Düsseldorf.
Für den Sohn ging es um die Frage; Wer ist verantwortlich für den Tod meines Vaters? Der hatte sich mit einer Überdosis Antidepressiva umgebracht. Doch das Düsseldorfer Amtsgericht fand keine Antwort. Es sprach die beiden 24 und 38 Jahre alten Rettungssanitäter frei, die den Vater (48) kurz zuvor aufgesucht, aber nicht mitgenommen hatten, vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei.
Notruf: „Ich hab’Tabletten genommen“
Dreizehn Jahre alt war der Sohn, als er 2011 seinen Vater tot im Bett fand und damit Vollwaise wurde. Im Prozess gegen die Sanitäter war er Nebenkläger, kam aber nicht selbst. Für ihn waren die Sozialarbeiterin, die sein Vormund ist, und seine Anwältin gekommen. Sein Vater hatte am Abend des 22. Januar 2011 den Notruf angerufen. „Ich hab’ Tabletten genommen“, sagte er mit schleppender Stimme – eine Aufnahme davon spielte das Gericht vor. Die Sanitäter kamen mit Blaulicht zu ihm.
Nach ihrer Aussage, die ihre Anwälte verlasen, öffnete ihnen der 48-Jährige. Sagte, er habe Schmerzen und ihm sei übel. Er habe über den Tag zehn Tabletten Opipramol genommen. Die Sanitäter maßen Puls und Blutdruck, checkten noch andere Funktionen. Alle Werte seien normal gewesen.
Sie boten an, ihn ins Krankenhaus zu bringen oder einen Notarzt zu rufen. „Wenn ich ins Krankenhaus will, gehe ich selber hin“, habe er gesagt. Sie hätten ihn unterschreiben lassen, dass er auf eigene Verantwortung zu Hause bleibt. Und waren gegangen. Einen Tag später war er tot. Gestorben an einer Überdosis von 70 Tabletten Opipramol. An den Sohn hatte er geschrieben: „Sorry, my son, I love you.“
Der Vorwurf an die Angeklagten: Sie hätten den Mann nicht allein lassen dürfen, sondern ihn in eine Klinik bringen müssen. Ein Toxikologe, der den Fall begutachtet hat, sagt, dass ein Patient auch schon durch zehn Tabletten Opipramol so verwirrt gewesen sein könne, dass er nicht mehr vernünftig darüber entscheiden kann, allein zu bleiben.
Die Wirkung von Überdosen sei auch nicht berechenbar. Manche würden schläfrig, andere besonders wach. Klare und verwirrte Phasen könnten sich abwechseln. Auch bei scheinbar vernünftigem Verhalten könne der Betroffene geistig abwesend sein.
Für den Geisteszustand des 48-Jährigen gebe es einen „Flickenteppich an Hinweisen“, so der Richter. Er war klar genug für den Notruf, das Gespräch mit den Sanitätern und eine Unterschrift. Andererseits sprach er beim Notruf sehr langsam und seine Unterschrift war untypisch krakelig. Nicht klar ist, wann der 48-Jährige die 70 Tabletten geschluckt hat, ob vor oder nach dem Besuch der Sanitäter.
Anwältin forderteweitere Aufklärung
Die Nebenklageanwältin forderte weitere Aufklärung: „Das reicht mir nicht!“ Sie müsse dem Sohn erklären, was passiert ist. Doch der Richter machte deutlich, dass keine weitere Aufklärung möglich ist. Denn es sei nicht zu beweisen, dass der 48-Jährige verwirrt war und die Sanitäter dies wahrnehmen konnten. Und selbst wenn, sei es auch möglich, dass der 48-Jährige nach dem Besuch der Sanitäter klar genug für einen „eigenverantwortlichen Suizid“ war.
Daher sei im Zweifel für die Angeklagten zu entscheiden. Und so hieß das Urteil: Freispruch. „Es gibt Dinge, die passieren, ohne dass jemand belangt werden kann“, so das Fazit des Richters.