Acht Wege, Menschen mit Depressionen zu unterstützen
Viele Menschen leiden an Depression, ohne dass ihr Umfeld davon weiß. Doch es gibt Anzeichen. Und Wege für Angehörige, ihnen zu helfen.
Adele hat es getan, Bruce Springsteen ebenfalls, genauso wie Lady Gaga– sie alle haben offen über ihre Depressions-Erkrankung gesprochen. Ein eher ungewöhnlicher Schritt, denn noch immer leiden die meisten Betroffenen leise. Die Weltgesundheitsorganisation möchte das ändern und widmet den Weltgesundheitstag am 7. April der psychischen Krankheit.
Berlin.
„Depression – let’s talk“ lautet das Motto. Es soll zeigen: Depressiv Erkrankte sind nicht allein. Nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe erkranken pro Jahr mehr als 5,3 Millionen Menschen in Deutschland an Depressionen. Sie seien zudem die häufigste Ursache der jährlich etwa 10.000 Suizide.
Gefühl der inneren Leere
Für Familie und Freunde von Betroffenen ist es schwer bis unmöglich, sich in die Lage der Erkrankten hineinzuversetzen. Ein früher lebensfroher Partner wird plötzlich antriebslos, spürt nur noch innere Leere und Hoffnungslosigkeit. Vielleicht wendet er sich sogar von seinen Lieben ab – etwa weil er glaubt, ihnen zur Last zu fallen.
Wie Angehörige richtig mit depressiven Menschen umgehen, haben wir Prof. Dr. Ulrich Hegerl gefragt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
1. Einen Arzt zu Rate ziehen
„Wenn sich jemand deutlich verändert, sich zurückzieht, an nichts mehr Freude hat, sollten Angehörige einen Arzttermin für ihn vereinbaren“, sagt Prof. Hegerl. Der könne dann klären, was dahinter steckt, ob eine Depression oder andere Erkrankungen die Symptome verursachen.
Dass die Angehörigen aktiv werden, sei oft nötig, weil es Betroffenen in der Regel schwer falle, sich selbst Hilfe zu holen. „Sie haben das Gefühl, selber schuld zu sein, glauben, dass ihnen keiner helfen kann“, sagt Hegerl. Manchmal wüssten sie aber auch schlichtweg nicht, wer zuständig sei. Fachärzte für psychische Erkrankungen sind Psychiater oder Nervenärzte, Psychotherapie wird oft durch Psychologen mit Spezialausbildung, den „Psychologischen Psychotherapeuten“, angeboten.
2. Sachlich informieren
Um eine Depression überhaupt erkennen zu können, müssen Angehörige wissen, womit sie es zu tun haben. Zu den Symptomen zählen laut Hegerl neben gedrückter Stimmung unter anderem auch die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, innere Daueranspannung, Appetitlosigkeit oder Schlafstörungen. Wer informiert ist, weiß zudem, das Verhalten der Betroffenen richtig einzuschätzen. „So verstehen sie es nicht als bösen Willen oder Lieblosigkeit, wenn sich der Erkrankte zurückzieht, sondern als Ausdruck der Krankheit“, sagt Hegerl.
3. Geduldig bleiben
Der Umgang mit Depressiven stellt Angehörige vor Herausforderungen. Plötzlich scheinen sie es mit einem komplett anderen Menschen zu tun zu haben. Das mag abschrecken, doch sich von den Betroffenen abzuwenden, ist der falsche Weg. „Depressionen sind gut behandelbar“, so Hegerl. Das sollten sich Familie und Freunde immer wieder vor Augen führen. Es wird besser werden.
4. Sich selbst nicht überfordern
Den Betroffenen in professionelle Hände zu geben, ist ein wichtiger Schritt. Doch das allein schützt Angehörige nicht davor, sich im alltäglichen Umgang nicht selbst zu überlasten. Vor allem wenn die Depression über einen längeren Zeitraum anhält, müssen sie den Erkrankten viele alltägliche Aufgaben abnehmen.
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe rät deshalb auf ihrer Webseite, sich selbst nicht zu vergessen. „Tun Sie sich öfter etwas Gutes, pflegen Sie die Kontakte im Freundeskreis“, heißt es dort. Hilfreich sei auch ein Netzwerk aus Freunden und Bekannten, die mithelfen. Darüber hinaus gibt es spezielle Selbsthilfegruppen für Angehörige.
5. Zurückhaltend mit guten Ratschlägen sein
Eine Depression ist eine Krankheit und nichts, was schon wieder weggeht, wenn man sich selbst nur genug Mühe gibt. Schlaue „Ratschläge“ wie „Reiß dich mal zusammen“ können sogar kontraproduktiv sein. „An Depressionen erkranken oft Menschen, die in gesundem Zustand sehr verantwortungsvoll und gewissenhaft sind“, erklärt Hegerl. „Sie sind ohnehin schon sehr streng mit sich selbst und brauchen dann nicht noch Druck von außen.“
6. Mut machen
Was hingegen schon angebracht sei, sei das Motivieren und Hoffnung geben. „Die meisten Depressiven haben mehr als eine Krankheitsphase. Angehörige können sie also daran erinnern, dass sie es schon mal geschafft haben, da wieder herauszukommen“, sagt Hegerl. Es sei wichtig, ihnen zu zeigen, dass man sie nicht aufgibt. „Auch wenn sie es in dem Moment vielleicht nicht glauben können: Viele Betroffene sagen im Nachhinein, dass sie immer wieder hören wollten, dass es besser wird.“
7. Keine wichtigen Entscheidungen treffen
„Depressive sehen alles schwarz, halten sich nur noch für eine Belastung für den Partner“, sagt Hegerl. Sie könnten deshalb Entscheidungen treffen, die sie nach überstandener Krankheit womöglich ganz anders bewerten. „Aber auch Angehörige kann die Depression zu Fehleinschätzungen verleiten“, so Hegerl. Entscheidungen über die private oder berufliche Zukunft sollten daher erst mal nach hinten verschoben werden.
8. Ernstnehmen
„Eine Depression ist eine eigenständige Erkrankung. Man darf sie nicht als Reaktion auf äußere Lebensumstände sehen“, so Hegerl. Die seien viel weniger einflussreich als wir glauben. Nur wer die Krankheit als solche anerkennt, begegnet den Betroffenen mit Respekt. Und der ist die wichtigste Grundlage, um eine wirkliche Hilfe sein zu können.
Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.