Kommerzielle Werbung erreicht offenbar in großem und zunehmendem Ausmaß die Schulen in NRW. Experten warnen vor den Folgen.
Essen.
Die Lehrergewerkschaften VBE und GEW, die Verbraucherzentrale sowie der Verein Lobby Control haben beobachtet, dass immer mehr Firmen, Agenturen und Stiftungen mit werblichen Absichten Kontakt zu Schulen suchen. „Sie gehen bei ihrer Suche nach Schülerkontakten zunehmend professionell vor“, sagte Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale NRW zur WAZ. Die GEW spricht von einem „Kampf um die Köpfe der Kinder“. Eine Berliner Profi-Agentur sagt es ganz unverblümt: „Wer früh in Kommunikation für Kinder investiert, der profitiert später von besonders loyalen Kunden.“
Manchmal ist die Werbe-Absicht offensichtlich. Etwa, wenn Getränke- oder Schokoladehersteller Lehrbücher und Hefte zur Verfügung stellen oder Schulfeste sponsern. In immer mehr Fällen aber wird Werbung mit einem aufwändigen pädagogischen Konzept verbunden: Banken und Versicherungen, zum Beispiel die Allianz, schicken „Finanztrainer“ in die Klassen. Unternehmen wie RWE und Rheinenergie oder auch diverse Stadtwerke informieren über Energiefragen und bringen sich als Arbeitgeber ins Gespräch.
Diese Unternehmen unterstreichen, es gehe ihnen zuerst um Information und Bildung und um Hilfe für die oft schlecht ausgestatteten Schulen. „Wir sehen dieses Engagement als gesellschaftliche Verantwortung“, so RWE-Sprecherin Sarah Schaffers. Der Konzern hat zum Beispiel einem Mülheimer Gymnasium eine teure Photovoltaikanlage spendiert. Die Verbraucherzentrale sieht darin „eine Mischung aus vielem“: verantwortliches Engagement, Meinungsmache und „eine erste Kundenbindung“.
Seit einem Jahr ist die Position des Landesbeauftragten für Schulsponsoring unbesetzt. Der frühere Landesbeauftragte, Helmut Schorlemmer, sieht die aktuelle Entwicklung mit Sorge: „Schule verdient es, qualitativ und konstruktiv unterstützt zu werden. Aber nicht auf billige Weise für eigene Zwecke instrumentalisiert“, sagte er dieser Zeitung. Lehrer und Schulleiter müsste für das Thema sensibilisiert werden.
Der Chef der Lehrergewerkschaft VBE, Udo Beckmann, fordert im WAZ-Gespräch „Prüfstellen in allen Bundesländern, die Werbe- und Sponsoring-Angebote bewerten.“