Adebar fühlt sich wohl in Bislich am Niederrhein. Auf einem rund 14 Kilometer langen Weg können die Tiere von Wanderern und Radfahrern beobachtet werden.
Wesel.
Gelbe Blumen leuchten auf der grünen Wiese rechts und links vom Deich um die Wette. Im Hintergrund schlängelt sich der Rhein durch die malerische Landschaft. Und da, mitten auf der Wiese, hoch oben in seinem Nest, da thront er – Meister Adebar – und späht in die Landschaft. Sein weißes Gefieder hebt sich vor dem dunklen Himmel ab. Er bewacht die Jungstörche, die vor kurzem geschlüpft sind. Erhaben wirkt er, wie er da so steht, umgeben von seinem Reisig-Nest. Der andere Elternteil muss wohl gerade auf Nahrungssuche sein, wie Kornel Schmitz vom Heimatverein Bislich erzählt, der mich auf dem rund 14 Kilometer langen Storchenrundweg begleitet.
Fahren und wandern durch eine Obstplantage
Der Rundweg führt an acht Storchennestern vorbei. Denn das Gebiet in Bislich, zwischen Xanten und Wesel am Niederrhein, ist für die Storche ein Paradies. Kiesfirmen haben dort viel ausgebaggert. Mittlerweile sind die meisten Gruben mit Wasser gefüllt und halten so die Umgebung feucht. „Es wurde Natur zerstört, aber auch neu geschaffen. Die feuchten, sumpfigen Landschaften bieten Storchen alles, was sie zum Leben brauchen“, erklärt Kornel Schmitz.
Die Nahrung besteht vor allem aus Insekten, Fröschen, Fischen oder auch Schlangen wie die Ringelnatter. Auch die Storchennester sind mit Hilfe der Firmen errichtet worden, die unter anderem Eisengerüste und Masten gebaut haben. Es gibt mittlerweile drei Brutpaare. „Früher sind die Störche über den Winter weggezogen. Das ist mittlerweile nicht mehr der Fall“, sagt Schmitz. Einen kleinen Umzug unternehmen die Tiere dennoch – in ein benachbartes Nest, ihrem „Zweitwohnsitz“. Das erste Nest des Rundweges ist 2011 von Storchen bezogen worden. 2008/2009 wurde es angelegt, von einer Grundschule in der Ortsmitte. Ob ein Nest aber angenommen wird, entscheiden die Störche selbst.
Auf dem Rundweg, der ausgeschildert ist, liegt auch der Neuhollandshof mit seiner riesigen Obstplantage. Dort steht seit einigen Jahren ein Storchennest – leider wird es bisher von den Tieren weitestgehend ignoriert – bis auf eine kleine Stippvisite, wie Thea Clostermann vom Neuhollandshof ein wenig wehmütig erzählt.
Das Nest wurde auf ihrem Hof quasi im Tausch aufgebaut. Denn Schmitz und dem Heimatverein war es ein Anliegen, die Obstplantage mit in die Storchenroute zu integrieren. Nun dürfen Wanderer und Radfahren durch die Obstplantage fahren, solange das Obst nicht an den Bäumen ist. Dafür half der Heimatverein bei der Errichtung des Nestes. „Die meisten Menschen sind vernünftig und wissen, dass wir mit dem Obst unseren Lebensunterhalt verdienen“, sagt Thea Clostermann.
Wanderer und Radfahrer können jederzeit auf ihrem Hof einkehren. Es gibt ein kleines Teehaus für die Rast, Schaukeln an den Bäumen. „Hier kann man zur Ruhe kommen. Heutzutage muss man nicht immer unterwegs sein. Die Stille bietet Raum für Inspiration für Neues“, sagt Frau Clostermann strahlend.
Ein Likörchen beim Bosseln auf dem Deich geht immer
Und diese Inspiration lässt sich überall auf dem Rundweg finden, selbst wenn es beim „Bosseln“ mit Eierlikör ist. „Das hat hier Tradition“, erklärt Willi, der gerade mit seinen Freunden auf der Route am Deich unterwegs ist.
Beim „Bosseln“ werden Teams gebildet. Jedes hat acht Würfe mit einer Kugel, die in einem Kreis landen muss. Wer am Ende gewonnen hat, darf das Getränk für die Verlierer aussuchen – oder einfach mittrinken. Dabei ist jeder willkommen, denn Willi scheut sich nicht, die Passanten anzuquatschen.
Weiter geht’s auf dem Rundweg, der an der alten St. Johannes-Kirche mit ihrem Klostergarten vorbeiführt. Im 10. Jahrhundert erbaut, gehört sie zu den ältesten Kirchen im Kreis Wesel. Der angegliederte Klostergarten ist besonders im Sommer eine Augenweide, wenn die Blumen blühen. Am Rande des Klostergartens gibt’s übrigens eine Bank – natürlich mit Blick zu einem Storchennest. Auch an diesem Tag sitzt dort ein Storch.
Zu einem kurzen Abstecher lädt das Museum in Bislich ein. Neben Stadtgeschichte beheimatet es eine Ausstellung von gut 350 Tierarten, die am Niederrhein zu finden sind.
Ebenfalls an der Strecke liegt die Fähre „Keer Tröch II“, die im Juni ihr 25-jähriges Bestehen feiert. Mit ihr kann man einen kurzen Abstecher nach Xanten machen – oder eben auch von Xanten aus auf den Storchenrundweg gelangen.
Wer nicht nach Bislich fahren möchte, kann sich auch von Zuhause aus die Storche angucken. Über einem Nest ist eine Webcam installiert worden. Über 2000 Zugriffe verzeichnet die Kamera am Tag, darunter sind auch welche aus China. „Unsere Storche sind eben ein Phänomen“, sagt Schmitz.