Die Polizei te prüft derzeit die Tauglichkeit von reinen Atem-Alkohol-Tests als Ersatz für die teureren Blutproben. Kritiker haben Zweifel an der Methode.
Duisburg.
10.000 Trunkenheits-Fahrer haben in NRW im letzten Jahr eine Blutprobe abgeben müssen. So bestätigt es das Landesamt für Polizeiliche Dienste in Duisburg. Der Verdacht gegen sie: Mindestens 1,1 Promille im Blut. Seit drei Wochen wird aber in Teilen des Landes aufwändiger untersucht. Die Polizei lässt nicht mehr nur pieksen. Die Verdächtigen werden auch noch gebeten, freiwillig zusätzlich zwei Mal zu pusten – einmal vor, und einmal nach der Blutprobe.
Die bei Kontrollen im westlichen Ruhrgebiet und am Niederrhein ertappten Alkohol-Sünder werden als „Versuchskaninchen“ in einem bundesweit angelegten Großversuch gebraucht. Politik und Polizeibehörden wollen dabei herausfinden, ob ein Atemalkohol-Test grundsätzlich geeignet ist, die teurere und rechtlich viel kompliziertere Blutprobe zu ersetzen. Denn daran gibt es Zweifel.
Bislang kein wissenschaftlicher Nachweis
Pusten statt Pieksen – politisch ist der Ersatz seit dem Start der großen Koalition 2013 gewollt. Experten sind aber uneins, ob die Atemalkohol-Analyse genau so präzise ist wie die Blutprobe und damit auch genau so gerichtsfest. Noch sei wissenschaftlich nicht konkret nachgewiesen, ob die Konzentrationen von Blutalkohol und Atemalkohol überhaupt vergleichbar sind, sagen die Kritiker.
Wieso ist das so? Weil beide Methoden eigentlich Unterschiedliches messen. Der Alkohol, der sich nach einem Gelage direkt im Blut sammelt und dann an die Lunge weitergegeben wird, erreicht dort langsamer seine höchste Konzentration als der Anteil des Alkohols, der über die Lunge und den frischen Atem nach außen abgegeben wird.
So können zum Beispiel Restalkoholmengen im Mund zusätzlich für Promillewerte beim Pusten sorgen. Was zur Folge hat, dass für den betroffenen Autofahrer eine Blutprobe kurz nach dem Trinken günstiger ausfällt als ein Atemalkohol-Test zur gleichen Zeit. Pusteröhrchen-Hersteller Dräger warnt deshalb in den Gebrauchsanleitungen: „Um Verfälschungen des Messergebnisses durch eventuell vorhandenen Restalkohol oder andere Restsubstanzen im Mund auszuschließen, ist deshalb vor der Messung eine Kontrollzeit von mindestens 10 Minuten einzuhalten“.
Zehn Minuten Wartezeit hat zum Freispruch geführt
Der Streit um die zehn Minuten Wartezeit hat schon zu Freisprüchen geführt. Die Einhaltung der Wartefrist konnte von der Polizei im Einzelfall nicht nachgewiesen werden. Ein zweiter Unsicherheitsfaktor: Mess-Serien in Mecklenburg-Vorpommern haben ergeben, dass es bei der Atemalkohol-Analyse eine hohe Fehlerquote gibt. Die könnte auf Anwendungsfehler zurückgehen.
Der Großversuch, bei dem die Werte der beiden Untersuchungsmethoden abgeglichen werden und der in NRW seit Anfang September über ein Jahr laufen wird, ist auf 21 Polizeidirektionen der Bezirke der Generalstaatsanwaltschaften von Düsseldorf und Köln beschränkt. Damit gibt es die „Doppeltests“ am gesamten Niederrhein, in der Region Wuppertal und in den Revierstädten Duisburg, Oberhausen und Mülheim an der Ruhr.
Die ermittelten Werte werden anschließend in der Hochschule der Sächsischen Polizei in Dresden durch ein Team des Experten Professor Dieter Müller ausgewertet. Im ganzen Bundesgebiet sollen insgesamt 3000 Tests endgültigen Aufschluss über die Zuverlässigkeit der Ermittlung des Alkoholspiegels durch Atem-Überprüfung geben.
Der Druck auf die Behörden ist groß
Bisher gibt es nur ein Gerät, das den Atemalkohol relativ sicher ermitteln kann. „Alcotest 7110 Evidental“ des Medizingeräte-Herstellers Dräger wird nur in Fällen von mutmaßlichen Ordnungwidrigkeiten angewendet, im Prinzip also für die „leichten“ Fälle zwischen 0,5 und 1,0 Promille. Ab dem Verdacht auf 1,1 Promille Alkoholkonsum oder bei Ausfallerscheinungen – das entspricht einer Strafttat, die vor Gericht durch die Staatsanwaltschaft nachzuweisen ist – wird bis jetzt grundsätzlich der Blutalkoholwert bestimmt. In der Flensburger Verkehrssünderdatei kommen in Sachen Alkohol am Steuer die meisten Meldungen aus Bayern. Auf Platz 2 folgt NRW.
Der Druck, die Blutprobe zu ersetzen, ist derzeit groß, auch weil es in der Nachbarschaft schon passiert. Die Schweiz schafft sie mit dem Jahr 2016 ab und ersetzt sie durch die Atemalkohol-Tests. Tatsächlich gilt die Blutprobe als besonders aufwändig, weil sie im Krankenhaus-Labor vorgenommen werden muss. Vor allem die beteiligten Polizeibehörden und ihre Gewerkschaften würden es begrüßen, wenn der Aufwand wegfällt.
Aber auch der Proband hätte etwas davon: Bisher muss er den Blut-Test bezahlen. Der stellt überdies rechtlich einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar und darf damit erst nach Zustimmung des mutmaßlichen Alkoholsünders durchgeführt werden. Sagt dieser Nein, geht der Bluttest nur mit Anordnung durch einen Richter oder Staatsanwalt, was besonders nachts kompliziert wird und viel Personal bindet.