Studentenwerke laufen Sturm gegen teure Zwangs-Umbenennung
Die Geschlechtergerechtigkeit erreicht Mensen und Wohnheime: Deren Betreiber sollen künftig für „Studierende“ zuständig sein. Die Korrektur ist teuer.
Essen/Bochum/Dortmund.
Die Studentenwerke in NRW wehren sich gegen eine anstehende Zwangs-Umbenennung in „Studierendenwerke“. Sie fürchten Kosten von mehreren hunderttausend Euro, die durch den Namenswechsel entstehen würden, unter anderem durch zu verändernde Schilder, Briefköpfe und Broschüren.
Die Landesregierung hat den Begriff „Studierendenwerke“ ins neue Hochschulzukunftsgesetz geschrieben. Begründet wird dieser Schritt mit Geschlechtergerechtigkeit. Geschlechtsneutrale Bezeichnungen seien gesetzlich vorgeschrieben. Die rot-grüne Landesregierung in Baden-Württemberg hat die dortigen Studentenwerke schon vor Monaten zur Namensänderung gezwungen. Befürworter und Gegner stritten dort heftig miteinander. Bisher hat sich in NRW nur das Studentenwerk Essen-Duisburg „zähneknirschend“ umbenannt. Die anderen verweigern dem Land bisher die Gefolgschaft.
Der Zwang zur Geschlechtergerechtigkeit erreicht die Studentenwerke in NRW. Weil sich durch das Wort „Student“ nur Herren eindeutig angesprochen fühlen können, soll es künftig geschlechtsneutral-korrekt „Studierendenwerke“ heißen. Das ist jedenfalls die Ansicht der Landesregierung. Die Betroffenen fühlen sich von diesem rot-grünen Hang zur gerechten Wortwahl regelrecht überfallen und verweigern die Gefolgschaft.
„Ein sperriger, nicht alltagstauglicher Begriff“
Die Studentenwerke in Dortmund machen das nicht mit, große Bedenken gibt es auch in Aachen, Paderborn, Siegen, Köln und an vielen anderen Hochschul-Standorten. Sie fürchten um die Marke „Studentenwerk“ und halten den Namenswechsel für sinnlos teuer. Hunderttausende Euro dürfte es kosten, an Türen und auf Fluren der „Stu dierendenwerke“ neue Schilder zu montieren. Briefe, Flyer, Internetseiten, Facebook-Auftritt, Visitenkarten – alles müsste überarbeitet werden. „An dieser Vorschrift hängt ein ganzer Rattenschwanz“, ärgert sich Helga Fels von der Arbeitsgemeinschaft der Studentenwerke NRW. Sie wollen sich ihren Namen selbst aussuchen dürfen.
In Essen und Duisburg heißt es heute schon „Studierendenwerk“. Widerwillig wurde dort der Namenswechsel vollzogen. „Es ist ein sperriger, nicht alltagstauglicher Begriff“, sagte Sprecherin Petra Karst gestern. Die Essener und Duisburger möchten im Laufes des Jahres einen Namen finden, mit dem sie sich „glücklicher fühlen“. Fein raus sind die Studentenwerke in Bochum und Wuppertal. Ihre Namen waren stets zweifelsfrei geschlechtsneutral: Akademisches Förderungswerk (Bochum) und Hochschul-Sozialwerk (Wuppertal).
Das NRW-Wissenschaftsministerium muss sich auf eine Trotzreaktion einstellen. Zum Beispiel aus Dortmund: „Der Verwaltungsrat des Studentenwerks hat sich entschieden, den tradierten Namen ,Studentenwerk’ beizubehalten.“ Dies sei in die neue Satzung aufgenommen worden, die dem Ministerium zur Genehmigung vorliege.
Realität muss sich in der Bezeichnung widerspiegeln
Die Umbenennung wäre aus Dortmunder Sicht „mit erheblichen Kosten verbunden“. Allein das Dortmunder Werk betreut sieben Hochschulen, darunter die Technische Universität Dortmund, die FH Südwestfalen, die Fernuni Hagen.
Das NRW-Wissenschaftsministerium erinnert an den Auftrag der Studentenwerke, „sozialer Dienstleister für die Studierenden zu sein. 2013 waren 46,5 Prozent dieser Dienstleistungsempfangenden weibliche Studierende“ hieß es gestern in geschlechtsneutral-korrekter Wortwahl aus der Behörde. Es sei im Studierendenwerksgesetz NRW festgelegt, dass sich „die Realität der Geschlechterverteilung auch in der Bezeichnung der Organisationen“ wiederfinde.
Studierende zahlen die Zeche
Bei „Studentenwerk“ handele es sich um ein so genanntes „generisches Maskulinum“. Frauen blieben durch dieses Wort unerwähnt und unsichtbar. Wer indes von „Studierenden“ spreche, der mache auch die Frauen „sprachlich sichtbar“.
Die zwölf Studentenwerke in NRW sind zuständig für den Betrieb von Wohnheimen, Mensen und für die Studienfinanzierung (Bafög). Sie beschäftigen rund 4000 Mitarbeiter. Ein Teil ihrer Einnahmen stammt aus den Sozialbeiträgen der Studenten. Und diese Studenten, so fürchtet der Sprecher der Studentenwerke, Jörg Lüken, müssten am Ende auch die teure Umbenennung finanzieren.
Pro und Contra: Sollen sich die Studentenwerke umbenennen?
Wenn an der Uni „Herr Professorin“ unterrichtet
Die Ampelfrau hat es nicht in den Dortmunder Straßenverkehr geschafft. Die Verwaltung erteilte SPD und Grünen, die nach einem weiblichen Leuchtsymbol verlangt hatten, eine Abfuhr. Nur eines von vielen kuriosen Beispielen, die mehr Geschlechtsneutralität fordern.
1.Am 1. April 2013 trat die neue Straßenverkehrsordnung in Kraft, die sprachlich mit jeder Geschlechterdiskriminierung Schluss machen sollte: Aus dem Fußgänger wurde der „zu Fuß Gehende“, der Mofafahrer ist nun der „Mofa-Fahrende“ und auch der „Verkehrsteilnehmer“ wurde gestrichen. Die korrekte Formulierung lautet nun „wer am Verkehr teilnimmt“.
2.Die Uni Leipzig hatte 2013 eine neue Verfassung verabschiedet, die festlegt, dass weibliche Bezeichnungen für beide Geschlechter gelten. Willkommen „Herr Professorin“ hieß es dann. Schnell schob die Verwaltung jedoch nach, dass sich im täglichen Umgang nichts ändern solle, es gehe nur um die Formulierung in der Grundordnung.
3.Die Berliner Piraten stellten im Februar 2013 einen Antrag, ein Jahr später folgte der entsprechende Beschluss, nachdem jedes öffentliche Gebäude eine Unisextoilette haben sollte. So solle sich niemand ausgeschlossen fühlen, auch nicht diejenigen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen. Das Bezirksamt Berlin Mitte hat nicht lang gefackelt und gehandelt: Alle drei Mitte-Rathäuser verfügen nur noch über geschlechtsneutrale WC, ebenso andere öffentliche Gebäude.
4.Soziale Internet-Plattformen lassen ihren Nutzern die Wahl. So hat zum Beispiel Facebook 60 neue Geschlechtsidentitäten hinzugefügt, unter anderem „androgyn“, „geschlechtslos“ oder schlicht „weder noch“.