Beim Parteitag wird deutlich, wie sich das Gesicht und der Kurs der Christdemokraten gewandelt hat. Frauen und Migranten prägen das Auftreten und die Agenda. Die alten Alpha-Tiere wie Christian Wulff, Norbert Röttgen oder Roland Koch spielen keine Rolle mehr. Ganz oben an der Spitze thront – noch – unangefochten die Kanzlerin.
Hannover/Essen.
Der eine hat die Bundespräsidentschaft nicht überlebt. Der andere scheiterte erst in NRW an Hannelore Kraft, dann wollte ihn auch die Bundespartei nicht mehr. Der nächste – ein wahres Alpha-Tier – hätte Angela Merkel ernsthaft gefährlich werden können: Die CDU-Karrieristen der Nach-Kohl-Ära Christian Wulff,Norbert Röttgen oder Roland Koch spielen in der Partei keine Rolle mehr. Und Friedrich Merz biss sich schon vor Jahren an Angela Merkel die Zähne aus.
Nun steht die Kanzlerin unangefochten an der Parteispitze. Die mit den Hufen scharrende männliche Konkurrenz schüttelte sie konsequent ab, der Rest erledigte sich – siehe Wulff und Röttgen – von selbst.
Die neue Komkurrenz formiert sich
Doch sich innerparteilich zurücklehnen, um sich ganz dem bevorstehenden Wahlkampf zu widmen, sollte Merkel auch wieder nicht. Schließlich formiert sich gerade neue Konkurrenz, doch diesmal sind es keine männlichen Netzwerker. Wenn am Dienstag die 1001 CDU-Delegierten zusammenkommen, sind es Frauen und Migranten, die der Partei ein Gesicht geben und den Konvent mit ihren Themen prägen dürften.
Aus der Riege der nunmehr fünf Stellvertreter (statt bisher vier) stechen zwei Frauen hervor: Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die profilierteste und bald dienstälteste Vize-Chefin, dazu neu Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz. Ihr wird zugetraut, dass sie die dritte CDU-Ministerpräsidentin wird – nach Christine Lieberknecht in Thüringen und Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland. Das Bild der mächtigen Frauen in der Union runden die CSU-Politikerinnen Gerda Hasselfeldt und Ilse Aigner ab. Hasselfeldt hat mit der Führung der Berliner Landesgruppe schon ihre Machtbasis, Aigner könnte CSU-Chef Horst Seehofer ablösen.
Mit Merkels Waffen
Anders als die machtbesessenen – und gescheiterten – Männer legt es die Frauenriege darauf an, die Politik mit Inhalt zu füllen. Es geht darum, einen Beitrag zu leisten, von der Partei und Gesellschaft profitieren. So ist es nicht verwunderlich, dass das Betreuungsgeld bei vielen Frauen in der Partei als rückwärtsgewandt gilt. Oder dass in der Rentenpolitik die Frauen-Union darauf pocht, die Kinder-Erziehungszeiten stärker anzurechnen. Sie kämpfen um die Sache und stärken gleichzeitig ihre Position – ganz nach dem Merkel-Prinzip.
Werden sie sich nun bei den strittigen Themen um des innerparteilichen Friedens willen fügen oder Merkel mit ihren eigenen Waffen schlagen? Noch ist es wohl zu früh für eine direkte Attacke gegen die Parteichefin. So braucht die heimliche Kronprinzessin Ursula von der Leyen als Sozialministerin die Unterstützung der Kanzlerin in der umstrittenen Rentenpolitik, und als Vertreterin der niedersächsischen CDU hat sie auch gegenüber David McAllister – der niedersächsische Ministerpräsident befindet sich gerade mitten im Wahlkampf – eine Friedenspflicht.
Die CDU ist bunter geworden
Immerhin: Der pragmatische Stil Merkels, den nun auch ihre Konkurrentinnen so beherzt befolgen, führt dazu, dass die Union ein wenig mehr ein Spiegel der Gesellschaft und somit bunter wird. Drei Kandidaten für den Vorstand haben einen Migrationshintergrund: Die NRW-Landtagsabgeordnete Serap Güler, ferner die niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan, beide türkischer Abstammung, und Younes Ouaqasse aus Thüringen, der aus Marokko stammt. Ins Präsidium, das höchste Führungsgremium, soll die Berlinerin Emine Demirbüken-Wegner aufrücken, in der Türkei geboren.