Erstes deutsches Offshore-Hotel liegt 70 Kilometer vor Sylt
Der Energiekonzern Vattenfall betreibt in der Nordsee ein Hotel für Monteure und Techniker. Sie warten Windräder – gleich nebenan.
Westerland.
Schäumend bricht sich die Nordsee am stählernen gelben Unterbau. Auf der Plattform knapp 20 Meter höher leben seit zwei Monaten rund 50 Techniker, Ingenieure, aber auch Köche und Hausmeister. Sie alle arbeiten in Deutschlands erstem Offshore-Hotel rund 70 Kilometer westlich von Sylt. Ihre Aufgabe: Wartung der benachbarten Windparks „Dan Tysk“ (am Netz) und „Sandbank“ (in Bau). Insgesamt sollen von hier aus 152 Windräder Strom in deutsche Haushalte schicken.
Betrieben werden Windpark und Hotel vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall und den Stadtwerken München. Der Alltag auf dem mehr als 2000 Tonnen schweren Koloss ist durch Arbeit geprägt. Im Schichtbetrieb, zwei Wochen am Stück, bis zu zwölf Stunden pro Tag dreht sich alles um Windenergie. „Das ist ’ne andere Welt“, sagt Christof Huß, Betriebsleiter von „Dan Tysk“ – im Vergleich zur Windkraft an Land.
100-Millionen-Bau soll sich rechnen
„Man kann nicht einfach mit dem VW-Bus an die Anlage heranfahren – und wir müssen nicht nur den Bus durch ein Schiff ersetzen, sondern müssen auch ein Hotel bereithalten“, erzählt Huß. Ein riesiger Aufwand, der viel Geld kostet. Dennoch glaubt der Betreiber, dass sich der etwa 100 Millionen Euro teure Bau rechnet. „Dort haben wir ja auch deutlich mehr Wind“, sagt Ingenieur Huß.
„Dan Tysk“ ist einer der ersten deutschen Windparks in der Nordsee. 80 Turbinen stehen in einer Wassertiefe von 21 bis 32 Meter. Die Anlage erstreckt sich über eine Fläche von 70 Quadratkilometern und hat insgesamt mehr als eine Milliarde Euro gekostet. Seit Dezember 2014 liefert der Windpark Strom, seit April vergangenen Jahres ist er offiziell in Betrieb.
Reduzierte Schiffstouren freuen Naturschützer
Das tief im Meeresboden verankerte Hotel hat noch weitere Vorteile: Bislang mussten die Serviceteams rund 100 Kilometer per Schiff oder Helikopter anreisen. Nun bringen Transportschiffe die Teams binnen kurzer Zeit von der Wohnplattform statt von schaukelnden Hotelschiffen zu den Einsatzorten. Eine Entwicklung, die selbst Naturschützer freut: „Letztendlich ist alles gut, was Transporte und Flüge reduziert“, sagt Kim Detloff, Leiter Meeresschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Insgesamt jedoch belasteten die Windparks durch ihren Lärm etwa Schweinswale. Auch nach Inbetriebnahme, sagt Detloff, „gibt es eine dauerhafte Störung.“
Der Windpark „Sandbank“ entsteht gerade – schneller als geplant. Vattenfall zufolge montieren die Techniker derzeit alle zwei bis drei Tage eine neue Turbine. 30 stehen bereits. „Offshore ist in Deutschland inzwischen so weit, dass man auf Erfahrungen aufbauen kann“, sagt ein Konzernsprecher.
Kraftraum, Kino und Billard zur Abwechslung
Auch Huß schläft ab und zu auf der 3500 Quadratmeter großen Plattform, wenn er nicht gerade den Betrieb von Hamburg oder dem dänischen Esbjerg aus koordiniert. In den rund elf Quadratmeter kleinen Kabinen hängen Fernseher, es gibt eigene Bäder. Kraftraum, Kino und Billardtisch bieten Abwechslung.
Alles ist etwas enger, selbst der Müll wird gepresst, damit er wenig Platz einnimmt. Am wichtigsten sei auf See jedoch etwas anderes: „Es gibt zwei Sachen, die funktionieren müssen, das sind Essen und Kommunikation“, sagt Huß. Fast alle telefonieren abends mit zu Hause – und ist das Essen schlecht, drückt das die Stimmung.
Crew könnte zwei Wochen autark leben
Sind die Einschränkungen für den 45-Jährigen ein Problem? „Offshore ist ein Bereich, der mich immer fasziniert hat“, sagt Huß über seinen Arbeitsplatz. Doch der Verzicht auf Komfort sei ihm schwergefallen – nun habe er die ideale Kombination gefunden. Einige Plattformmanager, so erzählt es der zweifache Familienvater, seien sogar noch weniger Privatleben gewohnt gewesen. Sie seien zur See gefahren, bevor sie auf der Plattform angeheuert hätten, die im Meer neben der Umspannstation für den Windpark entstand. Eine Gangway verbindet die beiden Ökostrom-Inseln.
Doch was, wenn man seine Brille an Land liegen lässt? „Man sollte sie nicht zu Hause vergessen“, sagt Huß. Für den medizinischen Notfall gebe es einen Sanitäter und Medikamente an Deck. Alles andere könne schon mal ein paar Tage dauern. Immerhin: Theoretisch könnten die Crews bis zu zwei Wochen völlig autark leben. Die ersten Herbststürme stehen der Plattform noch bevor. Anders als auf den Schiffen, versichert Huß jedoch: „Da schaukelt nichts.“