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SPD-Mahner Farthmann stellt sich vor Sarrazin

SPD-Mahner Farthmann stellt sich vor Sarrazin

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Foto: Uwe Schaffmeister / WAZ Fotopool

Essen. 

Fast wäre er Regierungschef in NRW geworden. SPD-Politiker Friedhelm Farthmann wird 80 Jahre alt. Nicht wenige im Land und in der Partei vermissen „Raubauze“ mit so klarer Kante wie ihn. Einen SPD-Rauswurf von Thilo Sarrazin hält er für absurd.

In dieser Stunde genießt er die herbstliche Nordsee, Ehefrau Ragnhild hat ihn zu der Reise zum Geburtstag eingeladen. Beide leben in Bad Rothenfelde, das ihr Lebensmittelpunkt ist. Aber ein Drittel des Jahres verbringt er im kleinen Bad Bodenteich in der Lüneburger Heide, wo sein eigener, einige Dutzend Hektar messender Waldbesitz liegt. Die Jagd war seine Leidenschaft, jetzt, im höheren Alter, ist es mehr die Pflege und Hege des Baumbestandes, die Försterei. Sein politisches Leben wiederum spielte sich vor allem in Düsseldorf ab. Prof. Friedhelm Farthmann wird am Donnerstag 80.

Fast wäre er Regierungschef von Nordrhein-Westfalen geworden, hätte er 1978 nicht in der Kampfabstimmung um den SPD-Landesvorsitz reichlich knapp gegen den Konkurrenten Johannes Rau verloren. Aber ein Begriff, ein Teil Landesgeschichte und populär wie eben Rau wurde auch er.

Wahrer der SPD-Identität

Seine große politische Zeit fiel in die große Zeit der Sozialdemokratie in NRW. In der zumal das Ruhrgebiet recht durchgängig rot war. Da war das Kreuz auf dem Wahlzettel an der richtigen Stelle Ausdruck eines Lebensgefühls. „Sozialdemokratie” bedeutete für die meisten: Ja zum gesellschaftlichen Wandel, aber mit vertrauter sozialdemokratischer Tradition.

Das wäre dann auch bereits eine Charakterisierung für Farthmann: Als Wahrer der SPD-Identität hat sich der Jurist als Arbeits- und Sozialminister und als Landtagsfraktionschef gesehen – konservativ den Parteiwerten verbunden. Da blieb Farthmann sich treu, wenn er sich heute wie früher von den Grünen distanziert, deren „Aufstieg trotz ihrer unheimlichen Widersprüche unfassbar ist”. Oder wenn er die SPD mit Herzblut vor Koalitionen mit den Linken warnt, weil sie sich „damit die Finger schmutzig” mache.

Fahrtmann stellt sich vor Sarrazin

Den „Akademiker” kehrte er niemals heraus. Wohl auch das (außer seinen flotten, zuweilen zotigen Sprüchen), brachte ihn dem Wahlvolk nahe. Wobei freilich manche Dame gereizt reagierte: Sagt man denn wie 1990: „Das einzige Kriterium, weshalb Frauen in der NRW-SPD so weit oben landen, ist, dass sie zwischen den Beinen anders aussehen als ich“, wenn man einst Frauenbeauftragter war . .?

Nur noch als „interessierter Beobachter“ der Politik sieht Farthmann sich heute, nicht wenige in Land und Partei vermissen „Raubauze“ mit so klarer Kante wie ihn. „Wenn ich mir den idealtypischen Sozialdemokraten ausmalen müsste: Er wäre in jeder Hinsicht wie Friedhelm Farthmann“, sagt WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach, der Farthmanns politische Arbeit lange Jahre als Mitglied der SPD-Spitze in NRW begleitet hat.

Auch im Fall Thilo Sarrazin sagt er seine Meinung: Farthmann hält einen möglichen Parteiausschluss des Integrations-Kritikers für absurd. Dies „nicht nur, weil er einen Nerv vieler SPD-Mitglieder traf. Ich trat in die SPD ein, weil es die Partei der Freiheit des Geistes war. Dazu gehört es auch, dass man Ansichten vertritt, die die meisten für falsch halten.“