann ist immer noch dort (lacht!): Ich muss zu geben, ich liebe es, meine Grenzen auszutesten.
Das hat Sie für den „Einsatz in Hamburg“ qualifiziert.
Szyszkowitz: Ja, stimmt, und es qualifiziert mich auch für die Figur der Mia in dem Film „Am Ende der Lüge“. Ich glaube es macht mir mehr Spaß, selbst gejagt zu werden, als irgendwelchen Verbrechern hinterher zu jagen.
Haben die Verbrecher eher Angst vor Ihnen als Sie vor denen?
Szyszkowitz: Im normalen Alltag bekomme ich eigentlich nur Angst, wenn ich den Fehler mache und mir abends alleine zuhause einen Psycho-Thriller anschaue. Dann hör‘ ich schon mal überall verdächtige Geräusche.
Und da jagen Sie jetzt den Zuschauern Angst ein. Ist das in Ordnung?
Szyszkowitz:
Ich verrate Ihnen etwas: Die schauen sich das genau deshalb an.
Sie spielen eine Frau, die nicht die klassische Sympathieträgerin ist.
Szyszkowitz: Endlich! Endlich!
Genau das wird ja von vielen Ihrer Kolleginnen gemieden: Sie wollen immer nur die patente Frau sein, die gegebenenfalls die Welt rettet.
Szyszkowitz: Ist das so? Mir wäre das zu langweilig. Unser Beruf hat doch mit Wandelbarkeit zu tun, das ist doch spannender, als nur das schöne Gesicht einmal von links und einmal von rechts in die Kamera zu halten. Für mich beginnt die Zeit der spannenden Rollen jetzt erst so richtig, wie in „Rommel“, zerrissene, spannende Figuren, die es zuhauf in unserer Welt gibt. Das ist doch eine Herausforderung!
Handwerk und Lebenserfahrung
Braucht man für solche Rollen Lebenserfahrung?
Szyszkowitz: Ich denke schon. Manche Kolleginnen schaffen es ganz früh, aber bei mir hat es mit Lebenserfahrung zu tun und auch mit Handwerk. Ich habe jetzt ein Level erreicht, wo ich mich in solche Rollen reinschmeißen kann. Das wäre mir vor 20 Jahren nicht möglich gewesen. Ich hatte in „Am Ende der Lüge“ eine Szene mit Katharina Böhm, die so intensiv war, dass wir beide danach völlig fertig waren. Ich habe nur selten beim Spielen eine so große Wut auf jemanden gespürt. I
Wie lange brauchen Sie nach solchen Szenen, um wieder runterzukommen?
Szyszkowitz: Das braucht schon ein paar Stunden. Ich geh‘ in solchen Situationen immer in die Badewanne, das beruhigt und ist langfristig gesünder als ein schneller „Downer“ mit Alkohol.
InterviewIhre Figur sprengt eine Rolle, sie ist psychisch krank. Haben Sie sich anders als sonst vorbereitet?
Szyszkowitz: Nein, ich habe mich wie immer ausführlich mit meiner Figur beschäftigt. Sie ist manisch-depressiv, und ich konnte mit einer Frau sprechen, die selbst unter dieser psychischen Erkrankung leidet. Außerdem komme ich aus einer Mediziner- und Psychotherapeuten-Familie, in der Krankheitsbilder oft Gesprächsgegenstand waren und sind.
Haben Sie selbst mal professionelle Hilfe in Anspruch genommen?
Szyszkowitz: Ja. Mit 20 hatte ich eine Gesprächstherapie gemacht. Mir ging es nicht gut. Ich habe in diesem Punkt keine Berührungsängste, weil ich aus meiner Familie weiß, wie sehr Therapien helfen.
Was haben Sie durch die Schauspielerei über sich selbst gelernt?
Szyszkowitz: Viel. Als Anfängerin habe ich mal das Gretchen aus Taboris „Mein Kampf“ gespielt. Da musste ich 20 Minuten nackt auf der Bühne stehen, und das fiel mir so schwer (lacht). Ich hatte Schwierigkeiten, zu meinem Körper zu stehen. Aber in der Schauspielerei musst Du Deinen Körper mögen, sonst kannst Du nicht vor die Kamera gehen. Die Schauspielerei ist eine gute und harte Möglichkeit zu lernen, zu sich zu stehen.