Geschafft. Weihnachten ist da. Mal wieder haben wir die letzten Geschenke gerade erst gekauft, der Baum muss noch in den Ständer, und wann beginnt eigentlich der Heilig-Abend-Gottesdienst?
Die Adventszeit ist vorbeigerast. Was geblieben ist, sind ein paar Plätzchen, die Erinnerung an einen spontanen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt und das Gefühl, mal wieder keine Zeit gehabt zu haben. Dabei sollte uns der Advent doch vorbereiten auf das Fest der Feste. Christen feiern die Menschwerdung Gottes. Aber auch für diejenigen, die nicht glauben, geht es um Menschlichkeit. Nicht von ungefähr ist ein New Yorker Polizist in der Adventszeit zum youtube-Helden geworden, weil er einem Obdachlosen ein paar Socken und Stiefel gekauft hat. Und weil ein Passant diesen Moment des Mitgefühls gefilmt und ins Internet gestellt hat. Ansonsten wäre der New Yorker Polizist niemals so berühmt geworden – ein Held wäre er gleichwohl.
Die Weihnachtszeit fordert uns auf innezuhalten. Es geht um Hoffnung. Hoffnung auf Frieden in den Krisengebieten. Hoffnung auf eine Gesellschaft, in der die Stärkeren aus Überzeugung mehr tragen als die Schwächeren. Hoffnung auf eine Gesellschaft, in der es gerecht zugeht. Was Hoffnung darüber hinaus bedeutet, habe ich aus einem Buch von Peter Prange über das Kinderhospiz Balthasar in Olpe gelernt. In „Platz da, ich lebe“ wird deutlich, dass dieses Haus zum Sterben in Wahrheit voller Leben steckt. Lachen und trauern, leben und sterben – beides gehört in Olpe zusammen.
Das beweisen Schicksale und Berichte wie der von Anja Siekmann, die den Jahreswechsel eigentlich mit ihrer schwerst mehrfach behinderten Tochter Lena im Kinderhospiz Balthasar verbringen wollte. Doch dann verschlechtert sich der Zustand der Achtjährigen so, dass Lena in die Kinderklinik eingeliefert wird. Die Ärzte bereiten die Mutter auf den nahen Tod ihrer Tochter vor.
Anja Siekmann schreibt: „Wie nimmt man Abschied? Abschied von einem Kind, von dem man schon seit Jahren weiß, dass es nie erwachsen werden wird? Von einem Kind, das einem jede Nacht den Schlaf raubt? Von einem Kind, das nicht laufen, nicht sprechen und nicht sehen kann? Man könnte meinen, ein solcher Abschied sei eine Erlösung. Aber dein Kind ist dein Kind. Du hast dich darauf gefreut, du hast es in deine Arme geschlossen und gewusst, wir gehören zusammen.“ Und so saß Frau Siekmann in jenen Tagen an Lenas Bett. Die Mutter sagt Lena, dass sie gehen dürfe und dass sie keine Rücksicht nehmen müsse auf ihre Eltern. Anja Siekmann wollte ihre Tochter auf dem letzten Weg begleiten. Voller Wärme, voller Liebe – eben so, wie es wohl nur eine Mutter kann.
Und dann passiert es. Die Atemzüge des Mädchens werden tiefer, weniger angestrengt. Lenas Zustand verbessert sich, sie nimmt den Kampf wieder auf. Die Mutter schreibt: „Diese Erfahrung hat uns geprägt. Wir wissen nun, wie dünn der Lebensfaden ist und wie schnell er abreißen kann. Wie sehr jeder einzelne Augenblick zählt und dass nur eines hilft, wenn es keine Hoffnung mehr gibt: Liebe.“
Ein Satz, den in diesen Tagen auch Robbie Parker in Newtown hätte formulieren können. Seine Tochter Emilie (6) ist eines der Opfer des Amoktäters in der Sandy-Hook-Grundschule. In einer bewegenden Rede hatte Parker von der Hoffnung geredet, dass der schreckliche Tod der Kinder die Menschen vielleicht besser, mitfühlender machen würde. Ein Wunsch, wie er seit mehr als 2000 Jahren in der Weihnachtsgeschichte erzählt wird.