Im Münchener NSU-Prozess spürt der Vorsitzende Richter Götzl aber auch das erste Mal die Macht der Nebenkläger. Das Interesse am Verfahren lässt stark nach, weil das Abarbeiten der Anträge viel Zeit auffrisst. Massiv haben die Anwälte der Nebenklage den Vorschlag der Verfahrensabtrennung zurückgewiesen.
München.
Vor dem Gebäude des Oberlandesgerichts räkeln sich Journalisten in der Sonne. Es ist kurz nach 9 Uhr am dritten Tag im Münchener NSU-Terrorprozess. Gerade sind die gepanzerten Wagen, in denen die Angeklagten sitzen, durch den Hintereingang gerauscht. Es ist nur noch eine Handvoll Medienvertreter vor Ort.
Auch bei den Nebenklägern im Gerichtssaal hat das Interesse am Prozess abgenommen. In ihren Reihen sind 35 Plätze frei geblieben. Schuld sind neben dem langwierigen Abarbeiten der Anträge auch die Kraftproben zwischen Richter Manfred Götzl und der Verteidigung von Beate Zschäpe.
Am Vormittag hatten sich Anwalt Wolfgang Heer und der Richter ein heftiges Wortgefecht geliefert. Heer hatte um das Wort gebeten, nachdem Götzl bereits eine Anwältin der Nebenklage aufgefordert hatte, zu sprechen. Heer aber beharrte darauf, dass ihm das Wort erteilt werden müsse. Als leise Lacher im Saal ertönten, monierte der Anwalt, dass es nicht sein könne, dass über ihn gelacht werde.
Video- und Tonaufzeichnung abgelehnt
Richter Götzl machte seinerseits deutlich, den Anwalt der Verteidigung von Beate Zschäpe nicht sprechen lassen zu wollen. Während dieses Streits stand Anwalt Wolfgang Stahl, der zweite Verteidiger von Beate Zschäpe, offenbar wutentbrannt auf, zog sich seine Robe aus und verließ ohne Kommentar das Gericht – kam jedoch nach etwa fünf Minuten zurück.
Anwältin Anja Sturm begründete nach einer kurzen Unterbrechung, dass die Verteidigung der Hauptangeklagten eine Unterbrechung der Verhandlung fordert, um mit ihrer Mandantin das weitere Vorgehen beraten zu können. Anja Sturm fiel am dritten Verhandlungstag mit einem lindgrünen Kleid im Stil der 60er-Jahre auf. Passend dazu trug sie grün-weiße hochhackige Schuhe. Ihre Mandantin erschien dagegen in einer dunklen Hose, einer gelben Bluse und einem schwarzen Pulli vor Gericht. Sie wirkte verunsichert.
Am Nachmittag beantragte ihre Verteidigung dann erneut die Aussetzung des Verfahrens und die Abberufung von Bundesanwalt Herbert Diemer und Oberstaatsanwältin Anette Greger. Zschäpe-Verteidiger Heer und mehrere Anwälte der Nebenklage beantragten zudem bis auf wenige Ausnahmen die komplette Video- und Tonaufzeichnung der Verhandlung. Die Bundesanwaltschaft lehnte das ab. Mit einer Kamera könne keine unbefangene Aussage gemacht werden, erklärte Bundesanwalt Diemer.
Nebenkläger gegen Abtrennung
Der Vorsitzende Richter Götzl hatte am Dienstagabend ein Abtrennen des Sprengstoffanschlags in der Kölner Keupstraße vorgeschlagen. Im Juni 2004 waren bei der Explosion einer Nagelbombe 31 Menschen teils lebensgefährlich verletzt worden. Das Gericht spricht bei einigen der Opfer inzwischen von versuchtem Mord.
Massiv hatten die Anwälte der Nebenklage den Vorschlag der Verfahrensabtrennung zurückgewiesen. Sie sahen alle die Gefahr, dass dann das Verfahren zu diesem Verbrechenskomplex neu beginnen müsse und damit eine Einstellung drohe. Damit aber werde den Opfern die Möglichkeit genommen zu erfahren, wer für diesen Anschlag verantwortlich gewesen sei.