Die neue Flüchtlingswelle aus dem verarmten Kosovo schwappt von Serbien nach Ungarn. Das Dorf Asotthalom steckt mitten drin. Und das passt dem Bürgermeister gar nicht. Aber auch in Deutschland schrillen schon die Alarmglocken.
Asotthalom.
Das verschlafene Dörfchen Asotthalom auf der ungarischen Seite der Grenze mit Serbien. Rund 2000 meist ältere Menschen leben hier auf verstreuten Bauernhöfen. Beschaulich und ohne jede Aufregung. Doch mit der Ruhe ist es seit zwei Monaten vorbei.
Zehntausende verzweifelte Kosovo-Albaner haben sich diese Grenzregion als Tür ins vermeintliche europäische Paradies ausgeguckt.
„Es waren 500, 1000 jeden Tag“, sagt Bürgermeister Laszlo Toroczkai: „Sie kommen tagtäglich, rund um die Uhr“. 80 Prozent von ihnen seien Kosovo-Albaner, der Rest aus Syrien, Afghanistan und Afrika. Nach Schätzung der Medien in der Kosovo-Hauptstadt Pristina sollen seit Anfang Dezember 50.000 Menschen aus dem Land geflüchtet sein. Sie fahren mit Bussen oder Taxen durch Serbien bis zur Nordgrenze nach Ungarn.
„Wenn sie uns stoppen, werden wir es wieder versuchen“
Von der letzten serbischen Stadt Subotica aus geht es zu Fuß über die grüne Grenze bei Asotthalom und in die nächste Kreisstadt Szeged. Bis Ende der 80er Jahre verlief hier jahrzehntelang der streng bewachte Eiserne Vorhang, der West von Ost trennte. Heute sind die ausgedehnten Ackerebenen, die Wälder und vielen Kanäle offen. Die Flüchtlinge müssen die zehn Kilometer bis Asotthalom zu Fuß schaffen.
„Wir sind aus dem Kosovo abgehauen, weil wir kein Geld und kein Essen haben“, sagt ein Albaner, der ein Kind auf dem Arm trägt und seinen Vornamen mit Pajazit angibt: „Ich kann meine Kinder nicht mehr ernähren“, begründet der aus Gjakova in Ost-Kosovo Stammende seine Flucht. Er läuft in einer Gruppe von 15 Erwachsenen und einem Dutzend Kindern.
„Wir gehen nach Deutschland, in den Westen“, nennt ein zweiter Mann mit Namen Bleri ihr Ziel: „Und wenn sie uns stoppen, werden wir es wieder versuchen“.
Fluchtbewegung aus dem Kosovo auch in Deutschland zu spüren
Auch in Deutschland ist die Fluchtbewegung aus dem Kosovo schon zu spüren. Die Zahl der Asylsuchenden aus Albanien und dem Kosovo sind zuletzt stark gestiegen. Die Entwicklung macht den Behörden zunehmend Sorgen.
Laut Bundesinnenministerium stellten allein im Januar 3630 Menschen aus dem Kosovo einen Asylantrag in Deutschland, seither hat sich die Entwicklung weiter beschleunigt: Bayern registrierte allein am Montag mehr als 800 neue Asylbewerber aus dem Kosovo.
Immer mehr Bundesländer schlagen deshalb Alarm. Sie fordern, dass der Kosovo und Albanien als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden – wie bereits Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina. Bayern will durchsetzen, dass die Menschen aus dem Kosovo schon auf ihrem Weg nach Deutschland gestoppt werden – durch effektive Kontrollen an der ungarischen Grenze.
Kein Halt an der 25 Kilometer langen Grenze
Aber selbst wenn die Flüchtlinge einem der wenigen ungarischen Polizisten in die Arme laufen, können sie ihr Wunschziel am Ende doch erreichen, sagt Bürgermeister Toroczkai: „Wenn wir sie aufgreifen, bringen wir sie in Bussen zum Migrationszentrum nach Szeged. Dort erhalten sie Personalpapiere. Dann sollen sie mit dem Zug zu einem Aufnahmezentrum fahren. Doch stattdessen reisen sie nach Wien“.
Es gibt nicht genügend Personal, um den Ansturm der späteren Asylbewerber zu kanalisieren. Viele Ankommende haben ihre Ausweise aus dem Kosovo zerrissen. Der Bürgermeister zeigt einige zerfledderte Dokumente, die seine Leute in den Wäldern aufgeklaubt haben.
Die örtliche Polizeiwache ist mit drei Beamten besetzt. Die Regierung in Budapest hat wegen des Notstands jetzt 26 weitere Polizisten geschickt. Doch auch die können an der 25 Kilometer langen Grenze nur wenig ausrichten.
Grenzzauns zur Abwehr der Flüchtlinge im Gespräch
„Wir sind unter ständiger Belagerung“, beschwert sich Toroczkai. Daher hat er die Errichtung eines Grenzzauns zur Abwehr der nicht willkommenen Gäste vorgeschlagen. „Bulgarien baut einen Zaun gegen die Migranten aus der Türkei, die USA haben einen an der Grenze mit Mexiko“ Er orientiere er sich an Vorbildern, meint der Behördenchef.
Doch langfristig könne der Flüchtlingsstrom nur durch verbesserte Lebensbedingungen im Kosovo eingedämmt werden, ist sich der Bürgermeisters sicher: „Der Westen wollte 1999 den Kosovo-Konflikt mit Krieg lösen. Aber als nach dem Krieg aber geholfen werden musste, die Wirtschaft aufzubauen oder die korrupten Politiker zu bestrafen, war man dazu nicht bereit“. (dpa)