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Schnecken und Würmer: Wo sich die «Small Five» tummeln

Schnecken und Würmer: Wo sich die «Small Five» tummeln

Im Watt
Joke Pouliart, Wattführer, steht im Watt vor Harlesiel. Foto: Sina Schuldt/dpa

Mit ein paar Tricks lassen sich die «Small Five» im Watt aufspüren – dabei lernt man vielleicht noch etwas über das Liebesleben im Wattenmeer.

Harlesiel. 

Auf den ersten Blick wirkt das Wattenmeer wie eine schier endlose, graue Schlickwüste. Leben? Eher Mangelware. Doch der Schein trügt. Das Wattenmeer ist eine der fruchtbarsten Regionen der Erde. Nur in wenigen anderen Gebieten ist die Artenvielfalt größer.

Mehr als 10.000 Tier- und Pflanzenarten leben im Watt zwischen Sylt und Borkum. «Diese unglaublich hohe Biodiversität ist auch einer der Gründe, warum die Unesco das Gebiet als Weltnaturerbe anerkannt hat», sagt der Experte für Biodiversität der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, Benedikt Wiggering.

Viele Tier- und Pflanzenarten leben im Wattenmeer

Gemessen an der Landesfläche Deutschlands machen die Strände, Dünen und Salzwiesen des Wattenmeeres gerade einmal 0,03 Prozent der Gesamtfläche aus – allerdings kommen laut Wiggering im Wattenmeer etwa ein Viertel aller in Deutschland bekannten Pflanzenarten und ein Fünftel aller Tierarten vor. Es gibt fünf Bewohner, die zwar klein, aber auch besonders wichtig für das Wattenmeer sind, da sie als Nahrung für Fische, Schalentiere und vor allem Vögel dienen.

Die Nationalparkverwaltung nennt sie liebevoll die «Small Five» – in Anlehnung an die als «Big Five» bekannten Großtiere Afrikas: Elefant, Löwe, Nashorn, Büffel und Leopard. Gemeint sind: Strandkrabbe, Wattschnecke, Herzmuschel, Nordseegarnele und Wattwurm.

«Small Five» bei einer Safari entdecken

Ähnlich wie in der Savanne seien auch die «Small Five» bei einer Safari zu entdecken, sagt Wattführer und Nationalpark-Experte Joke Pouliart vom Wattwanderzentrum Ostfriesland in Harlesiel – nämlich bei einer «Watt-Safari». Viele Wattführerinnen und Wattführer in Schleswig-Holstein und Niedersachsen bieten spezielle Wattwanderungen allein rund um die fünf kleinen Lebewesen an.

Expertenrat kann hilfreich sein, denn wer die teils winzigen Tiere entdecken will, muss den Wattboden genau absuchen – und manchmal sei auch ein Werkzeug nützlich, erklärt Pouliart. Der Experte gibt aber auch Tipps, anhand welcher Spuren man selbst die «Small Five» im Watt finden kann. Denn: «Das, was man selbst entdeckt hat, verankert sich auch viel stärker im Bewusstsein», sagt Pouliart. Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene könnten so jede Menge lernen.

Das Wattenmeer und die «Small Five» haben nach Angaben der Nationalparkverwaltung vor allem durch den ostatlantischen Vogelzug eine globale Bedeutung. Millionen von Zugvögeln rasten dort auf ihrem Weg von den arktischen Brutgebieten in die Winterquartiere in Westafrika. Milliarden Wattwürmer, Muscheln und Algen dienen als Nahrungsquelle. «Das Wattenmeer ist für die Vögel ein riesengroßes Buffet», sagt Pouliart. Die Nahrung benötigten die Vögel, um ihre langen Strecken von mehreren Tausend Kilometern zu fliegen.

