- Organisierter Kindergeld-Betrug in Duisburg
- Oft muss Duisburg überregional als Negativbeispiel herhalten
- 34 Fälle liegen bei Staatsanwaltschaft
- So gehen Behörden gegen kriminelle Banden vor
Duisburg.
Gefälschte Geburtsurkunden, nachgeahmte Schulbescheinigungen für Phantomkinder und Kindergeld-Anträge von Einwanderern in lupenreinem Deutsch. Kriminelle Banden betrügen den Staat auch im Ruhrgebiet systematisch ums Kindergeld.
Duisburg taucht als Stadt in diesem Zusammenhang gerade in überregionalen Medien immer wieder auf: Warum ist gerade das Ruhrgebiet ein häufiges Ziel von organisierten Banden?
Das Problem: 400.000 Euro Schaden durch Kindergeld-Betrug
Die Betrüger kommen zwar in der Regel aus Südosteuropa, gehören aber zu einer kleinen Gruppe, die in Geldsumme einen großen Schaden verursacht. Der Leiter der Familienkasse, Karsten Bunk, schätzt den Schaden in der Region nach aktuellen Zahlen auf rund 400.000 Euro.
„Es ist schon so, dass das Ruhrgebiet besonders anfällig dafür ist“
Für den Betrug scheint die Region besser geeignet zu sein, als es den Behörden lieb wäre.
„Es ist schon so, dass das Ruhrgebiet besonders anfällig dafür ist“, erklärt Christoph Löhr, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit NRW.
Die Voraussetzungen für den Betrug in Duisburg seien einfach günstig:
- Niedrige Hauspreise
- Hoher Leerstand in der Stadt
- Großer Minijob-Arbeitsmarkt
- Enge Verkehrsnetze mit guter Anbindung, um schnell weiter zu ziehen
Duisburg – eine Hochburg für die Betrüger?
Doch wie kommt es, dass gerade Duisburg so häufig als Beispiel genannt und überregional als Hochburg für Kindergeld-Betrug herhalten muss?
„In Duisburg haben wir 1900 Rumänen, die entweder geringfügig beschäftigt sind oder sozialversicherungspflichtig arbeiten. Davon haben wir 369 Minijobber und DAVON sind es 169 Personen, unter denen wir uns Verdächtige anschauen,“ so Löhr.
Selbst wenn alle diese Verdächtigen auch betrügen, würde die Betrugsquote bei 8,89% liegen. Keine monströse Zahl, im Vergleich zu viele anderen Städten. Zum Beispiel in Bremerhaven sähe es laut Löhr ähnlich aus, doch diese Stadt würde selten als Negativbeispiel angegeben.
Kriminelle versprechen Familien ein besseres Leben
Doch wie funktioniert die Betrugsmasche der kriminellen Banden eigentlich? Auch das weiß die Agentur für Arbeit genau. „Wenn ich als EU-Ausländer Sozialhilfe bekommen will, benötige ich einen Wohnsitz und Arbeit“, erklärt Löhr.
Die Kriminellen versprechen Familien in Bulgarien und Rumänien ein besseres Leben in Deutschland und bringen sie dann unter üblen Bedingungen in Duisburg unter. Sie fälschen Dokumente im Namen der Familie und beginnen mit dem Betrug, der sich lediglich für die Drahtzieher lohnt.
75% der Rumänen und Bulgaren sind berufstätig
Im Gespräch mit Christoph Löhr wird jedoch deutlich: Das Problem kann nicht pauschal einer Gruppe zugeordnet werden.
„Drei Viertel der in Duisburg lebenden Bulgaren und Rumänen arbeiten und beziehen gar keine Sozialleistungen“, so Christoph Löhr gegenüber DER WESTEN. Die Diskussion um Kindergeld-Betrug werde ihm oft zu sehr auf diese Migranten-Gruppe beschränkt.
„Wir brauchen die Bulgaren und Rumänen hier“
„Wir brauchen die Bulgaren und Rumänen hier“, so Löhr, dem der Integrationsaspekt wichtig ist. Zum Beispiel in der Gebäudereinigung und in anderen Berufssparten seien die Osteuropäer tätig.
„So sind sie als Fachkräfte für unsere Gesellschaft unverzichtbar“, sagt Löhr.
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Einwanderer wollen Bildung für ihre Kinder
Doch der Betrug passiert und hat auch in Duisburg System. „Früher war bei unseren Ermittlungen dann plötzlich der Vermieter der Schrottimmobilie auch der Arbeitgeber“, so Löhr. Da wird die Behörde schnell misstrauisch.
„Nicht die Rumänen und Bulgaren selbst sind in der Lage, sich in Duisburg einfach mal Häuser oder Wohnungen zu leisten, im Hintergrund steckt große kriminelle Energie“, erklärt Löhr.
Gefälschte Dokumente und Bescheinigungen
Ominöse Männer holen die Miete dann monatlich bei den Familien ab. Das kriminelle Modell basiere aber vor allem auf gefälschten Dokumenten und Bescheinigungen.
„Die Kinder leben bei den Kontrollen dann plötzlich gar nicht vor Ort und es wird versucht Kindergeld rückwirkend zu beantragen“, so Löhr.
Das Prinzip: Achtstündiger-Arbeitsvertrag, um Sozialleistungen zu kassieren
Die Einwanderer sagen Löhr, dass sie eigentlich herkommen, weil sie hier in Deutschland Bildung für ihre Kinder bekommen. Doch Kriminelle machen Bulgaren und Rumänen im Heimatland falsche Hoffnungen. Sobald sie angekommen sind, nutzen sie die Einwanderer schamlos aus.
„Das Geschäftsmodell des Sozialleistungsbetrugs basiert darauf, dass man einen Arbeitsvertrag braucht, in dem steht, dass man mindestens acht Stunden in der Woche arbeitet: Den Rest kann man dann aufstocken.“ Das wissen die Betrüger genau, erklärt Löhr. In der Regel würde Kindergeld-Betrug mit dem Sozialleistungsbetrug einhergehen. Damit würden die Banden viel mehr Geld machen.
„Selbst der Name der Schule ist erfunden“
An Dreistigkeit sind die Banden bei der Urkundenfälschung häufig kaum zu überbieten, wie Löhrs Ausführungen eindrücklich zeigen.
„Manche Schulbescheinigungen sind ganz offensichtlich gefälscht. Dann gibt es die Schule nicht einmal und selbst der Name der Schule ist erfunden.“ Oder: „Die Unterlagen sind perfekt ausgefüllt bei Migranten, die gar kein Deutsch sprechen.“
Ab drei oder vier Kindern sei der Kindergeld-Betrug für die Banden erst interessant.
Oft würden sich auch Menschen bei der Stadt anmelden aber nicht abmelden, dann aber umziehen und weiterhin Kindergeld beziehen.
„Manchmal sind drei Familien in einer Wohnung, aber angegeben wird dann, dass sie in drei Wohnungen leben“, so Löhr. Dann wird das Betrugsmodell lukrativ.
34 Fälle liegen bei Staatsanwaltschaft
„Wir haben momentan 34 Fälle, die an die Staatsanwaltschaft gehen. Die kommen von der Familienkasse NRW-West“, so Löhr.
Kindergeld-Betrug gehöre zum organisierten Leistungsmissbrauch. Auch wenn Kindergeld eine Leistung nach Steuerrecht sei. „Der Betrug passiert in der Regel im Zusammenhang mit Hartz-IV-Betrug und ist ein Straftatbestand“, erklärt Löhr.