In der Debatte um den Umbau des Rentensystems hat SPD-Chef Gabriel am Wochenende ein eigenes Konzept vorgelegt – und bekommt dafür sogar Lob aus der CDU. In der Union geht der Streit um die von Bundesarbeitministerin von der Leyen vorgeschlagene Zuschussrente weiter. Die CSU will Eltern bei der Rente besser stellen.
Berlin.
Union und SPD positionieren sich in der Debatte um eine Reform des Rentensystem.
Am Wochenende rückte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble von dem
Vorschlag der Arbeitsminister Ursula von der Leyen ab, die Rente für Geringverdiener künftig auf 850 Euro
aufzustocken. Während von der Leyen Kompromissbereitschaft signalisierte, aber
ihre Idee nicht aufgeben will, legte die SPD ein eigenes Konzept vor. Dieses
sieht ebenfalls eine „Solidarente“ von 850 Euro vor, allerdings mit weniger
Auflagen als im Konzept der Arbeitsministerin.
Von der Leyen hatte mit ihrem Vorschlag einer Zusatzrente für Geringverdiener und ihren Berechnungen über eine drohende Altersarmut in zwanzig Jahren für eine heftige Debatte auch in der Koalition gesorgt. Die
Arbeitsministerin hatte gewarnt, ohne eine zusätzliche Vorsorge drohe allen
Arbeitnehmern mit weniger als 2500 Euro brutto im Monat im Jahr 2030 eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung von 688 Euro.
Mit der Zuschussrente will sie Minirenten auf bis zu 850 Euro aufstocken.
Ihr Appell, die Koalition müsse die Zusatzrente noch in dieser
Legislaturperiode beschließen, wurde von Finanzminister Schäuble zurück
gewiesen. Vergangene Woche hatten bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie
Fraktionschef Volker Kauder zu erkennen gegeben, dass sie eine „umfassende
Lösung“ wollten, die Zeit bräuchte. So müsse auch über die
Rentenanrechnungszeiten für Mütter geredet werden, deren Kinder vor 1992 geboren
wurden. Auch die FDP lehnt die Finanzierung einer Zusatzrente durch die
Versicherten ab.
SPD-Chef Gabriel legt eigenes Rentenkonzept vor
Kompromisslinie könnte nach Angaben aus Unionskreisen sein, in dieser
Legislaturperiode zwar keine neue Regelung mehr zu beschließen, aber ein
Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Alterarmut vorzulegen, mit dem die Union dann
auch in den Wahlkampf ziehen könnte. Ein solches Konzept hatte am Wochenende
etwa der Unions-Sozialflügel verlangt. Ziel müsse es sein, dass langjährige
Beitragszahler auch bei unterdurchschnittlichem Einkommen eine Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus erhalten,
sagte der Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft
(CDA), Karl-Josef Laumann. „Wir müssen jetzt handeln.“
Der SPD-Bundesvorstand soll am Montag erstmals über das von SPD-Chef
Sigmar Gabriel ausgearbeitete Rentenkonzept gegen
Altersarmut diskutieren. Gabriel setzt auf eine
Solidarrente von 850 Euro, eine Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge und
flexiblere Übergänge in die Rente ab 67 Jahren.
Das Reuters vorliegende Papier bleibt in vielen Details aber ungenau. Fasst man
die Schätzungen der Kosten in dem Papier zusammen, kommt man auf Mehrausgaben
von etwa 20 Milliarden Euro im Jahr 2030 – oder mehr. Finanziert werden soll
dies aus einem höheren Beitragssatz in der Rentenversicherung und aus dem
Bundeshaushalt.
Im Vergleich zu Leyens Zuschussrente, mit der auch bis zu 850 Euro
erreicht werden sollen, wären die Zugangsbedingungen zur Solidarrente leichter.
In der Endstufe etwa wären für die Zuschussrente 45 Versicherungsjahre
erforderlich (Solidarrente 40 Jahre) sowie der Nachweis zusätzlicher privater
Altersvorsorge. Beim Vorschlag von der Leyens würde die Riester-Rente aber von der Zuschussrente nicht abgezogen – beim
Gabriel-Konzept schon.
Auch die CSU legt Renten-Vorschlag vor
Angesichts des Widerstands in den eigenen Reihen setzt von der Leyen
auf eine Annäherung an die SPD. Die CDU-Politikerin begrüßte das Rentenkonzept
der SPD. Es sei gut, dass die SPD die Gerechtigkeitslücke mit ähnlichen Mitteln
angehen wolle. Zudem äußerte sie Kompromissbereitschaft. Es gebe keinen
Königsweg, der Sozialverbände, Arbeitgeber, Alt und Jung zu 100 Prozent
befriedige, sagte die CDU-Politikerin der „Welt am Sonntag“. „Die Interessen
sind immer unterschiedlich, deswegen wird man einen Kompromiss schmieden
müssen.“ Sie forderte jedoch erneut eine schnelle Lösung.
Aus München kam unterdessen der Vorschlag eines Modells, das vor
allem Eltern bei der Rente besser stellen soll.
Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) schlug in der „Leipziger
Volkszeitung“ vor, dass bei einem Elternteil der Rentenbeitrag um monatlich 50
Euro gesenkt werden könnte. Zudem unterstützt auch Haderthauer die Forderung der
Unions-Frauen, dass Rentnerinnen, die Kinder vor 1992 geboren haben, drei
Kindererziehungsjahre angerechnet bekommen. Bisher gilt diese Regelung nur für
Mütter von nach 1992 geborenen Kindern.
Nach einer Emnid-Umfrage unterstützen 58 Prozent der befragten
Deutschen die Aufstockung von Mini-Renten. 37 Prozent lehnen dies in der von der
„Bild am Sonntag“ in Auftrag gegebenen Befragung ab. Hintergrund ist vor allem
die große Angst gerade jüngerer Deutscher vor Alterarmut. 83 Prozent der
Befragten zwischen 14 und 49 Jahren gaben an, sie hielten ihre staatliche
Alterversorgung nicht für sicher.