Muscheln, Würmer, Krabben und Schnecken

Die «Small Five» sind genau angepasst auf ihre Umgebung. Den Wechsel der Gezeiten, das Salzwasser, Stürme, Frost im Winter, Hitze im Sommer – und auch auf ihre Fressfeinde. Ein Überblick:

– Die Herzmuschel gilt laut der Schutzstation Wattenmeer als die wohl am häufigsten vorkommende Muschelart. Am Strand finden sich häufig die leeren, halben geriffelten Schalen. «Wenn man die komplette Herzmuschel von der Seite betrachtet, sieht sie ein bisschen wie ein Herz aus», erklärt Pouliart. Die Herzmuschel hat einen Grabefuß, mit dem sie sich wenige Zentimeter in den Wattboden einbuddeln und vor Fressfeinden schützen kann. Finden kann man sie aber trotzdem, nämlich indem man nach winzigen Löchern auf dem Wattboden sucht. Aus dem Wasser, was die Muscheln ansaugen, filtern sie Plankton. «Man sagt, dass alle Muscheln zusammen das Wattenmeer in seiner Gesamtheit in einer Woche durchgefiltert haben», sagt Pouliart.

– Der Wattwurm zählt wohl zu den bekanntesten Wattbewohnern. Um ihn im Wattboden zu finden, braucht Pouliart eine Grabegabel. Wo er suchen muss, verraten aber kleine, braune «Spaghettihaufen» aus Sand an der Oberfläche. «Der Wattwurm muss etwa alle 45 Minuten auf die Toilette», sagt der Wattführer. Der Wurm sitzt in einer U-förmigen Röhre bis zu 30 Zentimeter tief im Boden. An einem Ende saugt er Sand an und frisst die darin enthaltenden Nährstoffe. Um den unverdaubaren Sand wieder loszuwerden, quetscht er ihn etwa am anderen Ende der Röhre wieder raus – bis zu 25 Kilogramm Watt frisst er so pro Jahr.

Strandkrabbe, Nordseegarnele und Wattschnecke

Allerdings zeigen die «Sandspaghetti» auch Vögeln, wo sie nach den Wattwürmern suchen müssen. Der Wattwurm wisse sich aber zu wehren, sagt Pouliart. Wenn bei einem Stuhlgang der Hintern abgebissen werde, wachse dieser mit der Zeit wieder nach. Atmen kann der Wattwurm übrigens über Kiemen, die sich im Wasser aufstellen.

  • Die Strandkrabbe ist wegen ihrer queren Laufweise bekannt, deshalb wird sie Plattdeutsch auch «Dwarsloper» (Querläufer) genannt. Mit ihren Scheren kann die Krebsart Muscheln und Schnecken knacken. Bei Strandspaziergängen finden sich oft leere Krebshüllen am Strand. Denn bis eine Strandkrabbe ausgewachsen ist, muss sie sich viele Male häuten – der harte Panzer kann nicht mitwachsen. Wenn es im Sommer zur Paarung kommt, müssen die männlichen Tiere übrigens das Häuten des Weibchens abwarten. «Frau Krebs muss sich erst ausziehen, bevor es zum Akt kommt», sagt der Wattführer mit einem Schmunzeln.
  • Die Nordseegarnele wird umgangssprachlich oft auch Krabbe genannt – sie ist aber anders als die Strandkrabbe kein Krebs mit einem breiten Panzer, sondern zählt zur Familie der Sandgarnelen. Sie ist vor allem in der warmen Jahreszeit im Wattenmeer zu finden, im Winter ziehen die Tiere in die Nordsee hinaus. Krabbenfischer fahren besonders im Herbst raus, um sie zu fangen. Für viele Wattbewohner ist sie ebenfalls ein Leckerbissen. Die Nordseegarnele ist gräulich und fast durchsichtig. Erst nachdem sie gekocht ist, wird sie rot.
  • Die Wattschnecke ist laut Experte Pouliart die wohl schnellste Schnecke der Welt. Allerdings helfen dabei auch die Gezeiten. Mit dem Ebbstrom lassen sich die Schnecken über den Wattboden gleiten und weiden so die Oberfläche nach Nährstoffen ab. «Die Schnecken laufen quasi auf ihrer Zunge.» Manchmal lassen sich ihre Spuren ebenfalls auf der Wattoberfläche erkennen. Die Wattschnecken selbst sind winzig – mit acht Millimetern Größe sind sie ausgewachsen. (dpa)

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