Mittwochabend, 19.30 Uhr in Berlin. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Sawsan Chebli, Julia Klöckner, Franziska Brantner, Ricarda Lang, Michelle Müntefering und Dorothee Bär treffen sich im Berliner Hotel Adlon.
Die Frauen haben eins gemeinsam: Sie sind Politikerinnen. Doch genausoviel trennt sie auch. Sie stehen für die verschiedenen großen Parteien in Deutschland, die FDP, SPD, GRÜNE und die CDU/CSU. Sind nicht immer einer Meinung, liefern sich im Berufsalltag die eine oder andere hitzige Diskussion. Aber nicht an diesem Mittwochabend.
Aufmerksamkeit für Female Empowerment
An diesem Abend haben sie eine gemeinsame Mission: Sie wollen überparteiliche Frauensolidarität fördern, die Parteigrenzen aufbrechen, Aufmerksamkeit für das wichtige Thema Female Empowerment schaffen.
Die Initiative „Frauen100“ – von der Agentur Hell & Karrer ins Leben gerufen – hat den Rahmen dafür geschaffen. Neben namhaften Politikerinnen versammelten sich am Mittwochabend auch zahlreiche Journalistinnen, suchten den Dialog mit den Volksvertreterinnen, lauschten ihren Reden. Durch den Abend führte Unternehmerin Verena Pausder.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): „Da müssen wir noch ganz viel lernen“
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, machte den Anfang. Erst vor Kurzem reiste sie in die Ukraine, leitete ihre Rede am Abend mit dem fürchterlichen Angriffskrieg Putins ein: „Was mich persönlich sprachlos macht, ist das, womit dieses Jahr begann. Mit einem Krieg vor unserer Haustüre. In einer Dimension, die ich so nie mehr hätte kommen sehen. Weil ich das große Glück hatte, in einem Land geboren zu sein, in dem es eigentlich immer nur bergauf ging.“
Strack-Zimmermann macht deutlich, wie wichtig es vor allem in diesen Zeiten ist, füreinander einzustehen, sich gegenseitig zu unterstützen. „Ich glaube, dass die Zeit der Frauen jetzt wirklich da ist. Nicht nur weil Krieg ist, und gerade jetzt Frauen in diesem Krieg eine immens große Rolle spielen. Viele sind auf der Flucht mit ihren Kindern, viele sind wieder zurückgekehrt, um sich in einen Kampf zu begeben. Ich habe viele von ihnen kennengelernt. Die Zeit der Frauen ist gekommen.“
Doch auch Frauen sollten sich selbstkritisch betrachten – nicht selten kommt es vor, dass sich Frauen gegenseitig Steine in den Weg legen, sich als Konkurrenz statt als Helferinnen zu verstehen.
„Es werden ganz harte Zeiten auf uns zukommen“
„Wir sind jetzt alle auf einem großen Teich, wir schwimmen zusammen wie lauter Enten, haben unglaublich viel Spaß“, leitet Strack-Zimmermann eine Metapher ein. „Und dann kommt plötzlich ein Erpel. Schöne Federn, guter Typ. Und dann achten Sie mal darauf, was mit den Enten, mit denen sie gerade noch richtig gut geschnattert haben, passiert. Was ich damit sagen will: dass wir auch mal drauf achten sollten, wie solidarisch wir eigentlich sind, wenn es darum geht, auch wirklich zu teilen. Da müssen wir noch ganz viel lernen. Wir dürfen nicht nur drüber reden, wir sollten es auch machen.“
Die FDP-Politikerin appelliert an die „Frauen100“-Gäste: „Es werden ganz harte Zeiten auf uns zukommen. Das, was da gerade passiert, wird nicht spurlos an uns vorbeigehen. Aber daraus etwas zu machen, das ist eine ganz große Chance. Wir können als gutes Vorbild vorangehen, uns unterstützen, uns fördern. Denn am Ende geht es nur zusammen.“
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Sawsan Chebli: „Weil ich glaube, dass nur das am Ende etwas verändert“
Das wissen auch die andern Rednerinnen an diesem Abend. SPD-Politikerin Sawsan Chebli berichtet, wie Britta Haßelmann (Grüne) und Franziska Brantner (Grüne) ihr einst zur Seite sprangen, als sie selbst mitten in einem öffentlichen Shitstorm steckte. „Wir müssen uns zusammen setzen, Sawsan. Wir müssen dir helfen. Du kannst da nicht alleine stehen“, sagte Haßelmann zu Chebli.
Dass diese Solidarität keine Selbstverständlichkeit ist, weiß Chebli: „Meine Förderer waren vor allem Männer. Es waren meistens Frauen, die sich mir in den Weg gestellt haben. Ja, es gibt Frauen, die anderen Frauen nichts gönnen. Ziemlich viele leider. Aber es gibt auch unendlich viele, die wissen, dass es eben nicht reicht, wenn sie alleine da oben spielen – sondern, dass sie, wenn sie wirklich etwas verändern wollen, andere Frauen da oben haben müssen. Das gilt für die Politik, für die Wirtschaft und für die Medien.“
Die SPD-Politikerin appellierte an die Gäste: „Mein Appell an jede Frau, die eine Führungsposition hat, ist, zuerst einmal dafür zu sorgen, dass sie andere Frauen hoch zieht. Weil ich glaube, dass nur das am Ende etwas verändert.“
Auch Julia Klöckner (CDU), Dorothee Bär (CSU), Franziska Brantner (GRÜNE) und Schauspielerin Ursula Karven machen in ihren Reden deutlich, wie wichtig Solidarität unter Frauen ist – und wie wichtig es ist, immer wieder darauf aufmerksam zu machen.
Julia Klöckner (CDU): „Frauenquote ist eine Krücke und eine Brücke“
„Ich war früher immer gegen die Frauenquote. Aber heute nicht mehr“, erklärte Julia Klöckner, aktuell Bundesschatzmeisterin der CDU.
„Ich bin studierte Theologin, Politologin, Pädagogin, habe zwei Abschlüsse, ein Volontariat gemacht, war Chefredakteurin und kam dann in den Deutschen Bundestag. Gefördert von Männern. Und zu mir haben dann immer die Männer gesagt ‚Du brauchst keine Quote‘. Doch. Hätte es das Frauenquorum (Anmerkung der Redaktion: Jeder dritte Listenplatz muss mit einer Frau belegt werden) bei uns in der Partei nicht gegeben, dann wäre ich nie auf die Idee gekommen, überhaupt jemals für den Bundestag zu kandidieren.“
Klöckner bezeichnet die Frauenquote als eine „Krücke und eine Brücke“ – und ist fest davon überzeugt, dass wir sie brauchen. „Ich finde es sehr unsolidarisch von Frauen, die auch noch Stichwortgeber für solche Diskussionen sind und sagen ‚Es muss aber auf die Qualifikation ankommen‘. Ja, richtig – aber dann bitte bei den Männern auch.“
Es geht nicht immer um Männer
Übrigens: Dass Frauen untereinander solidarisch sein sollten, bedeutet nicht automatisch, dass Männer Frauen nicht fördern. Sie ihnen generell nichts gönnen oder ihnen gar Steine in den Weg legen würden. Frauensolidarität bedeutet einfach, dass sich Frauen grundsätzlich und bedingungslos gegenseitig fördern, gemeinsam nach oben ziehen und füreinander einstehen können – und das auch unbedingt tun sollten.
Dass das auch unabhängig der politischen Gesinnung oder Berufswahl möglich ist, hat jener Mittwochabend in Berlin eindrucksvoll gezeigt.